Ronald Schill
Ronald Barnabas Schill (* 23. November 1958 in Hamburg) war von 1993 bis Herbst 2001 Richter am Amtsgericht Hamburg und Gründer der "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" (nach ihm auch Schill-Partei genannt), die am 23. September 2001 bei der Hamburger Bürgerschaftswahl aus dem Stand 19,4% der Wählerstimmen erreichte.
Schills Großvater war als Kommunist 1944 im KZ Neuengamme hingerichtet worden.
Wegen seiner umstrittenen Urteile, bei denen regelmäßig die Höchststrafe verhängt wurde, erhielt Schill den Spitznamen "Richter Gnadenlos". Die meisten dieser Urteile wurden in der zweiten Instanz aufgehoben.
Schill verstand es, durch seine teils radikalen Positionen auf sich aufmerksam zu machen:
- Er sprach sich wiederholt für die Legalisierung von Cannabis aus, bzw. war der Meinung, dass das Strafrecht in solchen Fällen nicht zur Anwendung gebracht werden sollte.
- Nicht therapierbare Sexualstraftäter sollten seiner Ansicht nach vor ihrer Freilassung kastriert werden.
- Eltern, die ihre Kinder nicht "richtig" erziehen, sollten eingesperrt werden.
- Kurz nach der Erstürmung eines Moskauer Theaters im Oktober 2002, bei der 129 der 800 Geiseln durch den Einsatz eines starken Betäubungsgases starben, schlug Schill vor, solches Gas auch in Deutschland zur Bekämpfung des Terrorismus zu benutzen.
Am 31. Oktober 2001 wurde er zum Zweiten Bürgermeister und Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg berufen und kündigte unter anderem die Halbierung der Kriminalität innerhalb von einhundert Tagen an, was ihm jedoch nicht gelang.
Bereits kurz nach seinem Amtsantritt wurde Schill von anonymer Seite Kokainmissbrauch vorgeworfen. Da er sich öffentlich genötigt sah, seine Unschuld zu beweisen, unterzog sich Schill freiwillig einer Haaranalyse, deren Ergebnis keinen Beweis des Kokainkonsums ergab. Das von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde daraufhin eingestellt.
Für bundesweites Aufsehen und Empörung sorgte Schill, als er am 29. August 2002 vor dem Deutschen Bundestag sprach. In seiner Rede vertrat er die Meinung, dass die Hochwasseropfer entlang der Elbe aufgrund zu hoher finanzieller Zuwendungen an das Ausland nicht ausreichend entschädigt werden könnten.
Im Rahmen einer Debatte über die Flutkatastrophe in Ostdeutschland hatte Schill Politiker aller Parteien beschimpft und die Ausländerpolitik scharf kritisiert. Sein Beitrag gipfelte in den Worten: "Wir haben (in Deutschland) die tüchtigsten Menschen, aber die unfähigsten Politiker." Schuld an der großen Belastung der Haushalte durch die Flut seien die etablierten Politiker, die Geld verpulverten, mit dem "Kelch der Barmherzigkeit" durch die Welt zögen und deutsche Steuermittel verteilten, Flüchtlinge ins Land holten und Strafgefangenen schicke Einzelzellen bauten.
Bereits nach Ablauf seiner regulären Redezeit warf er der Parlamentsvizepräsidentin Anke Fuchs Verfassungsbruch vor, woraufhin diese ihm schließlich nach vorheriger Warnung das Wort entzog und 15 Minuten nach Ablauf der angemeldeten Redezeit das Mikrophon abstellte.
Im Sommer 2003 geriet der von Schill unterstützte Staatsrat Wellinghausen durch möglicherweise gesetzeswidrige Nebeneinkünfte in die Schlagzeilen.
Am 19. August 2003 wurde Schill vom Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) des Amts enthoben, da er für das Amt "charakterlich nicht geeignet" sei. Vorausgegangen war ein persönliches Gespräch zwischen von Beust und Schill, in dem von Beust die Entlassung Wellinghausens ankündigte. Von Beust erklärte dazu, Schill habe ihm damit gedroht, eine angebliche Liebesbeziehung zwischen ihm und Justizsenator Roger Kusch (CDU) und den daraus resultierenden Interessenkonflikt an die Öffentlichkeit zu bringen.
Schill ließ die Presse dazu wissen, er "habe nur an Ole von Beust appelliert, nicht mit zweierlei Maß zu messen". Er habe den Fall seines Parteikollegen, des Bausenators Mario Mettbach erwähnt, den von Beust gezwungen hatte, die Einstellung seiner Lebensgefährtin als Referentin rückgängig zu machen. Von Beust hätte wohl aber seinen Lebensgefährten Roger Kusch zum Justizsenator gemacht, und das müsse die Öffentlichkeit erfahren.
Kurze Zeit später bekannte sich Roger Kusch öffentlich, homosexuell zu sein. Bürgermeister Ole von Beust wollte sich nicht weiter zu seiner sexuellen Einstellung äußern und verweigerte mit Hinweis auf seine Privatsphäre weitere Aussagen zu dem Thema.
Vertreter verschiedener Verbände, darunter Kirchen und die Polizeigewerkschaft, begrüßten die Entlassung Schills, der nunmehr zwar aus der Politik ausscheiden, sein Bürgerschaftsmandat jedoch behalten wolle.
Der Bundesvorstand der "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" entzog am 6. Dezember das Amt des Hamburger Landesvorsitzenden und sprach Schill ein Verbot aus, weitere Ämter in der Partei einzunehmen. Es deuten sich Tendenzen an, wonach der Partei eine Zersplitterung bevorsteht.
Nach neuerlichen Provokationen Schills erklärte der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust am 9. Dezember 2003 die Koalition aus CDU, FDP und der Schill-Partei für beendet und forderte die Bürgerschaft auf, Neuwahlen anzuordnen.
Am 16. Dezember 2003 beschloss der Bundesvorstand der Schill-Partei den Parteiausschluss von Schill. Ob dieser gegen die Entscheidung Berufung beim Schiedsgericht der Partei einlegen wird, blieb zunächst offen. Am 18. Dezember gründet Schill in der Hamburger Bürgerschaft eine eigene Fraktion gemeinsam mit 5 ehemaligen Mitgliedern der Hamburger Schill-Partei. Zur Vorsitzenden der neuen Ronald-Schill-Fraktion wurde Schills ehemalige Lebensgefährtin Katrin Freund gewählt.
Ende 2003 beschloss die Bürgerschaft Neuwahlen.
Die Neuwahlen fanden am 29. Februar 2004 statt. Ronald Schill trat gemeinsam mit der PRO-DM-Partei an und erzielte 3,1 Prozent während die ehemalige Partei Schills mit 3.041 Stimmen und 0,4 Prozent und einem anschließendem Massenaustritt beim Spitzenpersonal in die Bedeutungslosigkeit zurück fiel.
Weblinks
- Biographie des Munzinger-Archiv bei der Financial Times Deutschland
- Schill als Richter - Artikel aus dem Sonntagsblatt
- Interview mit Ronald Schill bei planet-interview.de (2001)