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Dominik Brunner

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Dominik Florian Brunner (* 18. Mai 1959 in Stuttgart[1]; † 12. September 2009 in München) war ein deutscher Manager. Er war eines der drei Mitglieder des Vorstandes des niederbayerischen Ziegelherstellers Erlus in Neufahrn i.NB. Am 12. September 2009 verstarb er in Folge einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit zwei Jugendlichen am Münchener S-Bahnhof Solln, nachdem er zuvor vier Schüler vor diesen Jugendlichen schützen wollte, an Herzversagen. Postum wurden ihm zahlreiche Ehrungen für Zivilcourage zuteil.

Leben

Ausbildung und Beruf

Dominik Brunner entstammte einer Unternehmerfamilie. Er wuchs als Einzelkind in Ergoldsbach auf. Sein Vater Oscar Brunner arbeitete ab Anfang der 1960er Jahre in leitender Position beim Dachziegelhersteller Erlus AG. Nach dem Abitur am Hans-Carossa-Gymnasium in Landshut studierte Brunner Rechtswissenschaften an der Universität München und arbeitete nach dem Examen bei Kanzleien in San Francisco, Paris, München, Frankfurt und Leipzig.[1] Anschließend folgte er beruflich seinem Vater bei der Erlus AG. 1994 stieg er in die Unternehmensleitung auf und war dort für die Bereiche Finanzen, Organisation, Personal, Recht und Beschaffung zuständig.

Tod

Am 12. September 2009 wurden vier 13- bis 15-jährige Schüler von zwei 17- und einem betrunkenen[2] 18-Jährigen[3] am S-Bahnhof Donnersbergerbrücke bedroht. Sie verlangten 15 Euro, ansonsten würden sie Gewalt anwenden. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, schlug einer der Jugendlichen einem Kind ins Gesicht und trat einem anderen gegen den Oberschenkel. Einer der 17-Jährigen stieg dann in die S6 Richtung Tutzing, die bedrohten Schüler sowie die beiden verbliebenen Jugendlichen stiegen wenig später in einen S-Bahn-Zug der Linie S7 Richtung Wolfratshausen[4]. Im Zug gingen die Drohungen weiter, dort schritt Dominik Brunner ein und alarmierte die Polizei. Brunner stieg zusammen mit den Schülern am S-Bahnhof Solln aus. Nach Aussage des Triebfahrzeugführers sei Brunner dann auf die beiden Angeklagten zugegangen, die den Bahnhof verlassen wollten[5]. Demnach soll Brunner einem der Angeklagten einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben.[5] Im Zuge der darauffolgenden Auseinandersetzung wurde Dominik Brunner zu Fall gebracht, die mutmaßlichen Täter schlugen und traten anschließend weiter auf am Boden liegenden Brunner ein. Innerhalb von einer Minute fügten sie ihm so laut Anklageschrift 22 schwere und schwerste Verletzungen zu[6]. Laut Obduktionsbericht führte jedoch keiner dieser Verletzungen unmittelbar zum Tod Brunners.

Beide mutmaßlichen Täter wurden noch am Bahnhof von der Polizei gestellt, die kurz nach dem Halt der S-Bahn eintraf. Sie versuchten zwar zu flüchten, konnten aber die Bahnhofsumzäunung nicht überwinden.[7] Brunner starb laut Obduktionsbericht wenig später im Klinikum Großhadern an einem Herzstillstand aufgrund eines vergrößerten Herzens.[8][9] Die Staatsanwaltschaft kündigte eine Anklage wegen Mordes aus sonstigen niederen Beweggründen an[10]. Gegen den dritten beteiligten 17-Jährigen wurde ebenfalls ein Haftbefehl erlassen[11].

Die Urne von Dominik Brunner wurde am 18. September 2009 im engsten Familienkreis auf dem Friedhof von Ergoldsbach bestattet. Acht Tage später fand im Ort eine Trauerfeier für ihn statt.[12]

Reaktionen

Tatort in München-Solln sechs Tage nach der Tat

Der Vorfall löste eine Debatte um mangelnde Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln und eine mögliche Verschärfung des Jugendstrafrechts aus. Am 16. September wurden um 18:30 Uhr sämtliche Verkehrsmittel im MVV-Gebiet für eine Schweigeminute angehalten.[13] Am Tatort fanden sich um die 50 Menschen spontan zu einer Mahnwache zusammen. Am 17. September 2009 gab die Deutsche Bahn bekannt, dass in Solln, sowie in 19 weiteren Münchener Bahnhöfen die Notrufsäulen nicht funktionieren. Sie gab die Schuld der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), diese wiederum der Deutschen Bahn.[14]

Am 5. Oktober 2009 wurde von der Erlus AG sowie Freunden und Weggefährten die Dominik-Brunner-Stiftung für Zivilcourage gegründet.[15]

Kurz nach der Tat löste die Untersuchung des Bremer Kriminologen Daniel Heinke, wonach dem weitaus größten Teil der Bevölkerung die Lebensgefährlichkeit von Fußtritten gegen den Kopf bewusst ist,[16][17] eine Debatte um die strafrechtliche Ahndung solcher Delikte als (versuchtes) Tötungsdelikt aus.[18] [19]

Ehrungen

Vier Tage nach seinem Tod gedachte der Bayerische Ministerrat Brunners und rief zu einer landesweiten Schweigeminute auf. Der Ministerpräsident verlieh ihm postum den Bayerischen Verdienstorden.[20] Zusätzlich einigte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit der Redaktion der Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst darauf, Brunner nachträglich den XY-Preis für Zivilcourage zu verleihen, der gemeinsam vergeben wird.

Eine Woche nach Brunners Tod rief Uli Hoeneß vor der Begegnung FC Bayern München gegen 1. FC Nürnberg in der Münchner Allianz Arena zu einer Schweigeminute auf und ehrte Dominik Brunners couragierten Einsatz. Weiterhin ermutigte er die Menschen zu mehr Zivilcourage und verurteilte das vermeintliche Nichteingreifen von Passanten, von dem zu diesem Zeitpunkt noch die Rede war.[21] Beide Mannschaften liefen zu Ehren Brunners mit Trauerflor auf.

Am 4. Oktober 2009 zeichnete Bundespräsident Horst Köhler Brunner für seinen Einsatz postum mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland aus.[22] Er überreichte das Verdienstkreuz den Eltern des Verstorbenen. Köhler verstehe die Auszeichnung „als Zeichen der Dankbarkeit aller mitfühlenden Menschen in Deutschland für die Menschlichkeit, die Hilfsbereitschaft und die Zivilcourage, die Dominik Brunner selbstlos zeigte, als er erkannte, dass andere Menschen in Not waren“.[15]

Am 20. Dezember 2009 kamen rund 3000 Menschen zu einer Gedenkkundgebung auf dem Münchner Odeonsplatz, zu der die Initiative Münchner Courage und die Dominik-Brunner-Stiftung aufgerufen hatten.[23]

Ergoldsbach, die niederbayrische Heimatgemeinde von Brunner, will ihm ein Denkmal setzen. Das 2,20 Meter große Denkmal soll einen Mann darstellen, der sich schützend vor einen Jungen stellt. Laut den Plänen wird der Bronzeguss vor einem Neubau mit dem Namen Dominik-Brunner-Haus aufgestellt. Darin werde ein Schülerhort und ein Kindergarten untergebracht. Aufgestellt wird das Denkmal am 12. September 2010.[24][25]

Die hessische Stadt Dietzenbach benannte im Juli 2010 einen Platz nach Dominik Brunner.[26]

Rechtliche Aufarbeitung

Am 13. April 2010 begann der Prozess gegen den 17-Jährigen, der als Wortführer auftrat, als er und seine Freunde die Schüler bedrohten. Er nahm auf die Tötung Brunners jedoch nicht unmittelbar Einfluss, da er am Bahnhof Donnersbergerbrücke in eine andere S-Bahn gestiegen war.[27] Aufgrund seiner Reaktion in einem Internetforum auf die Festnahme der mutmaßlichen Mittäter musste er sich auch wegen einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten verantworten. Da bei dem Jugendlichen auch Betäubungsmittel sichergestellt worden waren, wurde auch deren unerlaubter Besitz angeklagt. Das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht München verurteilte den Wortführer unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung zu 19 Monaten Jugendstrafe zur Bewährung. Der sich in einer Suchttherapie befindende Verurteilte erhielt als Bewährungsauflage, diese für weitere fünf Monate fortzusetzen.[28]

Knapp fünf Monate nach dem tödlichen Übergriff auf Dominik Brunner wurde separat am 4. Februar 2010 gegen die beiden hauptverdächtigen Jugendlichen Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes erhoben.[29] Am 13. Juli 2010 begann der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Haupttäter vor dem Landgericht München I. Die Öffentlichkeit wurde von der Verhandlung nicht ausgeschlossen. Für den Prozess sind zunächst neun Verhandlungstage angesetzt, bei denen 50 Zeugen befragt werden sollen. Der Vorsitzende Richter gilt in Fällen öffentlicher Jugendgewalt als erfahren.[30][31]

Einzelnachweise

  1. a b Lebenslauf von Dominik Brunner bei der Dominik-Brunner-Stiftung
  2. Brunner Prozess: Ex-Freundin sagt aus auf sueddeutsche.de
  3. Bundesverdienstkreuz für Zivilcourage
  4. Geständnis wird erwartet sueddeutsche.de, 13. April 2010
  5. a b Gisela Friedrichsen: "Für mich war Brunner der Angreifer". Der Spiegel;
  6. Ein Angeklagter gesteht und gibt Brunner Mitschuld auf welt.de; Abgerufen am 29. Juli 2010
  7. Die Polizei kam nur ein paar Sekunden später
  8. Todesursache Herzversagen sueddeutsche.de, 17. Juli 2010.
  9. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,707012,00.html
  10. Seiner Courage die Ehre
  11. Todesfall Dominik Brunner: Auslöser der Gewaltspirale auf sueddeutsche.de; Abgerufen am 28. Juli 2010
  12. Abschied von Dominik Brunner
  13. Gedenkminute für Dominik B.: Busse und Bahnen stehen still
  14. S-Bahn: Notrufsäulen nur Attrappen
  15. a b Dominik-Brunner-Stiftung für Zivilcourage gegründet
  16. Weser-Kurier, 21. September 2009: Bremer Jurist promoviert zum Thema "Tot-Treten"
  17. FAZ.net: Wer gegen den Kopf tritt, will töten; Abgerufen am 16. August 2010
  18. FAZ.NET: Tottreter
  19. NUU Onmline: Den Tätern Paroli bieten; Abgerufen am 16. August 2010
  20. Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei Ministerpräsident Horst Seehofer verleiht Dominik Brunner posthum den Bayerischen Verdienstorden
  21. Eine Minute des Schweigens für den Mann der nicht tatenlos zusehen wollte www.welt.de, 20. September 2009. Abgerufen am 29. September 2009.
  22. Bundesverdienstkreuz für S-Bahn-Opfer Brunner von heute.de
  23. Tausende gedenken Dominik Brunner, Spiegel Online, 20. Dezember 2009
  24. welt.de: Denkmal für Brunner vom 30. April 2010
  25. Augsburger-Allgemeine.de vom 27. April 2010
  26. Offenbach-Post vom 10. Juli 2010
  27. Geständnis wird erwartet sueddeutsche.de, 13. April 2010
  28. http://www.stern.de/panorama/fall-dominik-brunner-anstifter-kommt-mit-bewaehrung-davon-1558117.html
  29. Mordanklage gegen S-Bahn-Schläger FAZ, 4. Februar 2010
  30. focus.de: Fall Dominik Brunner: Vor aller Augen. 12. Juli 2010. Abgerufen am 13. Juli 2010
  31. Auftakt zum Brunner-Prozess: Das Böse im Bürschchen, Spiegel Online, 13. Juli 2010.