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Hermann Kesten

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Der deutsche Schriftsteller Hermann Kesten (* 28. Januar 1900 in Podwołoczyska, Ukraine; † 3. Mai 1996 in Basel) begündete in den 1930ern die literarische „Neue Sachlichkeit“. Er ging in die Literaturgeschichte ein als leidenschaftlicher Förderer dichterischer Talente („Freund der Dichter“). Aufgrund seines jüdischen Glaubens aus Deutschland vertrieben, trat der „Schutzvater aller Verfolgten“ (so Stefan Zweig über ihn) später aus den Vereinigten Staaten als Retter und Unterstützer zahlreicher vom NS-Regime verfolgten Künstler in Erscheinung. Er regte in der Nachkriegszeit als streitbarer, engagierter PEN-Präsident heftige Debatten an und nahm regen Anteil am literarischen Leben der jungen Bundesrepublik.

Biographie

Geboren wurde Hermann Kesten am 28. Januar 1900 in Podwołoczyska (Ukraine). 1904 übersiedelte die Familie nach Nürnberg. Bereits 1918 starb sein Vater im Kriegslazarett in Lublin (Polen). 1919 legte Kesten sein Abitur am Humanistischen Königlich Alten Gymnasium ab und studierte in den Jahren 1919 bis 1923 Jura und Nationalökonomie, ferner Geschichte, Germanistik und Philosophie in Erlangen und Frankfurt am Main; ein Promotionsvorhaben über Heinrich Mann blieb unvollendet; Kesten brach sein Studium ab. 1923 bis 1926 arbeitete er im Trödelhandel seiner Mutter mit, später reiste er durch Europa und Nordafrika. Im Jahre 1926 publizierte er die Novelle "Vergebliche Flucht" in der Frankfurter Zeitung. 1927 erschien sein Debütroman "Josef sucht die Freiheit", der erste Teil der sog. Josefs-Trilogie. Das Werk wurde 1928 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet; Kesten konnte sich aufgrund seines Erfolges noch im selben Jahr in Berlin niederlassen, um dort als Lektor beim Kiepenheuer-Verlag zu arbeiten; im selben Jahr heiratete er zudem Toni Warowitz in Nürnberg. Kesten war befreundet mit Erich Kästner, Josef Roth, Klaus Mann und Ernst Toller.

1933 floh er nach Frankreich; in der folgenden Zeit hielt er sich in Paris, Sanary-sur-Mer (bei Toulon), Nizza, Oostende, Brüssel und Amsterdam auf. Er arbeitete für den holländischen Exilverlag Allert de Lange. 1934 lebte er in Hausgemeinschaft in Nizza mit Josef Roth und Heinrich Mann. 1939 wurde Kesten als feindlicher Ausländer in Paris und in Südfrankreich interniert. 1940 floh er mit einem Besuchervisum in die USA, zunächst ohne seine Ehefrau. Von 1940 bis 1942 war er Berater eines Komitees zur Rettung politisch Verfolgter; Kesten gelang die Rettung zahlreicher Schriftsteller und Künstler vor dem NS-Regime.

1949 nahm er die amerikanische Staatsangehörigkeit an; im selben Jahr nahm Kesten teil am PEN-Kongreß in Venedig und unternahm eine Europareise, wo es zu einem Wiedersehen mit Deutschland, Nürnberg und alten Freunden kam. 1950 wurde Hermann Kesten Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. 1953 zog er nach Rom, welches sein vorwiegender Wohnsitz bis 1977 war, daneben führten ihn zahlreiche längere Aufenthalte in die Schweiz und nachNew York; Kesten wurde korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Die Stadt Nürnberg verlieh ihm 1954 ihren Kulturpreis. 1972 bis 1976 wirkte Kesten als Präsident des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland. 1974 erhielt er den renommierten Georg-Büchner-Preis, 1977 den Nelly-Sachs-Kulturpreis der Stadt Dortmund; im selben Jahr starb seine Ehefrau Toni, Kesten zog nach Basel, blieb seiner Heimatstadt Nürnberg jedoch durch zahlreiche Besuche verbunden. 1978 wurde er Ehrendoktor der Universität Erlangen-Nürnberg, 1980 Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, 1982 Ehrendoktor der Freien Universität Berlin. 1995 stiftete Kesten die Preissumme für die erste Verleihung des Nürnberger Menschenrechtspreises aus seinem Vermögen. Er starb am 3. Mai 1996 in Basel.

Bibliographie (Auswahl)

Romane

  • Josef sucht die Freiheit (1927)
  • Ein ausschweifender Mensch (1929)
  • Glückliche Menschen (1931)
  • Der Scharlatan (1932)
  • Der Gerechte (1934)
  • Ferdinand und Isabella (1936)
  • König Philipp II. (1938)
  • Die Kinder von Gernika (1939)
  • Die Zwillinge von Nürnberg (1947)
  • Die fremden Götter (1949)
  • Ein Sohn des Glücks (1955)
  • Die Abenteuer eines Moralisten (1961)
  • Die Zeit der Narren (1966)
  • Ein Mann von sechzig Jahren (1972)

Erzählungen und Novellen (Auswahl)

  • Vergebliche Flucht (1926)
  • Die 30 Erzählungen von Hermann Kesten (1962)
  • Dialog der Liebe. Novellen (1981)
  • Der Freund im Schrank. Novellen (1983)

Biografien, Essays (Auswahl)

  • Copernicus und seine Welt (1948)
  • Casanova (1952)
  • Meine Freunde, die Poeten (1953)
  • Der Geist der Unruhe (1959)
  • Dichter im Café (1959)
  • Filialen des Parnaß (1961)
  • Lauter Literaten (1963)
  • Die Lust am Leben. Boccaccio, Aretino, Casanova (1968)
  • Ein Optimist (1970)
  • Hymne für Holland (1970)
  • Revolutionäre mit Geduld (1973)

Bühnentexte

  • Maud liebt beide (1928)
  • Admet (1928)
  • Babel oder der Weg zur Macht (1929)
  • Wohnungsnot oder die Heilige Familie (1930)
  • Einer sagt die Wahrheit (1930)
  • Wunder in Amerika. Zusammen mit Enst Toller (1931)

Gedichte

  • Ich bin der ich bin (1974).

Reden (Auswahl)

  • "Wir Nürnberger". Erste Nürnberger Rede (1961)
  • "Zwanzig Jahre danach". Zweite Nürnberger Rede (1965)

Herausgeber (Auswahl)

  • 24 neue deutsche Erzähler (1929)
  • Neue französische Erzähler (1930)
  • Novellen deutscher Dichter der Gegenwart (1933)
  • Ernst Toller, Briefe (1935)
  • Heart of Europe. Mit Klaus Mann (1943)
  • Josef Roth. Werke und Briefe (1956)
  • Kurt Tucholsky. Auswahl (1957)
  • René Schickele. Werke (1959)
  • Ich lebe nicht in der Bundesrepublik (1964)
  • Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933-1949 (1964)

Übersetzungen (Auswahl)

  • Julian Green, Leviathan (1930)
  • Henry Michaux, Meine Güter (1930)
  • Emanuel Bove, Geschichte eines Verrückten (1930)
  • Jules Romain, Der Kapitalist (1931)
  • Jean Giraudoux, Die Abenteuer des Jérome Bardini (1932)
  • John Gunther, So sehe ich Asien (1940)

Homepage des Hermann-Kesten-Museums