Reginald McKenna
verlinkung, lexikalischer aufbau und formulierung
Reginald McKenna (* 1863; † 1943), war ein britischer Staatsmann. Er zählte zu den bedeutendsten und prägensten britischen Politikern zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Biografie
Nach seinem Aufstieg in der Liberal Party, der britischen Liberalen Partei, fungierte er in den liberalen Regierungen von Henry Campbell-Bannerman und Herbert Henry Asquith als Minister mit Verantwortung für verschiedene Ressorts: 1907-1908 als Erziehungsminister (President of the Board of Education), 1908-1911 als Marineminister (First Lord of the Admiralty), 1911-1915 als Innenminister (Home Secretary) und 1915-1916 als Schatzkanzler (Chancellor of the Exchequer).
Nach dem Sturz der konservativen Regierung Arthur James Balfour im Dezember 1905 wurde McKenna, protegiert von H.H. Asquith, dem damals zweiten Mann in der liberalen Partei, beinahe sofort Ministerkandidat, musste sich jedoch bis zum Sturz des Erziehungsministers Augustine Birrell 1907 im Zuge der Debatte über die Education bill gedulden, bis er in ein Ministeramt aufrücken konnte.
Das Amt des Marineministers übernahm McKenna nach der Regierungsumbildung infolge des unerwarteten Ablebens des Premierministers Henry Campbell-Bannerman 1908 und dem Amtsantritt von Herbert Henry Asquith als Regierungschef. Zusammen mit dem Flottenchef John Fisher forcierte McKenna von 1908-1910 eine soziale Reformierung der Royal Navy (Erleichterung des Zugangs den Marinecolleges auch für weniger priveligierte Bewerber u.v.m.), sowie insbesondere den Bau großer Schlachtschiffe, sogenannter Dreadnoughts ("Fürchtenichts") um eine hinreichende numerische wie qualitative Überlegenheit der britischen Flotte gegenüber der gleichzeitig unter der Ägide des Admirals Alfred von Tirpitz gebauten deutschen Risiko-Flotte zu gewährleisten. Das Scheitern der deutschen Risiko-Strategie (cf. Risikotheorie), welche die Absicht verfolgte, Großbritannien in einem europäischen Krieg vor anti-deutschen Engagements abzuschrecken (solche Engagements eben mit einem erheblichen eigenen Risiko zu behaften), indem es ihm die Gefahr vor Augen führte, dass ein Himmelsfahrtkommando einer, der britischen Flotte zwar unterlegenen aber dennoch stark ausgebauten, deutschen Flotte, der Royal Navy derart hohe Verluste beibringen würde, dass Großbritannien seine Vormachtstellung zur See nach einem Sieg über das Deutsche Reich an eine dritte Macht verlieren würde, ist nicht zuletzt McKennas Anstrengungen als Marineminister geschuldet. (Wiewohl die Schwächung des britischen Staates nach dem 1. Weltkrieg zumindest ein flottenmäßiges Gleichziehen der Amerikaner mit den Briten ermöglichte).
In den kabinettsinternen Streitereien und den Parlamentsdebatten um die Verwendung von Steuermitteln zugunsten eines Ausbauts des Wohlfahrtsstaates oder zugunsten des Baus weiterer Dreadnoughts, trat er als energischer Verfechter einer weiteren Aufrüstung auf. Man vermutet heute, dass er neben Fisher und der konservativen Presse eine federführenden Rolle bei der Initiierung des Naval Scares und des Invasion Scares von 1909 inne gehabt hat, einer Pressecampagne, welche die Furcht der britischen Bevölkerung vor dem Verlust der britischen Vorherrschaft zur See und sogar einer Invasion Großbritanniens durch das Deutsche Reich schürte und zu einer weiteren Verschelchterung der deutsch-britischen Beziehungen im Vorfeld des 1. Weltkrieges führte.
Nach dem Abgang von John Fisher als Flottenchef im Januar 1910 trat der Sir Arthur "Tug" Wilson die Nachfolge in diesem Amt an. Wilsons selbstherrlicher und traditionsfrommer Führungsstil führte zu einer Erstarrung des Reformprozesses der Marine, welches der konfliktscheue McKenna nicht abzuwenden vermochte. Nachdem die Marine überdies in der Agadir-Krise von 1911, welche Europa an den Rande eines Weltkrieges geführt hatte, mit keinem Kriegsplan hatte aufwarten können (der in der autokratischen Mentalität eines viktorianischen Flottenführers befangene Wilson hatte es vorgezogen Kriegspläne in seinem "Kopf" und nicht in den "Tresoren" der Admiralität zu verwahren), entliess der Premierminister den verbindlichen McKenna aus dem Amt des Marineministers zugunsten seines als durchsetzungsfähiger erachteten jugendlichen Kabinettskollegen Winston Churchill, der ihm am 25. Oktober 1911 nachfolgte. McKenna übernahm an Churchills Stelle das vakant gewordene Innenministerium. In dieser Funktion war er maßgeblich an der Erarbeitung der Home-Rule, der Zugestehung weitgehender nationaler Souveränität für Irland im Juli 1914 beteiligt, welche jedoch durch den Ausbruch des 1. Weltkreiges hinfällig wurde.
Im Mai 1915 war McKenna kurzzeitig als Nachfolger Winston Churchills im Amt des Marineministers im Gespräch, nachdem dieser aufgrund des Scheiterns der Dardanellen-Operation als First Lord of the Admiralty gestürzt und vorläufig in die Sinecure des Chancellor of the Dutchy of Lancaster, eines wenig bedeutsamen Regierungsamtes, abgeschoben worden war. Nach der Formierung einer Koalitionsregierung im Juni 1915 ging dieses Amt an den früheren Premierminister Arthur Balfour. McKenna wurde stattdessen zum Schatzkanzler, dem in Friedenszeiten zweitwichtigsten Amt der britischen Regierung, ernannt.
Als Schatzkanzler war er u.a. für die weitere Ausrichtung der britischen Wirtschaft von Friedenswirtschaft auf Kriegswirtschaft und die Verfünffachung der Einkommenssteuer zugunsten der Kriegsanstrengungen verantwortlich. Als Anhänger Asquiths und als Gegner der Wehrpflicht, die er aus moralischen Gründen und als eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der britischen Kriegswirtschaft ablehnte, verliess er die Regierung nach dem Sturz Asquiths im Dezember 1916 und dessen Ersetzung durch Lloyd George. Er schloss sich als Anhänger des Asuqith-Flügels der Liberalen Partei für den Rest des Krieges der loyalen Opposition im Unterhaus an.
McKenna verlor seinen Parlamentssitz in der Unterhauswahl vom Dezember 1918, als - entgegen dem Kalkühl der Führung der Liberalen Partei - die siegreiche Beendigung des 1. Weltkrieges sich bei der Wahlentscheidung der britischen Bevölkerung nicht zugunsten der Partei des amtierenden Premierministers David Lloyd George auswirkte. Stattdessen konnte die Conservative Party, der kleinere Koalitionspartner der Kriegsregierung gewichtige Stimmengewinne verbuchen, welches den Verlust zahlreiche liberaler Parlamentsmandate nach sich zog - darunter das von McKenna, der als Asquith-Liberaler nur einen hinteren Listenplatz erhalten hatte.
Nach dem Verlust seines Unterhaus-Mandates amtierte McKenna sehr erfolgreich als Vorstandsvorsitzender der Midland Bank. 1922 bot ihm der neuernannte konservative Premierminister Andrew Bonar Law erneut das Amt des Schatzkanzlers an, welches McKenna jedoch ablehnte. 1923 wiederholte Laws Nachfolger Stanley Baldwin, welcher selbst zuvor Schatzkanzler in der kurzlebigen Regierung Law gewesen war und die Aufgaben des Schatzkanzlers neben seinen eignen Amtsgeschäften als Premierminister weiterhin kommissarisch wahrnahm, das Angebot seines Vorgängers an McKenna ihn zum Schatzkanzler zu ernennen, welcher sich dieses Mal geneigter zeigte dieses anzunehmen. In sicherer Erwartung seiner baldigen Schatzkanzlerschaft zierte er 1924 bereits ein Titelbild des amerikanischen Times-Magazine. Da McKenna jedoch insistierte, dem Parlament als Abgeordneter der Stadt London anzugehören und sich kein Mandatsinhaber bereitfand, seinen Sitz im Parlament zugunsten McKennas abzutreten, verzichtete McKenna erneut auf das Amt des Schatzkanzlers. Stattdessen wurde Arthur Neville Chamberlain Schatzkanzler.
In den folgenden Jahren wurde McKenna vielfach die Peers-Würde angetragen, welche er jedoch bis zu seinem Tod ablehnte. In den 20er und 30er Jahren figurierte McKenna als inoffizieller Berater der Schatzkanzler Neville Chamberlain, Philip Snowden und Winston Churchill. Letzteren beriet McKenna auch zu Beginn von dessen Amtszeit als Kriegspremier (Mai 1940) bei der Finanzierung der massiven britischen Aufrüstung, welche die britische Insel 1940 binnen wenigen Monaten in eine waffenstarrende Festung zur Abwehr einer befürchteten nationalsozialistischen Invasion verwandelte. Insbesondere hatte McKenna neben Bernhard Baruch auch einen Anteil bei der Konzeption und Initiierung des Lent-and-Lease-Systems, welches als Teil eines ausgefeilten Mehrstufenkalküls eine sukzessive Einbeziehung der Vereinigten Staaten in die alliierten Kriegsanstrengungen und letztliche eine Hereinziehung der Amerikaner in die Koalition gegen die Achsenmächte bezweckte, indem es durch die Vergabe großzügiger amerikanischer Kredite an den britischen Staat ein Interesse der Vereinigten Staaten an einem britischen Kriegserfolg auf der Basis weckte, das Großbritannien in der Lage sein sollte die ihm gewährten Kredite zurückzuzahlen.