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Unglück bei der Loveparade 2010

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Blick über den Hauptbahnhof Duisburg auf das Hauptveranstaltungsgelände der Loveparade, am rechten Bildrand die Autobahn A 59 (Juni 2010)

Das Unglück bei der Loveparade 2010 ereignete sich am 24. Juli 2010 während der Abschlussveranstaltung der 19. Loveparade in Duisburg. Im Zugangsbereich zur Veranstaltung kam es zu einem Gedränge unter den Besuchern, in dessen Folge 21 Menschen ums Leben kamen. Während der gesamten Veranstaltung wurden über 500 Menschen verletzt.[1]

Die Unglücksursachen und weitere Details wurden Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Duisburg.[2] Der Veranstalter der Loveparade erklärte am Tag nach dem Unglück, dass es keine Loveparade mehr geben werde.[3]

Hintergründe, Ereignisse im Vorfeld der Veranstaltung

Die Loveparade war eine jährlich veranstaltete Technoparade, die von 1989 bis 2006 in Berlin und ab 2007 bis 2010 an wechselnden Orten im Ruhrgebiet stattfand. In den Jahren 2004, 2005 und 2009 wurde die Veranstaltung abgesagt. Die Loveparade galt als größte Tanzveranstaltung der Welt und war für die Besucher kostenlos. Von 1989 bis 2001 wurde sie als politische Demonstration durchgeführt. Veranstalter der Loveparade war seit 2006 die Lopavent GmbH des Unternehmers Rainer Schaller, der auch mit der McFit GmbH als Sponsor der Loveparade auftrat und ihre Markenrechte erworben hatte.

Im Juni 2007 begannen Verhandlungen zwischen der Stadt Duisburg und dem Veranstalter, um die Loveparade 2010 nach Duisburg zu holen. Nach ersten Vorprüfungen möglicher Strecken im Herbst 2008 überlegte man, das nahe des Duisburger Hauptbahnhofs gelegene Gelände des ehemaligen Güterbahnhof Duisburg entsprechend herzurichten.[4] Es wurden kritische Stimmen in Bezug auf die Organisation der Veranstaltung und das Veranstaltungsgelände laut. Bereits im Februar 2009 wies der damalige Polizeipräsident von Duisburg Rolf Cebin darauf hin, dass es problematisch sei, ein geeignetes Veranstaltungsgelände zu finden. Unter anderem wegen dieser ablehnenden Haltung forderte ihn der CDU-Kreisverband Duisburg zum Rücktritt auf. Auch der Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg forderte seine Ablösung.[5] Im Oktober 2009, nach Gesprächen mit dem Grundstückseigentümer und Klärung der Rahmenbedingungen, entschieden sich die Stadt Duisburg, der Veranstalter und die Ordnungsbehörden gemeinsam für das Veranstaltungsgelände.[4]

Die ursprünglich 2009 in Bochum geplante Loveparade wurde unter anderem wegen mangelnder Kapazität des Bochumer Hauptbahnhofes und des Fehlens eines geeigneten Streckenverlaufes abgesagt.[6] In diesem Zusammenhang erhöhte sich der öffentliche Druck, die Veranstaltung tatsächlich in Duisburg stattfinden zu lassen.[7] Die Veranstaltung unter dem Motto „The Art of Love“ galt als einer der wichtigsten und größten Events des Projektes RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas, auch wenn sie weder finanziell noch organisatorisch von dessen Organisatoren unterstützt wurde.[8]

Laut Angaben des Veranstalters hatten die Veranstaltungen 2007 in Essen 1,2 Millionen und 2008 in Dortmund 1,6 Millionen Besucher. Am Veranstaltungstag gab Schaller an, dass über den Tag summiert 1,4 Millionen Besucher an der Veranstaltung in Duisburg teilgenommen hätten. Aufgrund der Erkenntnisse nach dem Unglück werden diese und frühere Angaben zur Höhe der Besucherzahlen jedoch angezweifelt.[9] Medienberichten zufolge belegen interne Papiere des Veranstalters, dass die offiziellen Besucherzahlen der Loveparade seit Jahren massiv falsch angegeben wurden und keinen Bezug zur wirklichen Besucherzahl hatten. Zur Ermittlung der „öffentlichen Besucherzahl“ sei die Zahl der tatsächlich erwarteten Besucher nach internen Maßgaben verdreifacht worden.[10]

Vor dem Event ging der Veranstalter davon aus, dass sich 400.000 bis 500.000 Menschen gleichzeitig auf dem abgesperrten Veranstaltungsgelände mit einer Fläche von 230.000 Quadratmetern aufhalten könnten, obwohl nur 250.000 Menschen genehmigt waren. Ordnungsamt und Kulturausschuss der Stadt Duisburg erwarteten noch im Dezember 2009 rund eine Million Besucher in und um Duisburg.[11] Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe war sich sicher, dass auch bei einer nötigen Sperrung des Zugangs zum Partygelände wegen Überfüllung der Besucherstrom problemlos gesteuert werden könne. Der Sprecher der Deutschen Bahn AG, Udo Kampschulte, hielt Probleme für möglich, wenn sich die Fahrgäste der 700 Sonderzüge nicht an die vorgeschriebenen Wege halten und zum Beispiel die Gleisanlagen überqueren würden.[12] Die Deutsche Bahn gab später an, zwischen 9:00 Uhr und 14:00 Uhr etwa 105.000 Personen nach Duisburg befördert zu haben.[13]

Hergang des Unglücks

Straßentunnel Karl-Lehr-Straße in Richtung zur Ostrampe auf das Veranstaltungsgelände (2008)
Lautsprecherwagen der Polizei (Düsseldorfer Straße/Ecke Mercatorstraße), gegen 18:45 Uhr).
Unglücksort am Fuß der Ostrampe, 29. Juli 2010

Die nachfolgenden Informationen zum Unglück entsprechen dem derzeitigen, teilweise lückenhaften Kenntnisstand. Sie sind erst nach Abschluss aller Ermittlungen gesichert darstellbar.

Die Loveparade fand in Duisburg erstmalig auf einem abgegrenzten Veranstaltungsgelände statt, da im Vorfeld keine geeigneten öffentlichen Verkehrsflächen gefunden werden konnten. Für die Besucher war sie nur im Süden durch die Straßentunnel der Karl-Lehr-Straße und von dort über eine Rampe zu erreichen. Westlich wurde das Gelände durch die Autobahn A 59 und östlich durch Gleisanlagen begrenzt. Die Zufahrt im Norden war unter anderem Versorgungs- und Einsatzkräften vorbehalten und nicht als Besucherzugang vorgesehen.

Der Veranstalter öffnete das Gelände für die Besucher wegen bis zuletzt andauernder Bodenarbeiten erst gegen 12:00 Uhr. Der Besucherstrom innerhalb der Stadt verstärkte sich im Laufe des frühen Nachmittags. Ab etwa 15:00 Uhr bildete sich im oberen Bereich der Rampe zum Veranstaltungsgelände ein Rückstau, da sich die ankommenden Besucher nicht wie geplant auf dem Gelände verteilten. Der Veranstalter bat daher gegen 15:30 die Polizei um Hilfe bei der Errichtung mehrerer Sperren, um den Zustrom weiterer Besucher zunächst zu stoppen. Gleichzeitig sollten ebenso die Eingangsschleusen vor den beiden Tunneleingängen gesperrt werden. Ab 15:45 Uhr waren beide Tunnel, ab 16:01 Uhr auch die östliche Rampe, durch Polizeiketten (d.h. nebeneinanderstehende Polizisten) gesperrt. Eine vollständige Sperrung im Bereich der Eingangsschleusen erfolgte nicht. Durch den Druck der neu eingelassenen Besucher mussten die beiden sich im Tunnel befindlichen Polizeiketten um 16:14 Uhr aufgegeben werden. Innerhalb der Tunnel und im Bereich der Rampe gab es für die Besucher keine Möglichkeit, seitlich auszuweichen.

Oberhalb der Polizeisperre auf der Rampe sammelten sich Besucher, die das Veranstaltungsgelände wieder verlassen wollten, wodurch ankommende Besucher nicht hinein gelangten. Die Straßentunnel der Karl-Lehr-Straße und die Ostrampe waren so angefüllt, dass sich auch nach Auflösung der Sperre die Blockadesituation zunächst nicht auflöste. Im mittlerweile dicht gedrängten unteren Rampenbereich gelangten ab etwa 16:20 Uhr einige Besucher auf das höher gelegene Veranstaltungsgelände, zunächst vereinzelt über einen Lichtmast auf der östlichen und über eine schmale Treppe auf der westlichen Seite, später auch über einen Bürocontainer im südlichen Teil dieses Bereiches. Am Fuß der Treppe wurde der Druck innerhalb der Menschenmasse gegen 17:00 Uhr so groß, dass dies bei mehreren Besuchern zu tödlichen Verletzungen führte.

Insgesamt kamen dreizehn Frauen und acht Männer aus sieben Ländern zu Tode.[14][15] Die Obduktion der Leichen hat ergeben, dass mindestens 20 der untersuchten Todesopfer an „massiver Brustkompression“ gestorben sind.[16]

Der Krisenstab der Stadt Duisburg entschied aus Sicherheitsgründen, die Veranstaltung zunächst weiter laufen zu lassen, um eine weitere Eskalation durch zurückströmende Besucher zu verhindern. Es wurden keine neuen Besucher mehr auf das Gelände gelassen, alle Notausgänge geöffnet und die gesperrte A 59 als Fluchtweg freigegeben.[4] Auf dem Veranstaltungsgelände wurde das Unglück nur allmählich bekannt, da die Mobilfunknetze stark überlastet waren. Die Loveparade 2010 endete vorzeitig gegen 23:00 Uhr, mehrere Künstler hatten ihren noch ausstehenden Auftritt aufgrund der Ereignisse kurzfristig abgesagt.[17]

Aufarbeitung des Geschehens

Veranstalter, Einsatzleitung, örtliche Behörden, beteiligte Sachverständige und Politiker äußerten sich innerhalb der ersten Stunden und Tage nach dem Unglück öffentlich und schoben sich teilweise gegenseitig die Verantwortung zu.

Der Veranstalter Rainer Schaller sagte am Abend des 26. Juli 2010: „Die Einsatzleitung der Polizei hat die Anweisung gegeben, alle Schleusen vor dem westlichen Tunneleingang an der Düsseldorfer Straße zu öffnen.“ Dadurch sei der Hauptstrom der Besucher wegen der Polizeianweisung unkontrolliert in den Tunnel geströmt. Warum die Polizei diese Anweisung gegeben habe, wisse er nicht.[18]

Auf einer Pressekonferenz des Innenministeriums am 28. Juni 2010 erhoben Innenminister Ralf Jäger und der Inspekteur der Polizei NRW Dieter Wehe Vorwürfe gegen den Veranstalter. Die Polizei sei nur für die sichere Begleitung der Besucher zum Veranstaltungsgelände zuständig gewesen. Das Gelände sei zu spät geöffnet worden und der Zufluss der Besucher nur ungenügend geregelt gewesen. Am oberen Bereich der Rampe hätte sich ein Rückstau der Besucher ergeben, wovor die Polizei schon im Vorfeld gewarnt hätte. Nachdem um 15:30 Uhr die Polizei zur Hilfe gerufen wurde, sei das vorher vereinbarte Sicherheitskonzept von Seiten des Veranstalters nicht eingehalten worden, sein Ordnersystem sei zusammengebrochen.[19] Am 4. August 2010 erweiterte Jäger die Vorwürfe auch in Richtung der Stadtverwaltung Duisburg. „Kommerzielle Erwägungen seien die Leitlinie des Handelns der Stadt gewesen, so Jäger. Er warf der Stadt vor, die Auflagen nicht kontrolliert zu haben“[20]

Ebenfalls am 4. August 2010 legte die Stadt Duisburg einen Zwischenbericht über die Vorgeschichte und die Ereignisse der Loveparade vor. Die mit der Erstellung des Berichts beauftragten Rechtsanwälte kommen darin zu dem vorläufigen Schluss, dass die Stadt Duisburg ihre gesetzlichen Pflichten, insbesondere als Genehmigungsbehörde, erfüllt habe und aufgrund einer einvernehmlich vereinbarten Zuständigkeitsabgrenzung nicht für die Sicherheit und Ordnung auf dem Veranstaltungsgelände und im Tunnel der Karl-Lehr-Straße während der Veranstaltung zuständig gewesen sei. Allerdings seien Verstöße "Dritter" gegen Vorgaben und Auflagen der Genehmigung der Stadt Duisburg festzustellen, und man könne nicht ausschließen, „dass diese Verstöße im Zusammenhang mit dem Unglück relevant geworden sind.“[4]

Der an der Universität Duisburg-Essen tätige Verkehrsforscher Michael Schreckenberg hatte nach eigenen Angaben an dem Sicherheitskonzept „für die Stadt und das Umfeld“ mitgearbeitet. An der Erarbeitung des Sicherheitskonzepts für das Veranstaltungsgelände war er nicht beteiligt, hatte aber von der Stadt Duisburg den Auftrag erhalten „die bestehenden Planungen der Zu- und Abwege sowie des Veranstaltungsgeländes für die Loveparade“ zu prüfen.[21][4] Medienberichten zufolge habe er „Gelände und Sicherheitskonzept für ausreichend“ erklärt, räumte aber ein, „nach Papierlage geurteilt zu haben“.[22] Anfang Juli 2010 war die TraffGo HT GmbH mit einer Entfluchtungsanalyse beauftragt worden, die das Entleeren des Veranstaltungsgeländes simulierte. Nach Angabe des Unternehmens wurde aufgrund der Analyse eine Verringerung der Gesamtnotausgangsbreite genehmigt.[23]

Ermittlungen

Die genaue Abfolge der Ereignisse ist noch nicht geklärt und Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Am Tag nach dem Unglück stellte die Duisburger Staatsanwaltschaft Planungs- und Genehmigungsunterlagen der Stadt Duisburg und des Veranstalters sicher. Es wurde „von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet“.[16]

Am Montag, den 26. Juli 2010 übertrug das NRW-Innenministerium „aus Gründen der Neutralität“ die weiteren polizeilichen Ermittlungen an das Polizeipräsidium Köln.[24]

Der Innenausschuss[25] des Landtags Nordrhein-Westfalen hat sich am 4. August 2010 früher als geplant konstitutiert und damit offiziell die Arbeit in der 15. Wahlperiode aufgenommen. Grund für die Sondersitzung waren Fragen an den Innenminister zum Unglück bei der Loveparade in Duisburg.[26]

Kritik an der Berichterstattung

Aufgrund der Größe und Bekanntheit der Veranstaltung verbreitete sich die Unglücksnachricht schnell weltweit. Innerhalb kürzester Zeit waren eine Vielzahl von Augenzeugenberichten sowie private Videoaufnahmen und Bilder im Internet in Portalen und Blog-Einträgen verfügbar, die auch von der Staatsanwaltschaft zur Ermittlung der Unglücksursache ausgewertet werden.[27]

Die Art der Berichterstattung durch die Massenmedien und Journalisten vor und besonders nach dem Unglück wurde mehrfach kritisch thematisiert.[28] Der Medienjournalist Stefan Niggemeier stellte das Fehlen von Recherchen und kritischen Auseinandersetzungen mit dem Sicherheitskonzept bereits vor dem Unglück fest. Über Warnungen sei vor dem Unglück nur vereinzelt berichtet worden, hinterher hätten Selbstgerechtigkeit, Besserwisserei und mangelnde Selbstkritik der Journalisten dominiert. Nicht nur der Lokaljournalismus sondern auch überregionale Medienformate wie Spiegel TV seien durch vorurteilsbehaftete und reißerische Berichterstattung ihrem journalistischen Auftrag nicht nachgekommen. Zudem habe es Medienpartnerschaften zwischen den Veranstaltern der Loveparade und dem WDR und Bild.de gegeben, wodurch sie in der Rolle von „Jubelpersern“ gewesen seien.[29] Der Medienwissenschaftler Christian Schicha kritisierte, durch die veröffentlichte Bilder seien Persönlichkeitsrechte „massiv“ verletzt worden. Vor allem die Bild-Zeitung und der Express hätten gegen den Pressekodex verstoßen und vermutlich ohne die Genehmigung der Angehörigen Bilder von Opfern gezeigt. Dies habe katastrophale Folgen für die Angehörigen und diene nicht der Wahrheitsfindung. Zudem hätten überregionale Medien bei ihrer Berichterstattung Bilder „häufig missbraucht, um die These eines Artikels zu bestärken.“ So seien Sauerland und Schaller „immer wieder in Zeitlupe und Wiederholung gezeigt“ worden. Eine solche „mediale Personalisierung“ habe im Fall der Loveparade die komplexen Sachverhalte des Geschehens reduziert und zur Schaffung eines „Sündenbocks“ beigetragen.[30]

Trauerfeier und Gedenken

Trauerkerzen im Tunnel vor der Rampe, 29. Juli 2010

Am 31. Juli 2010 fand in der Duisburger Salvatorkirche ein zentraler ökumenischer Trauergottesdienst für die Opfer statt. Unter den Gästen waren hochrangige Staatsvertreter, darunter der Bundespräsident, sowie Vertreter von Rettungsdiensten, Polizei und Feuerwehr. Der Oberbürgermeister von Duisburg, Adolf Sauerland, blieb wie angekündigt der Gedenkfeier fern. Der Gottesdienst wurde vom Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider und dem Bischof der Diözese Essen Franz-Josef Overbeck abgehalten.[31] Aufgrund der erwarteten hohen Besucherzahl wurde der Gottesdienst sowohl ins Stadion des MSV Duisburg als auch in mehreren Kirchen der Stadt auf Großbildleinwänden übertragen. Während des Gottesdienstes wurde, im Anschluss an die Predigten, von den Geistlichen gemeinsam mit Rettungskräften, Notfallseelsorgern und anderen Katastrophenhelfern für jedes der 21 Opfer eine Kerze entzündet. Zum Ende der Trauerfeier hielt die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, eine Ansprache. Am Nachmittag beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 5.000 Menschen an einem Trauerzug. Sie ließen im Gedenken an die Toten und Verletzten 21 schwarze und 511 weiße Luftballons aufsteigen.

In den folgenden Tagen legten zahlreiche Menschen an der Karl-Lehr-Straße Blumen ab und stellten Trauerkerzen auf. Verschiedene Duisburger bürgerliche Vereinigungen schlossen sich am 6. August 2010 zum „Bürgerkreis Gedenken“ zusammen, der dazu beitragen will, „der Trauer einen würdigen Rahmen zu erhalten und gemeinsam ein Zeichen der Versöhnung [zu] setzen“[32] Die Karl-Lehr-Straße soll bis zum 4. September 2010 für den öffentlichen Verkehr geschlossen bleiben, um eine angemessenen Trauerzeit zu ermöglichen. Man plant, eine Gedenktafel am Unglücksort anzubringen und im Innenhafen Duisburg eine dauerhafte Gedenkstätte zu errichten.

Auswirkungen auf andere Großveranstaltungen

Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, kündigte an, dass Städte in Zukunft bei Großveranstaltungen „begleitet und intensiv beraten werden“ sollten.[33]

Bezüglich der für den 14. August 2010 in Zürich geplanten Street Parade wurde Kontakt mit den Duisburger Behörden aufgenommen, um etwaige vorläufige Ermittlungsergebnisse in die Sicherheitsplanung einfließen lassen zu können. Die Stadt Zürich und die Organisatoren der Street Parade sind aber von ihrem bestehenden Sicherheitskonzept überzeugt.[34]

Das Verkehrsministerium Mecklenburg-Vorpommern lies das Straßenbauamt Schwerin eine Genehmigung für eine Techno-Party widerrufen, die am 11. September 2010 im 800 Meter langen Warnowtunnel in Rostock stattfinden sollte.[35]

Ortsbeschreibung

Lageplan Veranstaltungsgelände ehem. Güterbahnhof
blau: BAB 59, grau: Gleise, Bildrand oben Mitte: Hauptbahnhof
Stadtteile: Hochfeld (links, westl.); Neudorf-Süd (rechts, östl.)

Die Loveparade 2010 in Duisburg fand auf dem Gelände des ehemaligen Hauptgüter- und Rangierbahnhofs statt. Dieser liegt direkt südlich vom Hauptbahnhof im Stadtbezirk Mitte und war bereits vor der Planung der Veranstaltung bis auf einige Hallenruinen und Nebengebäude weitgehend abgebrochen worden. Das Freigelände wird nach Westen von der Bundesautobahn 59 begrenzt, nach Osten bilden die Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG die Begrenzung. Zusätzlich waren an diesen beiden Seiten im Abstand von ca. 15 Metern zur Grundstücksgrenze Bauzäune aufgestellt.

Strecken vom Hauptbahnhof zum Veranstaltungsgelände

Im Hauptbahnhof wurde jeder Bahnsteig durch eine Absperrung unterteilt, um Behinderungen zwischen ankommenden und abreisenden Gästen innerhalb des Bahnhofsbereich zu vermeiden. Die direkte Sichtverbindung vom Hauptbahnhof zum Veranstaltungsgelände sollte durch Planen verhindert werden, um Besucher vom Überqueren der Gleisanlagen abzuhalten. Die Besucher wurden auf zwei Strecken westlich und östlich um das Veranstaltungsgelände zum Eingangsbereich an der Karl-Lehr-Straße geführt. Man erwartete, so auf die Besucherströme größtmöglichen Einfluss zu haben. Für die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum waren das Ordnungsamt der Stadt Duisburg und die Polizei zuständig, für das Gelände des Hauptbahnhofs die Bundespolizei.[4]

Zugang zum Veranstaltungsgelände

Die etwa einen Kilometer Luftlinie südlich vom Hauptbahnhof gelegene Karl-Lehr-Straße verbindet die Duisburger Stadtteile Neudorf-Süd und Hochfeld. Sie verläuft auf einer Länge von etwa 400 m durch mehrere Straßentunnel unter dem Bahngelände und der Autobahn hindurch. An den beiden äußersten Tunneleingängen befanden sich Eingangsschleusen des Veranstalters, an denen man Besucher kontrollieren und den Besucherstrom regeln konnte. Von der Karl-Lehr-Straße zweigen zwei Rampen zum höher gelegenen Teil des Veranstaltungsgeländes ab. Die östliche Rampe war als Zu- und Abgang vom Gelände vorgesehen[36]. Die zweite, westliche Rampe sollte nur als Ausgang dienen.

Veranstaltungsgelände

Das Gelände des alten Güterbahnhofs umfasst laut Polizei insgesamt 230.000 Quadratmeter, von denen wegen Bebauung und Absperrungen für die Besucher nur knapp die Hälfte zugänglich war.[37] Der Veranstalter erwartete auf dem Gelände insgesamt 485.000 Besucher, verteilt über den ganzen Tag. Davon sollten sich maximal 235.000 Menschen zur selben Zeit auf dem Gelände aufhalten.[38]

Zufahrt im Norden

Eine weitere Zufahrt im Norden des Geländes (am Kreisverkehr Mercatorstraße, Nähe HBf) war während der Veranstaltung für Rettungs- und Versorgungszwecke sowie dem Zugang für Personal und besondere Gäste reserviert.

Bundesautobahn 59

Die A59 war an diesem Tag ab 8:00 Uhr für 24 Stunden ab dem Autobahnkreuz Duisburg in Fahrtrichtung Düsseldorf gesperrt, die Gegenrichtung ab der Anschlussstelle Wanheimerort.[39] Der gesperrte Abschnitt diente nach dem Unglück als vorübergehender Behandlungsplatz für Verletzte, Bereitstellungsraum für Fahrzeuge, Landeplatz für Rettungshubschrauber und als Rettungsweg zu den in der Stadt weiter südlich gelegenen Krankenhäusern. Dazu wurde die Sperrung der Autobahn bis zum Autobahnkreuz Duisburg-Süd ausgedehnt.

Commons: Loveparade 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gemeinsame Presseerklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei (...) – Sachstand Verletzte, Staatsanwaltschaft Duisburg, 26. Juli 2010
  2. Loveparade - Gemeinsame Presseerklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei, Staatsanwaltschaft Duisburg, 25. Juli 2010
  3. Veranstalter verkündet Aus für Loveparade, heute.de , 25. Juli 2010
  4. a b c d e f Stadt legt Zwischenbericht zur Loveparade vor, Stadt Duisburg, 3. August 2010
  5. Brief an den Innenminister Dr. Ingo Wolf von Thomas Mahlberg MdB, cdu-duisburg.de, 9. Februar 2009
  6. Michael Weeke: Loveparade in Bochum abgesagt. Onlineportal DerWesten, 16. Januar 2009, abgerufen am 27. Juli 2010.
  7. Barbara Hans: Imageprojekt Love Parade. Party um jeden Preis, Spiegel-Online, 26. Juli 2010
  8. Zweifel am Sicherheitskonzept der Loveparade, tagesschau.de, 25. Juli 2010, abgerufen am 27. Juli 2010.
  9. Loveparade – wie viele waren wirklich da?, sueddeutsche.de, 27. Juli 2010
  10. David Schraven: Teilnehmer-Zahlen zur Loveparade waren gefälscht, Onlineportal DerWesten, 29. Juli 2010
  11. Spiegel-Online Panorama: Katastrophe bei der Love Parade. Alle Artikel und Hintergründe.
  12. Ingmar Kreienbrink: Loveparade wird zum Tanz auf dem Drahtseil. Onlineportal DerWesten, 20. Juli 2010, abgerufen am 27. Juli 2010.
  13. Jörg Diehl: Partygelände war nur für 250.000 Menschen zugelassen, Spiegel-Online, 25. Juli 2010
  14. (10.19 Uhr) Weiteres Love-Parade-Opfer gestorben Spiegel-Online Panorama, 28. Juli 2010
  15. Alle Opfer identifiziert, Polizei NRW, 25. Juli 2010
  16. a b Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Duisburg, Staatsanwaltschaft Duisburg, 27. Juli 2010
  17. David Hugendick: „Die Loveparade hat ihre Berechtigung verloren“, Zeit Online, 26. Juli 2010. (Interview mit DJ Westbam)
  18. Veranstalter erhebt Vorwürfe gegen Polizei, WDR.de, 26. Juli 2010
  19. Ingmar Kreienbrink: Polizei belastet Veranstalter schwer, Onlineportal DerWesten, 28. Juni 2010
  20. D. Schülbe, G. Voogt: Minister Jäger weist Kritik an Polizei zurück, RP Online, 4. August 2010
  21. Stefan Kister: „Konzept war perfekt vorbereitet“, Stuttgarter Zeitung, 27. Juli 2010
  22. Sven Gösmann: Trauerspiel nach der Tragödie, RP Online, 25. Juli 2010
  23. 27. Juli 2010, 23:50 - Stellungnahme zu unserer Arbeit für die Loveparade 2010, TraffGo HT GmbH, abgerufen am 31. Juli 2010
  24. Innenminister Jäger informiert die Landtagsfraktionen (…), Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, 26. Juli 2010
  25. Aufgaben: Innenausschuss (A09), Landtag NRW
  26. Innenausschuss hat sich konstituiert – Schweigeminute für die Opfer der Loveparade, Die Präsidentin des Landtags NRW, 4. August 2010
  27. Ermittlungsgruppe „Loveparade“ komplett (...), Staatsanwaltschaft Duisburg, Presseerklärung vom 30. Juli 2010
  28. So auch Harro Albrecht: "Erzählen Sie mal, wie schrecklich es auf der Loveparade war!" Was löst eine dramatisierende Unglücks-Berichterstattung bei Betroffenen aus? Trauma-Expertin K. Stellermann plädiert im Interview für mehr Zurückhaltung in den Medien. In: Die Zeit vom 4. Aug. 2010 (Zitate zu den verschiedenen Gesichtspunkten: Mehr als 230 Beschwerden über die Berichterstattung beim dt. Presserat … Eine dramatisierende Darstellung kann auch für Zuschauer gefährlich sein. Das Verhalten der Reporter vor Ort.)
  29. Stefan Niggemeier: Ein einziger Blick in die Zukunft hätte doch gezeigt..., FAZ.net, 1. August 2010
  30. Karin Schädler: „So entsteht regelrechter Hass“, taz.de, 4. August 2010, (Interview mit dem Medienwissenschaftler Christian Schicha)
  31. Bundespräsident Wulff besucht Gedenkfeier für die Opfer der Loveparade, Internetauftritt der Stadt Duisburg
  32. Thomas Richter: Sechs Wochen Trauerzeit für Loveparade-Opfer, DerWesten, 6. August 2010
  33. Kraft: Städten bei Großveranstaltungen helfen, Ruhr Nachrichten, 27. Juli 2010
  34. Christoph Landolt: Stadt nimmt Sicherheitskonzept der Street Parade nochmals unter die Lupe, Tages-Anzeiger Zürich, 26. Juli 2010
  35. Bianca Hannig: Schwerin verbietet Tunnel-Party in Rostock, Ostsee-Zeitung.de, 28. Juli 2010
  36. Der Spiegel 31/2010, Seite 24. Stadtplan
  37. Simone Utler: Die wundersame Schrumpfung der 1,4 Millionen. 7. Teil: Wie viele Menschen waren nun tatsächlich in der Stadt?, Spiegel-Online, 31. Juli 2010
  38. Simone Utler: Die wundersame Schrumpfung der 1,4 Millionen. 2. Teil: Wie viele Menschen erwarteten Veranstalter und Stadt?, Spiegel-Online, 31. Juli 2010
  39. Sperrung der A59 für die Loveparade, Straßen-NRW, Presseinformation 20. Juli 2010

Koordinaten: 51° 25′ 13,4″ N, 6° 46′ 20,7″ O