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Anaphylaxie

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Die Anaphylaxie (griechisch αναφυλαξία - Allergie, Anaphylaxie) ist eine akute und pathologische (krankhafte) Reaktionsweise des Immunsystems von Mensch und Tier auf chemische Reize. Das Bild anaphylaktischer Reaktionen reicht von leichten Hautreaktionen, über Störungen von Organfunktionen, Kreislaufschock mit Organversagen bis zum tödlichen Kreislaufversagen.

Pathogenese und -physiologie

Anaphylaxie ist eine immunologisch bedingte, akute Maximalvariante einer allergischen Allgemeinreaktion, die den ganzen Organismus umfasst und mit typischen Symptomen einhergeht. (Ranft A u.a.: Therapie anaphylaktischer Reaktionen: Synopsis...; Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie 2004;39:2-9)


Anaphylaxien sind Überreaktionen des erworbenen Immunsystems und haben nichts mit dem angeborenen, nicht-adaptiven Immunsystem zu tun.

Sie setzen Sensibilisierung voraus. Dabei wird nach erstmaligem Antigenkontakt von Plasmazellen ein Antikörper vom IgE-Typ sezerniert (freigesetzt), der sich an basophile Granulozyten und Mastzellen mit dem Fc-Anteil anlagert. Der feie Fab-Anteil des IgE-Moleküls weist damit in den Extrazellularraum.

Grundlegend ist die Reaktion von Antigenen mit diesen zellständigen IgE-Antikörpern, entsprechend einer Typ-1-Reaktion nach Gell und Coombs. Das Antigen (Molekulargewicht 10000 bis 70000) ist meistens bivalent, so dass es zur Brückenbildung zwischen IgE-Antikörper-Molekülen kommt.

Nach der Stimmulation durch das Antigen setzen die basophilen Granulozyten und die Mastzellen Mediatoren (Histamin, Prostaglandine, Leukotriene, den Plättchen-aktivierenden Faktor PAF und andere) sowie Zytokine frei.

Die Mediatoren führen zum klinischen Bild der Anaphylaxie (s.u.).

Die Sezernierung der Zytokine führt wiederum zum Anlocken von neutrophilen Granulozyten und Thrombozyten, die ihrerseits weitere Mediatoren freisetzen, die Bedeutung im Entzündungsgeschehen haben. Diese Vorgänge sind Grundlage für klinische Erscheinungen, die sich 6 bis 12 Stunden nach Antigenpräsentation einstellen können.

Es wird die klassische anaphylaktische Reaktion, die ein IgE-vermitteltes allergisches Ereignis ist, von der IgE-unabhängigen anaphylaktoiden Reaktion unterschieden. Beide Ereignisse verlaufen unter dem gleichen klinischen Bild. Bei den anaphylaktoiden Reaktionen führen aber nicht der Kontakt zu IgE-Antikörpern, sondern chemische, physikalische und osmotische Stimuli zur Freisetzung der Mediator-Substanzen aus Mastzellen und basophilen Granulozyten.

Die Effekte der freigesetzten Mediatoren sind

  1. erhöhte Gefäßpermeabilität (Durchlässigkeit der Gefäßwände)
  2. Vasodilatation (Weitstellung von Gefäßen) und
  3. Bronchospasmus (Engstellung von Bronchien).

Klinik

Das Ausmaß der allergischen Reaktion kann stark interindividuell variieren. Eine anaphylaktische Reaktion verläuft in zwei Phasen ab:

  1. Initialphase und
  2. systemische Reaktion.


Initialphase

Innerhalb von Minuten bis Stunden:

  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Darmkoliken
  • Hauterscheinungen (lokal)
  • Bronchospasmen (allergisches Asthma)

Systemische Reaktion

Folgend entwickeln sich

  • generalisierte Hauterscheinungen (Juckreiz [Pruritus], Gesichtsrötung [Flush], generelle entzündliche Hautrötung [Erythem], Nesselsucht [Urtikaria])
  • Atemwegsverengung (Obstruktion) durch Ödeme im Rachen- (Pharynx-) und Schlundbereich (Larynx) sowie Bronchospasmus und Lungenödem
  • Magen-Darm-Symptome mit Koliken, Erbrechen, Durchfall (Diarrhoe)
  • Hämodynamische Veränderungen aufgrund von Flüssigkeitsverschiebungen und Gefäßerweiterung (Vasoldilatation), die zum Schock führen können.

Systematik und Therapie

Anaphylaktische Reaktionen werden in 4 Schweregrade eingeteilt [1]:


Schweregrade, Symptomatik und Therapie
Schweregrad Symptome Therapie
0 lokal begrenzte Hautreaktion
1 leichte Allgemeinreaktion dissiminierte Hautreaktion (Flush, Urthikaria), Schleimhautreaktionen, Allgemeinreaktion (Unruhe, Kopfschmmerz) H1- und H2-Antagonisten, Prednisolon (50-125mg iv.)
2 ausgeprägte Allgemeinreaktion Kreislaufdysregulation, Luftnot, Stuhl- und Urindrang H1- und H2-Antagonisten, Prednisolon (250-500mg iv., bei pulmonaler Reaktion O2 und β2-Mimetika inhalieren, bei Kreislaufreaktion kristalloide (evtl. kolloide) Volumenmittel
3 bedrohliche Allgemeinreaktion Schock, Bronchospasmus, Dyspnoe, Bewußtseinseintrübung pulmonal: β2-Mimetika/Adrenalin inhalieren, 1000mg Prednisolon, Theophyllin (5mg/kgKM; bei Schock wegen blutdrucksenkender Wirkung nicht empfohlen), für Kreislauf Volumen (>2000ml kristalloides oder >1l kolloides Volumenersatzmittel [HAES]), Adrenalin iv., Dopamin
4 vitales Organversagen Atem-, Kreislaufstillstand Regeln der Reanimation

Quellen

  1. U. Müller-Werdan, K. Werdan: Anaphylaktischer Schock; in Eckart, Forst, Burchardi: Intensivmedizin, 2004, ecomed; ISBN 3-609-20177-0