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Europäischer Konvent

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Der Europäische Konvent ("Verfassungskonvent") erarbeitete zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 20. Juli 2003 den maßgeblichen Entwurf für den Verfassungsvertrag für die Europäische Union. Der Konvent setzte sich aus Regierungs- und Parlamentsvertretern der Mitgliedstaaten, der zehn Beitrittsländer und -kandidaten (Rumänien, Bulgarien, Türkei) sowie Vertretern des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission zusammen.

Vorgeschichte

Zur Erarbeitung einer Verfassung hat der Europäische Rat im Dezember 2001 mit der "Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union" einen „Konvent über die Zukunft Europas“ aus Vertretern der Regierungen, der Europäischen Kommission sowie des Europaparlaments und der nationalen Parlamente einberufen. Die Erklärung betont in diesem Zusammenhang die historische Bedeutung einer europäischen Einigung und der Friedensmission Europas. Die Geschichte der EU sei eine Erfolgsgeschichte, nun müsse neben der wirtschaftlichen auch die politische Union ausgebaut werden. Als Arbeitsziel wird neben einer Vereinfachung bestehenden EU-Rechts Demokratisierung, Entbürokratisierung, Bürgernähe und die Klärung von Zuständigkeiten innerhalb der EU genannt.

Vorgehensweise des Konventes

Der Konvent als Institution selbst war eine große Veränderung im Vergleich zu der Ausarbeitung der bisherigen Verträge. Die "Konvents-Methode" war zuvor bei Erarbeitung der europäischen Grundrechtecharta erfolgreich.

In der Vergangenheit waren europäische Vertragsänderungen immer zwischen den Regierungen, meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ausgehandelt worden, um dann im Nachhinein von den Nationalparlamenten ratifiziert zu werden.

Zusammensetzung

Die "Verfassungsväter" im Konvent kamen aus verschiedenen Organen. Neben Regierungsvertretern waren auch Parlamentarier aus dem Europäischen Parlament und den Parlamenten der Mitgliedstaaten an der Ausarbeitung direkt beteiligt.

Mitglieder des Konvents waren 16 Europa-Abgeordnete, 2 nationale Abgeordnete und ein Regierungsvertreter je EU-Land (also insgesamt 15 bzw. 30 Vertreter), zwei EU-Kommissare und der Konventspräsident mit seinen zwei Stellvertretern; Auch die 10 osteuropäischen Beitrittskandidaten (EU-Erweiterung) sowie die Türkei, Rumänien und Bulgarien entstandten jeweils zwei Vertreter ihrer nationalen Parlamente und einen Regierungsvertreter, und nahmen als Beobachter ohne Stimmrecht teil. Die Mitglieder hatten jeweils einen faktisch gleichberechtigten Stellvertreter.

Als deutsche Vertreter im Europäischen Konvent waren Elmar Brok (CDU), Klaus Hänsch (SPD) und Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS) als Vertreter des Europäischen Parlamentes, Jürgen Meyer (SPD) und Erwin Teufel (CDU) als Vertreter des Bundestages und Joschka Fischer (B90/Die Grüne) – vor November 2002 Peter Glotz (SPD) – als Regierungsvertreter.

Struktur

Präsident des Europäischen Konvents war der frühere Präsident Frankreichs Valéry Giscard d'Estaing. Er stellte zusammen mit seinen Vizepräsidenten Giuliano Amato und Jean-Luc Dehaene, und acht weiteren Mitgliedern, darunter auch der Deutsche Klaus Hänsch als Vertreter des Europaparlaments das Präsidium des Konvents.

Veröffentlichungen

Die Mitglieder des Konventes bemühten sich während der Arbeitszeit des Konventes um Transparenz und demokratische Arbeitsweisen, um den hohen Ansprüchen, die an den Konvent gestellt waren, gerecht zu werden. Deshalb sind alle Konventsdokumente sowie der Entwurf des Verfassungsvertrages auf der Webseite des Konvents [1] einzusehen.

Chronologie

Gemäß dem ursprünglichen Zeitplan sollte der Verfassungsvertrag von der am 4. Oktober 2003 begonnenen Regierungskonferenz angenommen und zeitgleich mit dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 unterzeichnet werden. Nach dem Scheitern des Europäischen Rates in Brüssel am 12./13. Dezember 2003 wurde dieser ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten. Die Verfassung wurde am 29. Oktober 2004 unterzeichent.

Der Artikel über die Europäische Verfassung beschreibt die weitere Entwicklung.


Der undemokratische Konvent?

Stimmen am Rande des Konventes

Am Rande und nach Abschluss des Konventes wurde von mehreren Konventsmitgliedern kritisiert und in der Öffentlichkeit diskutiert, die Arbeitsmethoden des Konventes seien insgesamt zu intransparent und wenig demokratisch gewesen.

So schreibt das britische Konventsmitglied David Heathcoat-Amory: "Die wirklichen Diskussionen [innerhalb des Konventes] fanden im Präsidium, oder zwischen der Präsidentschaft, dem Sekretariat und in Privatgesprächen mit einzelnen Mitgliedsstaaten statt. Selbst die Arbeitsgruppen [...] wurden regelmäßig übergangen oder ihre Schlussfolgerungen ignoriert." (aus der Homepage von D. Heathcoat-Amory [2]) Heathcoat-Amory ist britischer Euro-Skeptiker und gehörte einer vom dänischen Europaabgeordneten Jens-Peter Bonde geführten Minderheitsgruppe im Konvent an.

Der luxemburgische Premier Juncker monierte ähnlich: "Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent." (aus: der Spiegel 16.6.2003[3]) Dazu muss man wissen, dass Jean-Claude Juncker mit seinem Vorgänger im Amt und ehem. Kommissionspräsidenten Jacques Santer einen "persönlichen Vertreter" im Konvent hatte, der ihn offenbar schlecht über die in seinem Namen geführten Gespräche und Absprachen informiert hat.

Die Geschäftsordnung des Konventes

Aufschluss über die Berechtigung dieser Kritik bietet hier ein genauerer Blick in die Geschäftsordnung des Konventes. Im Konventsdokument CONV 9/02 ist die gültige Geschäftsordnung des Konventes zu finden. Interessanterweise sind hier die Änderungen gegenüber dem Erstentwurf des Präsidiums (CONV 3/02) hervorgehoben.

Es ist richtig, dass die ursprünglichen Vorstellungen des Konventes eine recht straffe Kontrolle von oben vorgesehen haben. Im Entwurf von CONV 3/02 hatte nur der Präsident des Konvents, d.h. Giscard d´Estaing, alleine das Recht, die Termine des Konventes festzulegen, und damit wie oft dieser einberufen wird, die Tagesordnung festzusetzen (Art. 2), Arbeitsgruppen einzuberufen (Art. 15) und die Geschäftsordnung zu ändern (Art. 16). Zudem sah der Erstentwurf des Präsidiums weniger Rechte für Beobachter und Teilnehmer mit Beobachterstatus vor, stellvertretende Mitglieder besaßen nicht das Recht auf die Teilnahme an Sitzungen.

Im Dokument CONV 9/02 sind diese Strukturen deutlich aufgeweicht. Hieß im Erstentwurf Art. 1 noch lapidar: Der Konvent wird von seinem Vorsitzenden einberufen., so änderte sich diese Formulierung in: Der Konvent wird von seinem Vorsitzenden mit Zustimmung des Praesidiums oder auf schriftlichen Antrag einer signifikanten Zahl von Mitgliedern des Konvents einberufen. Diese Formulierung lässt immer noch Interpretationsfreiraum zu, zeugt aber von einer gewissen Machtverschiebung hin zu der Mehrzahl der Parlamentarier im Konvent.

Fazit

Die gemachten Vorwürfe sind im Nachhinein schwer zu klären. Dennoch lassen sich die Vorwürfe, wie sie etwa der erklärte Europagegner Heathcoat-Amory (s.o.) gemacht haben, in ihrer Schärfe teilweise entkräften.