Moderne Sage
Moderne Sagen (engl.: urban legends), auch Großstadtmythen, moderne Mythen, Wandermärchen oder -sagen, verwandt mit Ammenmärchen und Schauermärchen, sind mehr oder weniger skurrile Anekdoten, die meist mündlich, inzwischen häufig auch per E-Mail weitergegeben werden und deren Quelle sich nicht mehr zurückverfolgen lässt. In seltenen Fällen werden sie auch, bedingt durch unzureichende Recherche, als Nachrichten in den Medien verbreitet.
Zum Begriff
Der Begriff Urban Legend wurde zum ersten Mal von Jan Harold Brunvand, einem Professor für Englisch, bekannt gemacht. In seinem 1981 erschienenen Buch The Vanishing Hitchhiker: American urban Legends & Their Meanings (Der verschwundene Anhalter: Amerikanische Großstadtmythen und deren Bedeutung) benutzte er eine Sammlung dieser Geschichten, um zwei Aussagen zu machen:
- Legenden, Mythen und Folklore kommen nicht nur bei so genannten primitiven oder traditionellen Gesellschaften vor und
- durch die Untersuchung solcher Legenden kann man viel über urbane und moderne Kultur lernen.
Meist wird berichtet, dass die Geschichte einem Freund eines Freundes passiert sei im Stil „Ich kenne jemanden, der kennt jemanden, der das Foto definitiv gesehen hat!“. Ein Phänomen das auf Irisch-Gälisch, der ursprünglichen irischen Sprache, das Dúirt bean liom gur dhúirt bean léi-Syndrom genannt wird (soviel wie: Eine Frau sagte mir, dass eine Frau ihr sagte, …).
Berühmte moderne Mythen und weitere Beispiele
Die Geschichte von George Turklebaum, der in New York fünf Tage tot an seinem Schreibtisch gesessen haben soll, ohne dass es seinen Kollegen auffiel, schaffte es bis in die Londoner Times, den Guardian und die BBC.
Die Geschichte von dem Mann auf einer Geschäftsreise, der von einer Frau verführt wurde und am nächsten Morgen aufwachte und bemerkte, dass eine seiner Nieren zur Transplantation entfernt wurde.
Weitere Urban legends findet man in der Kategorie:Urban legend
Geschichte
Einige frühe Historiker wie z. B. Tacitus, Geoffrey von Monmouth und Herodot waren die Stammväter der urbanen Mythen. Sie überlieferten Gerüchte und anekdotische Berichte als historische Fakten. Diese Aufzeichnungen waren dann wiederum die Grundlage für andere Berichte, und so wurden vielfach wiederholte nicht exakte Überlieferungen zu einem selbstlaufenden Teufelskreis. Heutzutage behandeln Historiker historische Belege von Geschichtsschreibern wie den erwähnten mit äußerster Vorsicht. (Eine Liste von diesen und anderen Werken, die als verdächtig angesehen werden, kann man im englischsprachigen Wikipedia unter Dubious historical resources finden.)
Quellen
Es gibt eine vielbesuchte, englischsprachige Usenet-Newsgroup namens news:alt.folklore.urban (deutscher Ableger: news:de.alt.folklore.urban-legends), in der über diese Geschichten diskutiert wird. Die FAQ dieser Newsgroup fasst zusammen, welche der Geschichten wahr sind und welche nicht, sofern das feststellbar ist. Eine ähnliche Liste kann man auf der „Urban Legends Reference Page“-Website unter snopes.com finden. Eine andere gute Quelle ist Virus Myths, eine weitere die Darwin-Awards, die jedes Jahr einige Geschichten als besonders fragwürdig herausstellen.
Schießlich gibt es Hoaxbusters, ein vom amerikanischen Energieministerium angebotener Dienst, der sich um alle Arten von Hoaxes kümmert, die über Computer verteilt werden.
Es gibt eine Reihe bekannter Aufdecker urbaner Legenden, die sich durch die Aufklärung verschiedener Legenden einen Namen gemacht haben:
- Christoph Drösser betreut die Kolumne Stimmt's der Zeit.
- Cecil Adams betreut Straight Dope im Chicago Reader.
- Rolf Wilhelm Brednich ist der Autor von Die Spinne in der Yucca-Palme.
- James Randi befasst sich mit übersinnlichen Phänomenen.
Siehe auch
Literatur
- Rolf Wilhelm Brednich:
- Die Spinne in der Yucca-Palme, ISBN 3406459951
- Die Maus im Jumbo-Jet, ISBN 340634027X
- Die Ratte am Strohhalm, ISBN 3406392563
- Sagenhafte Geschichten von heute, ISBN 3406381707
- Das Huhn mit dem Gipsbein, ISBN 3406459870
- Pinguine in Rückenlage, ISBN 3406510698
- Jan Harold Brunvand: The Vanishing Hitchhiker: American Urban Legends & Their Meanings. Norton, New York 1981, ISBN 0-393-01473-8 (Der verschwundene Anhalter: Amerikanische Großstadtmythen und deren Bedeutung)
- Bernd Harder: Das Lexikon der Großstadtmythen. Unglaubliche Geschichten von Astralreisen bis Zombies. Eichborn, Frankfurt/Main 2005, ISBN 3-8218-5557-6 (Infos zu dem Buch)
- Bengt af Klintberg:
- Die Ratte in der Pizza. Und andere moderne Sagen und Großstadtmythen, ISBN 3926099119
- Der Elefant auf dem VW und andere moderne Sagen und Großstadtmythen, ISBN 3492116531
- Boris Koch: Der Mann ohne Gesicht, ISBN 3935822871
Weblinks
- Ammenmaerchen.de Ammenmärchen und populäre Irrtümer
- Snopes.com Urban Legends Reference Pages
- Die Katze in der Mikrowelle? (pdf)
- Darwin Awards Auflistung ungewöhnlicher Todesarten
- Sagen.at
- Google Groups Archiv de.alt.folklore.urban-legends