Bodenreform in Deutschland
Eine Bodenreform ist eine Änderung der Besitzverhältnisse an Grundstücken. So gibt es Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen mit privatem Grundeigentum oder mit gemeinschaftlichem Eigentum am Boden.
Die Änderungen können aus verschiedenen politischen oder wirtschaftlichen Gründen erfolgen.
Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone ab 1945
Synonym im heutigen politischen Sprachgebrauch wird der Begriff der Bodenreform meistens für die 1945-1949 in Deutschland, speziell in der sowjetischen Besatzungszone (nur dort fand diese statt) durchgeführte Bodenreform benutzt. Dabei wurden Großgrundbesitzer (abfällig als Junker bezeichnet) mit einem Grundvermögen ab 100 ha in bezug auf Ihr Eigentum an Grund und Boden von der sowjetischen Besatzungsmacht entschädigungslos enteignet und das Land (nur?) unter ihren ehemaligen Unterstellten (dann als Neulandbesitzer oder Neubauern bezeichnet) aufgeteilt, eigentumsmäßig auf diese übertragen (verschenkt? preisgünstig verkauft?), jedoch vorbehaltlich bestimmter Verfügungsbeschränkungen (näheres dazu noch nicht bekannt). Um diese Maßnahmen wenigstens versuchsweise zu rechtfertigen, wurde das Vorgehen stark propagandistisch begleitet ("Junkernland in Bauernhand" war damals der Standardspruch). Diese Enteignungen sind in einem größeren Rahmen zu sehen, da auch alle Unternehmer ab einer bestimmten Größe der Unternehmen entschädigungslos enteignet wurden. Viele enteignete Großgrundbesitzer, die daraufhin die sowjetische Besatzungszone verließen, erhielten später in der Bundesrepublik Deutschland mehr oder weniger angemessene Entschädigungen für diese Enteignungen. Die in der DDR verbliebenen Enteigneten wurden nach 1990 von der BRD jedoch nicht oder nur unzureichend entschädigt.
Eine private Nutzung der Ländereien durch die Neubauern wurde jedoch schon recht bald unterbunden, indem praktisch alle Neubauern in die neu gegründeten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) nach dem sowjetischen Vorbild der Kolchose gedrängt, de facto gezwungen wurden, in die sie ihr Land als Produktivvermögen einzubringen hatten. Formal blieben die Genossenschaftsmitglieder jedoch Eigentümer an ihren Ländereien.
Nach der politischen Umwälzung in der DDR wurden jedoch zunehmend Forderungen nach Auskopplung dieser privaten Ländereien aus den LPG-Nutzungen laut (und später teilweise auch vollzogen). Im sog. Modrow-Gesetz vom 16. März 1990 (Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform) wurden alle Verfügungsbeschränkungen bezüglich dieser Grundstücke aufgehoben und den Betroffenen die vollen Eigentumsrechte inklusive Vererbbarkeit übertragen. Dieses Vorgehen wurde auch von der ersten frei gewählten DDR-Regierung unter Lothar de Maiziere bestätigt und diese Rechtslage als verbindlich in den Einigungsvertrag mit aufgenommen.
Eine Bedingung für die deutsche Wiedervereinigung und die Erlangung der vollen Souveränität Deutschlands in den sog. 2+4-Verträgen war die völlige Nichtantastung der Ergebnisse dieser Bodenreform ab 1945.
Entgegen dem Einigungsvertrag und den 2+4-Verträgen wurde jedoch am 14. Juli 1992 vom deutschen Bundestag das zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz verabschiedet, das beinhaltet, daß diese Grundstücke entschädigungslos (im Gegensatz zu den Jahrzehnte zuvor enteigneten Großgrundbesitzern, s.o.) an das Finanzamt ihres jeweiligen Bundeslandes abtreten haben, sofern sie zum 15. März 1990 oder in den letzten zehn Jahren davor nicht in der Land-, Forst- oder Nahrungsmittelwirtschaft tätig waren oder in der DDR keiner Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft angehört hatten. Betroffen waren insgesamt ca. 70.000 Neubauern bzw. deren Erben, eine Gesamtfläche von ca. 100.000 ha im Wert von mehr als 1 Mrd. € Diese Vorgehensweise wurde durch in letzter Instanz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, nachdem die kleine Kammer dieses Gerichtes bereits gegen die BRD entschieden hatte und diese daraufhin in Revision ging, für rechtens erklärt. Schwerpunkt der Argumentation war die ziemlich (fadenscheinige) Begründung, daß man sich nicht hätte darauf verlassen dürfen, daß in solchen Zeiten politischer Unruhe gefällten Entscheidungen dauerhaften Beständ hätten.
Diese sich über Jahrzehnte hinwegziehende politische, ideologische und juristische Querele hatte eine widersprüchliche Groteske: Das Dorf Römnitz (in der Nähe von Ratzeburg), das erst im November 1945 nach einer Übereinkunft der Alliierten von der sowjetischen in die britische Besatzungszone wechselte, hatte die Bodenreform ebenfalls durchgeführt. Seine Bewohner wurden später von den bundesdeutschen Behörden politisch und juristisch unter Druck gesetzt. Infolgedessen gaben alle Bodenreformneulandbesitzer ihre Grundstücke zurück, bis auf einen, was eine jahrelange Prozeßkette nach sich zog, in der er stets siegte. Erst 1961 bestätigte der Bundesgerichtshof scheinbar endgültig die Rechtmäßigkeit des Besitzes des Mannes, der auf diesem seinem Land einen Zeltplatz anlegte. Scheinbar, denn er wurde 1992 ebenfalls enteignet, und der Bundesgerichtshof, der 1961 ihm die Fläche zusprach, war in den Folgejahren nach 1992 damit beschäftigt, solche Enteignungen zu rechtfertigen.
Siehe auch
Adolf Damaschke, Silvio Gesell, Henry George, Freiland (Konzept)
- Bodenreform in Deutschland nach 1945 *im wesentlichen erledigt*
- sogenannte Bodenreform 土地改革 tǔdì gǎige in China in den 1950er Jahren
- überhaupt gehört das Ganze unter dem Lemma Landreform in einen größeren Rahmen.