Weliki Nowgorod
Stadt
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Weliki Nowgorod (russisch Вели́кий Но́вгород) oder auch Nowgorod-Weliki (zu deutsch Groß-Nowgorod, früher auch dt. Navgard/Naugard und altnordisch Hólmgarðr) ist eine Großstadt in Russland etwa 180 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg am Wolchow nördlich des Ilmensees. Die Stadt hat 216.700 Einwohner (Stand: 2007) und zählt zu den ältesten Städten Russlands.
Bis 1999 hieß die Stadt einfach Nowgorod (Новгород) und trug das „Weliki“ nur als inoffiziellen Beinamen. Als jedoch die Stadt Gorki in Nischni Nowgorod zurückbenannt wurde, kam es zu Verwechslungen. Zur Lösung des Problems wurde Nowgorod offiziell zu „Weliki Nowgorod“.
Geschichte

Kiewer Rus
Weliki Nowgorod ist eine der ältesten Städte Russlands (im Jahr 859 gegründet) und wurde von dem warägischen Fürst Rurik, dem Gründer des ersten ostslawischen Reichs, von 862 bis 879 regiert. Nowgorod war bereits im mittelalterlichen Reich der Kiewer Rus ein Großzentrum mit mehr als zehntausend Einwohnern. Die soziale Struktur bestand aus drei Schichten: Reiche Kaufleute und Bankiers (gleichzeitig Grundbesitzer) standen an der Spitze, gewöhnliche Kaufleute waren Vertreter der mittleren Schicht; Handwerker und Tagelöhner gehörten der unteren Bevölkerungsschicht an. Nowgorod war im Hochmittelalter neben Konstantinopel die einzige Stadt in Europa, in der nicht nur der Adel und der Klerus, sondern auch das einfache Volk lesen und schreiben konnten, was heute unter anderem die über 1000 bei archäologischen Ausgrabungen gefundenen, auf Birkenrinde geschriebenen Briefe (so genannte Birkenrindenurkunden) bezeugen, die vom Alltag in der mittelalterlichen Stadt berichten. In Nowgorod blühte zu der Zeit Handel und Kultur. So wirkten berühmte Ikonenmaler wie Theophanes der Grieche und Andrei Rubljow. Olav I. Tryggvason, Olav II. Haraldsson, Magnus I., Harald III. suchten in Nowgorod oft Zuflucht, wenn Gefahr drohte. Olav I. Tryggvason und Magnus I. verbrachten hier ihre Kindheit und Jugend und hatten zeitlebens eine enge Verbindung zu der Stadt.
Republik Nowgorod
Siehe auch: Republik Nowgorod
Von den Verwüstungen der Mongolenüberfälle verschont, war Nowgorod zeitweise, vor allem unter Alexander Newski, das Zentrum der Russischen Fürstentümer und der Sitz des Großfürsten. In dieser Zeit erfüllte Nowgorod, das große Territorien im Norden Russlands kontrollierte, die Funktion eines Schutzschildes für das übrige Land. So wurden im Jahr 1240 die vordringenden Schweden und 1242 der Deutsche Orden abgewehrt.

Im Spätmittelalter war Nowgorod eine von der Kaufmannsschicht geprägte und von einem Wetsche regierte frühdemokratische Stadtrepublik (es wählte seit dem 12. Jahrhundert den Fürst, den Erzbischof und den Bürgermeister der Stadt) mit guten Kontakten zur Hanse, die dort im Peterhof eines ihrer vier Kontore unterhielt. Nowgorod hatte sich im 14. Jahrhundert endgültig zum Haupthandelsvermittler mit dem Westen aufgeschwungen. Da der Transithandel der russischen Länder mit Westeuropa über das litauische Hoheitsgebiet durch hohe Zölle und ständigen Übergriffe beeinträchtigt wurde, blieb diese Stellung in der Folgezeit auch unangefochten.
Die Nowgoroder Schra als Gesetz dieses Kontors hat sich als wichtige Geschichtsquelle erhalten. Wichtige Exportwaren waren Waldprodukte, Felle, Holz, Honig und Wachs sowie Met, Bier und Tran. Man importierte Silber, Buntmetalle, Tuche, Bernstein, Waffen, Getreide und Gewürze. Diese Warenaufteilung mit Rohgütern als Ausfuhrwaren und Fertigwaren als Einfuhrgütern kennzeichnete die schwierige Lage der russischen Wirtschaft während der Mongolenzeit, durch einen verhältnismäßig geringen Entwicklungsgrad der gewerblichen Verarbeitung.[1] Als sich Anfang des 15. Jahrhunderts der Geldumlauf verstärkte, und alle Großfürsten Geld zu prägen begannen, ging Nowgorod ab 1420 dazu über, eigene Münzen zu prägen. Nowgorod hatte zuvor für eine kurze Zeit die Livländische Währung übernommen.[2] Nowgorod, dessen wirtschaftlicher Blüte der Mongolensturm nur geringen Schaden zugefügt hat, erreichte im 14. Jahrhundert den Höhepunkt seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung. Mit 25.000 bis 30.000 Einwohnern im 15. und 16. Jahrhundert erreichte Nowgorod die Größenordnung der bedeutendsten deutschen Städte wie Köln, Nürnberg oder Lübeck.[3]
Moskauer Periode

Lange Zeit stand Nowgorod in Konkurrenz zum aufsteigenden Großfürstentum Moskau, wobei Nowgorod die freiheitlichere Gesellschaftsordnung repräsentierte. 1456 gelang es dem aufstrebenden Moskau, nach einem Angriff stärkeren Einfluss auf die Außenpolitik Nowgorods zu nehmen. Nach dieser Niederlage erkannte die Nowgoroder Bojarenoligarchie, dass die Voraussetzungen ihrer früheren Schaukelpolitik zwischen Moskau und Twer nicht mehr gegeben waren, weil Moskau in der Zwischenzeit ein eindeutiges Übergewicht erlangt hatte. Es galt daher für die Herrschaftsschicht eine Entscheidung zu treffen, ob man unter litauischer Hegemonie oder unter Moskauer Herrschaft das größte Maß an überkommenden Rechten würde wahren können.[4] Als die litauische Partei überhandnahm, griff Großfürst Ivan III. militärisch ein. Moskau siegte über Nowgorod und nach neuerlichen antimoskowitischen Strömungen folgte 1478 die endgültige Eingliederung in das Großfürstentum Moskau. 1570 wurde die Stadt durch die Truppen Zar Iwan des Schrecklichen noch einmal zerstört. Während der Zeit der Wirren im Polnisch-Russischen Krieg 1609-1618 wurde Nowgorod von den Schweden besetzt und zerstört. Die Stadt erlebte danach einen kurzzeitigen Aufschwung, doch nach der Gründung von Sankt Petersburg im Jahr 1703 sank ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung als Russlands Vorposten im Nordwesten.
Im Deutsch-Sowjetischen Krieg (1941–1945) war Nowgorod vom August 1941 bis zum 15. Februar 1944 unter deutscher Besatzung und erlitt dadurch große Schäden. Bereits zum Anfang des Jahres 1944 wurde mit dem Aufbau der Stadt begonnen.
Sehenswürdigkeiten

Weliki Nowgorod ist umgeben von weitläufigen Moor- und Waldgebieten, in denen insbesondere Torf abgebaut wird. Sehenswert ist die gesamte Altstadt zu beiden Seiten des Wolchow, im Westen unter anderem mit dem Nowgoroder Kreml aus dem 11. Jahrhundert. Der Kreml, aber auch die Sophienkathedrale wurden von dem Fürst Jaroslaw dem Weisen in Auftrag gegeben. Am Kreml waren zwölf Türme erstellt, es sind heute nur neun Türme erhalten. Die Festungswand ist 1,3 Kilometer lang. Zahlreiche historische Kirchengebäude sind in Nowgorod erhalten, darunter die Sophienkathedrale, die ursprünglich aus Holz gebaut wurde (989 n.Chr.), dann aber abgebrannt ist. Sie sollte an den Sieg über den Nomadenstamm der Petschenegen erinnern. Ihre berühmte Bronzetür wurde zwischen 1152 und 1156 in Magdeburg gegossen. Die Altstadt und ihre Umgebung birgt zudem viele Klöster, darunter ganz besonders das am Ufer des Ilmensees gelegene Jurjew-Kloster von 1030, das auf dem heutigen Universitätsgelände liegende Antonius-Kloster sowie das Zwerin- und das Peryn-Kloster. Ein Freilichtmuseum für Holzarchitektur (Witoslawlizy) veranschaulicht die Holzarchitektur Russlands. Die gesamte Altstadt mit Kirchen, Klöstern und Kreml gehört seit 1992 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Weiterführende Bildungseinrichtungen
- Staatliche Jaroslaw-der-Weise-Universität Nowgorod
- Abteilung der Nordöstlichen Akademie für Staatsdienst Nowgorod
- Abteilung Nowgorod für Fernausbildung der St. Petersburger Akademie des Innenministeriums Russlands
- Staatliche Landwirtschaftliche Akademie Nowgorod
Söhne und Töchter der Stadt
- Anton Stepanowitsch Arenski (1861–1906), Komponist
- Mstislaw Walerianowitsch Dobuschinski (1875–1957), Maler, Kunstkritiker und Memoirenschriftsteller
- Iwan Logginowitsch Goremykin (1839–1970), Staatsmann
- Boris Tichonowitsch Koschewnikow (1906–1985), Komponist und Professor
- Boris Wassiljewitsch Numerow (1891–1941), Astronom und Geophysiker
- Johann Daniel Schade (1730–1798), in Dresden wirkender Baumeister
- Jurij Striedter (*1926), deutscher Slavist und Komparatist
Städtepartnerschaften
Weliki Nowgorod ist Mitglied des Städtebundes der Neuen Hanse. Außerdem unterhält Weliki Nowgorod Städtepartnerschaften mit folgenden Orten:
- Bielefeld, Deutschland (seit 1983)
- Straßburg, Frankreich
- Uusikaupunki, Finnland
- Moss, Norwegen
- Rochester, USA
- Watford, Vereinigtes Königreich
- Nanterre, Frankreich
- Zibo, Volksrepublik China
Siehe auch
Literatur
- Norbert Angermann und Klaus Friedland (Hrsg.): Nowgorod. Markt und Kontor der Hanse. Böhlau, Köln u. a. 2002, ISBN 3-412-13701-4.
- Donald O'Reilly: Alexsandr Nevsky – Russia's Savior. In: Military History. 4/2004, S. 58–80.
Weblinks
- Tourist-Information "Rote Isba" (Deutsch)
- www.novgorod.ru – Offizielle Website, englisch
- mojgorod.ru: Weliki Nowgorod (Russisch)
- Schatzkammer des Nowgoroder Kremls (Russisch)
Einzelnachweise
- ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, S.104
- ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, S.103
- ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, S.107
- ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, S.113