Urgeschichte Bayerns
Der heutige Freistaat Bayern war seit der Altsteinzeit besiedelt. Dabei gab es bevorzugte Siedlungsräume, die denen der jüngeren Geschichte Bayerns entsprechen. Eine bedeutende Rolle spielte zu allen Zeiten das Tal der Donau: zunächst als angenommene Route der Einwanderung des Cro-Magnon-Menschen, später (seit dem Neolithikum) auch zunehmend als Fernhandelsweg. Im Gegensatz dazu ist der Siedlungsausbau der Mittelgebirge oft erst in der vorrömischen Eisenzeit erfolgt.
Altsteinzeit
Alt- und Mittelpaläolithikum
Die ältesten Siedlungsspuren Bayerns stammen bereits aus dem Altpaläolithikum, wie Geröllgeräte aus der Gegend um Kronach zeigen. Ein Faustkeil mit typischen Merkmalen des Acheuléen wurde 2008 in Wörleschwang, Gde. Zusmarshausen entdeckt.[1]
Das untere Altmühltal ist insgesamt die Gegend mit den meisten paläolithischen Besiedlungsnachweisen während der Würmeiszeit:
- Siedlungsreste des Moustérien und Micoquien stammen aus Grabungen in der Sesselfelsgrotte bei Essing.[2][3][4] Von hier stammen auch die Reste zweier Neandertaler, unter anderem eines Neandertaler-Fötus.
- Der Hohle Stein (bei Schambach) ist eine weitere wichtige Station des Micoquiens und diente zur Bezeichnung des Keilmesser-Typs „Schambach“ sowie einer Chronostufe des Micoquiens.[5]
- Moustérien-Funde gibt es aus dem Großen Schulerloch.
- mittelpaläolithische Blattspitzen aus der Obernederhöhle und der Klausennische (alle in der Umgebung von Essing belegen menschliche Besiedlung der Region am Übergang vom Mittelpaläolithikum zum Jungpaläolithikum.[6]
Für die Blattspitzen-Gruppe bedeutsam sind die Weinberghöhlen bei Mauern (OT. von Rennertshofen) im Wellheimer Trockental. Hier wurden seit 1935 durch den Neuburger Kreisheimatpfleger Michael Eckstein erste mittelpaläolithische Funde geborgen. In den Jahren 1937 wurden unter Leitung von Robert Rudolf Schmidt, später durch Assien Bohmers und 1947-49 unter Leitung von Lothar Zotz Grabungen durchgeführt.[7] Mittelpaläolithische Blattspitzen gibt es auch aus Kösten, einem Vorort von Lichtenfels (Oberfranken). Im Nürnberger Land erbrachte der Hohle Fels bei Happurg mittelpaläolithische Funde und Reste einer eiszeitlichen Fauna.
Jungpaläolithikum
Ein sehr früher Fundplatz des Aurignacien liegt bei Regensburg an der Fundstelle Keilberg-Kirche.[8] Funde des Aurignacien gibt es außerdem in der Fischleitenhöhle bei Mühlbach (Gde. Dietfurt an der Altmühl) sowie der Obernederhöhle (bei Essing).
Einer der in Bayern seltenen Fundplätze des Gravettiens ist das Abri im Dorf (auch: „Abri Schmidt“'', nach dem Grundbesitzer K. Schmidt) oberhalb der Gemeinde Neu-Essing. Hier wurde 1959 durch O.H. Prüfer (Cleveland Museum of Natural History, Ohio/ USA) und Lothar Zotz (Universität Erlangen) die bisher einzige systematische Grabung durchgeführt.[9][10] Eine aus der basalen Fundschicht (Schicht E) stammende „Schaufel“ aus Mammutelfenbein hat Ähnlichkeiten mit Objekten aus Pavlov und Predmosti (Vorort von Přerov) in Mähren, die aus dieser Kultur stammen.[11] In den 1948/49 durch Lothar Zotz (Universität Erlangen) geleiteten Grabungen in den Weinberghöhlen bei Mauern wurden neben den genannten mittelpaläolithischen Funden auch Funde des Gravettien geborgen, darunter am 24. August 1948 die so genannte „Rote von Mauern“, eine 7,2 Zentimeter große, mit Rötel eingefärbte Kalksteinfigur (Fundlage am äußeren Hang zwischen Höhle 2 und 3).[7] Als Finder wird Graf Christoff von Vojkffy genannt.[7] Ein weiterer Fundplatz des Gravettiens liegt bei Salching (Lkr. Straubing-Bogen).[12] In Spardorf bei Erlangen wurde in Löss-Ablagerungen ein Klingenkratzer gefunden, der ebenfalls dem Gravettien zugeschrieben wird.[13]
Die älteste erhaltene Bestattung Deutschlands stammt aus der Mittleren Klausenhöhle bei Essing. Das Grab wurde auf 18.590 ± 260 BP (OxA-9856) (14C-Jahre)[14] und damit noch vor den Beginn des Magdaléniens in Mitteleuropa datiert. Hier und in der Oberen Klausenhöhle wurden eine Reihe magdalenienzeitlicher Artefakte gefunden, unter anderem ein verzierter Lochstab. Weitere Fundplätze aus dem Magdalénien stammen aus der Umgebung von Barbing, Lkr. Regensburg.[15][16] Eine gravierte Kalksteinplatte aus dem Hohlenstein (Gemeinde Ederheim, Lkr. Donau-Ries) zeigt einen Pferdekopf und drei schematische Frauensilhouetten vom Gönnersdorfer Typ (spätes Magdalénien).[17]
Mittelsteinzeit
Der Archäologe Friedrich Naber unternahm in den Jahren 1963 und 1964 in verschiedenen Abris der Fränkischen Schweiz Probegrabungen, um die Entwicklung des dortigen Mesolithikums zu klären. Als besonders ergiebig erwies sich die Stratigraphie im Abri Schräge Wand im Bärental bei Weismain, aus dem eine große Zahl von für diese Zeit typischen Mikrolithen stammt.[18] Bedeutend war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fund eines sogenannten „Schädelnestes“ mit 33 spätmesolithischen Kopfbestattungen in der Großen Ofnethöhle bei Nördlingen. Die Funde wurden wegen des damals selten beobachteten Phänomens der Kopfbestattung zunächst dem Azilien zugeschrieben. Später wurden sie mit Hilfe der Radiokohlenstoffdatierung auf ca. 7.700 v. Chr. datiert.
Jungsteinzeit
In der Jungsteinzeit wanderte im so genannten Frühneolithikum über Ungarn und Österreich eine neue Bevölkerung ein, die sich ab ca. 5500 v. Chr. vor allem auf den fruchtbaren Lößflächen sowie entlang größerer Flüsse niederließ. Diese Menschen betrieben Pflanzenanbau und Tierhaltung und stellten eine besondere Keramik her, die auf Grund ihrer Verzierung als Linearbandkeramik bezeichnet wird. Ein Beispiel geben Funde von Bergheim, Lkr. Schrobenhausen. [19] Die Kultur der Linearbandkeramik zeichnet sich durch große Gräberfelder, den Bau von Langhäusern und eigene religiöse Vorstellungen aus, die sich grundlegend von denen der vorangegangenen Jäger- und Sammlergruppen unterschied. In der Jungfernhöhle bei Tiefenellern wurden in der jüngeren Bandkeramik Sekundärbestattungen niedergelegt.
Auf die Linearbandkeramik folgt um 4900 v. Chr. das Mittelneolithikum mit der Stichbandkeramik, eine Kulturgruppe, die sich kontinuierlich aus der Kultur der Linearbandkeramik entwickelte. Die Verzierungen auf den Gefäßen wurden nun nicht mehr geritzt, sondern setzten sich aus einzelnen Stichen zusammen. Ein bekannter Fundort aus dieser Zeit ist z. B. Regensburg-Harting. Seit dieser Zeit gibt es in Abensberg-Arnhofen einen unter Tage betriebenen Abbau gebänderter Jurahornsteine.[20]
In Niederbayern und Böhmen bis zum Pilsener Becken bildete sich im Anschluss an die Stichbandkeramik die so genannte Oberlauterbacher Gruppe, eine regionale Entwicklung mit einer einzigartigen Gefäßverzierung (nach Oberlauterbach, Lkr. Landshut).[21] Von dieser archäologischen Kultur sind kaum Gräber bekannt. Wichtige ergrabene Siedlungen der Gruppe Oberlauterbach sind Kothingeichendorf, Künzing-Unternberg (beide mit Kreisgrabenanlage), Geiselhöring und Hienheim (Lkr. Kelheim).
Bereits in die Kupferzeit, nach anderen Chronologieschemata ins Jungneolithikum datierend, gehört die Münchshöfener Kultur oder Münchshöfener Gruppe, benannt nach dem gleichnamigen Fundort Münchshöfen bei Straubing. Diese Kultur ist stark von Böhmen und Mähren beeinflusst. Typisch in der Keramik sind große Fußschalen, so genannte Pilzschultergefäße und eine flächige geritzte Verzierung der Gefäße. Kupferfunde aus dieser Zeit sind äußerst selten, doch finden sich in einigen Bergbaurevieren Österreichs Anzeichen dafür, dass bereits zu dieser Zeit Kupfer in den Alpen abgebaut wurde. Auch aus dieser Kulturgruppe sind kaum Gräber bekannt. Der jüngste Abschnitt der Münchshöfener Gruppe wird als Spät-Münchshöfen oder auch Facies Wallerfing bezeichnet, welche hauptsächlich in Niederbayern verbreitet und gleichzeitig mit der westlich angrenzenden Pollinger Gruppe ist. Beide Gruppen markieren den Übergang vom frühen zum späten Jungneolithikum, was vor allem an der zunehmenden Verzierungslosigkeit der Keramik und einiger neuer Gefäßformen wie etwa Tassen und Krügen abgelesen werden kann.
Auf die Spät-Münchshöfener Gruppe, bzw. die Pollinger Gruppe folgt um etwa 3800 v. Chr. die Altheimer Gruppe (nach Altheim, einem Ortsteil von Essenbach). Ihre Keramik ist vor allem durch sog. Arkadenränder sowie durch die Verzierungslosigkeit der Feinkeramik gekennzeichnet. Mit dieser Kultur ist in Bayern nun auch ein neuer Siedlungstyp verbunden, da hier erstmals Feuchtbodensiedlungen auftreten. Neben den feucht situierten Wohnplätzen finden sich aber auch Siedlungen auf Mineralböden. Gräber aus dieser Zeit sind so gut wie unbekannt.
Auf das Jungneolithikum folgt um 3400/3300 v. Chr. das Spätneolithikum mit der Chamer Kultur. Diese wird in Bayern traditionell schon dem Endneolithikum zugerechnet. Im Endneolithikum gibt es außerdem reiche Funde der Schnurkeramik[22][23] sowie der Glockenbecherkultur.
Bronze- und Eisenzeit
Ein bedeutender Fundplatz mit Hortfunden der Urnenfelderzeit ist der Bullenheimer Berg bei Ippesheim. Während der Urnenfelderzeit (1200–800 v. Chr.) gab es in der Umgebung von Erlangen einige mit Sandsteinplatten eingefasste Gräber (Erlanger Zeichensteine), die mit eingeritzten Zeichen – wie zum Beispiel Tannenzweigmustern – versehen waren und eine in dieser Form einzigartige Fundgruppe bilden.[24]
In einem 1913 entdeckten Grabhügel bei Kosbach nahe Erlangen wurden bedeutende Funde der Älteren Urnenfelderzeit (Ha A, 12.–11. Jh. v. Chr.), der späten Hallstattzeit (Ha C-D, 8.-6. Jh. v. Chr.) sowie der Latènezeit (Lt A, 6./5. Jh. v. Chr.) gemacht. Der Fuß des Hügels stößt an den sogenannten „Kosbacher Altar“, eine quadratische Steinsetzung mit vier größeren Ecksteinen und einem phallusartigen Pfeiler in der Mitte. Es handelt sich dabei um einen singulären Grabbau aus der jüngeren Hallstattzeit. Eine Rekonstruktion der Anlage kann heute im Gelände besichtigt werden.[25][26]
Einen weiteren interessanten Fund der späten Hallstattzeit (Hallstatt D) stellt das Eisenschwert mit Antennenknauf von Möhrendorf dar.[27]
Für viele Perioden der älteren Urgeschichte ist außerdem der Staffelberg (Gde. Bad Staffelstein (Oberfranken) bedeutend. Davon zeugen heute noch die Reste der Wehranlagen, die die Kelten seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. erbaut und mehrfach erneuert haben.[28] Ein seit dem Neolithikum (Michelsberger Kultur, Schnurkeramik) besiedelter Tafelberg im südlichen Oberfranken ist auch die Ehrenbürg bei Forchheim. Während der Eisenzeit war der Sattel der Ehrenbürg eines der bedeutendsten befestigten Zentren Bayerns. Aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. ist eine Ummauerung des gesamten Plateaus nachgewiesen, mit einer Gesamtlänge der Befestigung von 3,5 km.[29] Im Zuge der Keltenwanderungen des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde die Anlage aufgegeben.
Siehe auch
Literatur
- C. Sebastian Sommer (Hrsg.): Archäologie in Bayern – Fenster zur Vergangenheit. Pustet, Regensburg 2006, ISBN 3-7917-2002-3.
Einzelnachweise
- ↑ Leif Steguweit (2008), Ein Faustkeil von Wörleschwang (Gde. Zusmarshausen, Lkr. Augsburg). Archäologie in Bayerisch-Schwaben 2, S. 18–22.
- ↑ Die Sesselfelsgrotte
- ↑ Wolfgang Weißmüller, Die Silexartefakte der Unteren Schichten der Sesselfelsgrotte. Ein Beitrag zum Problem des Moustérien. Quartär-Bibliothek 6, 1995.
- ↑ Jürgen Richter: Der G-Schichten-Komplex der Sesselfelsgrotte. Zum Verständnis des Micoquien. Sesselfelsgrotte III. Quartär-Bibliothek 7, 1997. Saarbrücken (SDV).
- ↑ Gerhard Bosinski: Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa. Fundamenta A/4. Köln, Graz 1967.
- ↑ Funde aus der Obernederhöhle
- ↑ a b c Lothar Zotz (Hrsg.): Das Paläolithikum in den Weinberghöhlen bei Mauern. Bonn, Röhrscheid-Verlag, 1955
- ↑ Thorsten Uthmeier: Vom Sammelfund zum Werkzeugsatz – Rohmaterialeinheiten im Aurignacien der Freilandfundstelle Keilberg-Kirche, Stadt Regensburg (Bayern). In: Gehlen, B., Heinen, M. & A. Tillmann (Hrsg.): Zeit – Räume. Archäologische Berichte 14, Bonn 2001, S. 77–101.
- ↑ O. H. Pruefer, The Abri Schmidt, an important upper Palaeolithic site in Bavaria. The Journal of Science 61 (1). 45, 1961, S. 45-59.
- ↑ Fund aus dem Abri im Dorf
- ↑ Lothar Zotz, Die Forschungen des Instituts für Urgeschichte der Universität Erlangen im Altmühltal. Prähistorische Zeitschrift 39, 1961, S. 266-273.
- ↑ Wolfgang Weißmüller, Eine Freilandfundstelle des mittleren Jungpaläolithikums (Périgrodien-Gravettien) am Südrand der Straubinger Senke bei Salching, Lkr. Straubing-Bogen. Quartär 37/38, 1987, S. 109–134.
- ↑ Vorgeschichte im Erlanger Raum. Begleitheft zur Dauerausstellung, Hrsg. vom Stadtmuseum Erlangen.
- ↑ Martin Street, Thomas Terberger und Jörg Orschiedt: A critical review of the German Paleolithic hominin record. Journal of Human Evolution, Band 51 (6), 2006, S. 551–579, doi:10.1016/j.jhevol.2006.04.014; Volltext (PDF), S. 71
- ↑ Ludwig Reisch: Eine spätjungpaläolithische Freilandstation im Donautal bei Barbing, Ldkr. Regensburg. Quartär 25, 1974, S. 53-71.
- ↑ Werner Schönweiß: Die Magdalénien-Inventare von „Barbing 2“ und „Barbing 3“, Lkr. Regensburg. Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz und in Regensburg 4/2000, S. 17-42
- ↑ Gerhard Bosinski: Die Kunst der Eiszeit in Deutschland und in der Schweiz. Habelt, Bonn 1982, S. 37 und Tafel 39-42 ISBN 3-7749-1832-5
- ↑ Funde aus dem Abri Schräge Wand
- ↑ Bandkeramische Funde von Bergheim
- ↑ Silex-Rohmaterial Abensberg-Arnhofen
- ↑ Peter Bayerlein: Die Gruppe Oberlauterbach in Niederbayern (Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte/Reihe A; 53). Verlag Lassleben, Kallmünz 1985, ISBN 3-7847-5053-2 (zugl. Dissertation Heidelberg 1984)
- ↑ Schnurkeramischer Becher von Geudendorf
- ↑ Endneolithischer Griffzungendolch
- ↑ Christian Züchner, Die Erlanger Zeichensteine. Eine besondere Grabform der späten Bronzezeit. In: Vorgeschichte im Erlanger Raum. Begleitheft zur Dauerausstellung, Hrsg. vom Stadtmuseum Erlangen, S. 70–71.
- ↑ Funde vom Kosbacher Altar
- ↑ Ausführliche Dokumentation zur Fundstelle Kosbach
- ↑ Antennenschwert von Möhrendorf
- ↑ Der Staffelberg in vor- und frühgeschichtlicher Zeit – Online-Ausstellung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Erlangen)]
- ↑ Björn-Uwe Abels: Die Ehrenbürg. Geologie - Archäologie - Volkskunde. Hrsg. vom Förderkreis Kaiserpfalz e.V. und vom Kulturamt des Landkreises Forchheim, 2009, 109 S., ISBN 978-3-9811274-5-4