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Unglück bei der Loveparade 2010

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Panoramaaufnahme des Geländes der Abschlusskundgebung, Juni 2010 - im Vordergrund links der Hbf, rechts am Bildrand die A 59
Die Eisenbahnunterführung, einziger Zugang zum Gelände der Loveparade (Aufnahme von 2008)
Lageplan des Veranstaltungsgeländes auf dem Güterbahnhof Duisburg

Bei dem Unglück bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg starben nach Polizeiangaben 19 Menschen und 342 wurden verletzt. (Stand 25. Juli 2010, 16 Uhr)

Hergang

Die Massenpanik[1] entstand gegen 17:30 Uhr[2] vor der Unterführung Karl-Lehr-Straße (in den Medien oft Tunnel genannt), die unter der Bundesautobahn 59 und einer Eisenbahnstrecke mit mehreren Gleisen hindurch verläuft und bis dahin – laut Polizeiaussage in der Pressekonferenz am folgenden Tag – als einziger Zugang zum Veranstaltungsgelände der Loveparade auf dem ehemaligen Güterbahnhof Duisburg Gbf nahe des Hauptbahnhofes diente (für Besucher, „Raver“). Andere Verkehrswege existieren von Norden her.

Die Polizei hatte das Gelände etwa eine halbe Stunde zuvor wegen Überfüllung gesperrt und damit begonnen, die zuströmenden Besucher per Lautsprecher zur Umkehr aufzufordern.[3] Das Unglück entstand nach Medienangaben durch diese Abriegelung des einzigen Zugangs des Geländes am Tunnelausgang, während der Zugang am anderen Ende jedoch weiter offen blieb und weitere Menschen in den Tunnel strömten. Das hat der zuständige Stv. Polizeipräsident bei der Presekonferenz allerdings bestritten. Es gab an den Zufahrten in die Unterführung „Sicherheitsschleusen“.[4]

Auch sei das von der Stadt Duisburg genehmigte Gelände kapazitätsbedingt für höchstens ein Drittel der 1,4 Millionen Besucher geeignet gewesen.[5][6][7][8][9] Es kam zu einem dichten Gedränge, in dessen Folge Menschen kollabierten und niedergetrampelt wurden. Andere stürzten beim Versuch ab, eine Nottreppe zu erklimmen. Bei dem Unglück kamen elf Besucher aus Deutschland und jeweils einer aus Australien, Bosnien-Herzegowina, China, Italien, den Niederlanden und Spanien ums Leben.[10] Die genaue Abfolge der Ereignisse ist jedoch noch nicht geklärt und Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Am folgenden Tag beschlagnahmte die Duisburger Staatsanwaltschaft die betreffenden Unterlagen.[11]

Der stellvertretende Polizeipräsident von Duisburg sagte in einer Pressekonferenz am Mittag des 25. Juli, nach seiner Kenntnis sei es nicht zutreffend, dass die Polizei auf der Tunnelausgangsseite eine Sperre eingerichtet hätte. Die Frage eines Journalisten, ob es zutreffend sei, dass der Tunnel bis 16 Uhr der einzige Zugang und gleichzeitig der einzige Ausgang des Festgeländes gewesen sei, bejahte er.[12]

Reaktionen

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff, sowie Papst Benedikt XVI.[13] äußerten sich bestürzt und sprachen den Verletzten und Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus. Der Loveparade-Gründer Dr. Motte beschuldigte den Veranstalter Loveparade GmbH, dessen Geschäftsführer Rainer Schaller, der auch der Geschäftsführer des Hauptsponsors McFit ist, „nicht das geringste Verantwortungsgefühl für die Menschen gezeigt“ zu haben und sprach von einem „Skandal“.[11] Wolfgang Orscheschek, Vize-Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, kritisierte das Gelände als zu klein, auch seien Sicherheitsbedenken im Vorfeld von Polizei und Feuerwehr geäußert worden.[11] Auch der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Erich Rettinghaus, forderte eine genaue Untersuchung der Unglücksursachen und eine Prüfung des Sicherheitskonzepts.[11] Der Organisator der Loveparade, Rainer Schaller, erklärte, dass es nie mehr eine Loveparade geben werde.[14]

Bereits im Vorfeld wurden kritische Stimmen in Bezug auf Organisation und Veranstaltungsgelände laut. Das zur WAZ-Mediengruppe gehörende Onlineportal Der Westen hatte bereits am 20. Juli 2010 darauf hingewiesen, dass das Party-Gelände für so viele Menschen ungeeignet sei.[15]

Verantwortung

Noch ist die Frage nach den Schuldigen bzw. den Verantwortlichen der Katastrophe nicht geklärt. Wolfgang Rabe als Leiter des Krisenstabes weist jegliche Verantwortung von sich, und auch der Veranstalter selbst, Rainer Schaller, wies Schuldvorwürfe zurück. Zeugenaussagen sprechen von Fehlern der Polizei, denn eine Absperrung begann erst hinter dem Tunnel und hätte bereits vor dem Tunnel stattfinden müssen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und prüft zur Zeit den Unfallhergang und die verantwortlichen Genehmigungsbehörden.

Duisburgs stellvertretender Polizeipräsident Detlef von Schmeling sagte dagegen, es seien „keine Menschen im Tunnel zu Tode gekommen“, sondern lediglich an der Zugangsrampe. 14 Menschen seien an einer Metalltreppe ums Leben gekommen, zwei an einer Werbetafel. Drei Verletzte seien später im Krankenhaus gestorben. Das Alter der Toten liege zwischen 18 und 38 Jahren.[16] Von Schmeling führte auf, dass die Polizei vor dem Unglück eine zweite Zugangsrampe geöffnet habe. Teil des Sicherheitskonzeptes sei es gewesen, den Zugang zum Tunnel zu regulieren, was den ganzen Tag geschah. Der Zugang zum Gelände sei zu keinem Zeitpunkt gesperrt gewesen. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens habe es noch Bewegungsmöglichkeiten auf der Rampe gegeben und das Veranstaltungsgelände sei nicht vollständig gefüllt gewesen. „Mein persönlicher Eindruck bestätigt eine Massenpanik nicht“. Unklar sei zudem, wie viele Besucher insgesamt bei der Loveparade waren: Die bisher genannte Zahl von 1,4 Millionen konnte Schmeling zunächst nicht bestätigen.[17][18]

Einzelnachweise

  1. http://www.welt.de/vermischtes/article8633678/Massenpanik-Verstand-ist-ausser-Kraft-gesetzt.html "Massenpanik – Verstand ist außer Kraft gesetzt" Psychologische Betrachtung der Massenpanik
  2. Die Menschenfalle. In: Spiegel-Online, abgerufen 25. Juli 2010
  3. http://www.tagesschau.de/inland/loveparade182.html "Nach Massenpanik im Tunnel - Zweifel am Sicherheitskonzept der Loveparade" auf tagesschau.de
  4. Pressekonferenz live auf n-tv, 25. Juli 2010, 12 bis 13 Uhr
  5. Der Spiegel: Partygelände war nur für 250.000 Menschen zugelassen. 25. Juli 2010
  6. Stern: Jetzt 19 Tote durch Massenpanik bei Loveparade
  7. FAZ: Das war programmiertes Chaos
  8. 19 Tote bei Massenpanik auf Loveparade
  9. Der Spiegel: Massenpanik auf der Love Parade
  10. Pressebericht von der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen polizei-nrw.de, Duisburg, 25. Juli 2010 – 17:35 Uhr
  11. a b c d Polizei scheiterte mit Gegen-Sicherheitskonzept. In: Spiegel-Online, abgerufen 25. Juli 2010
  12. Pressekonferenz live auf n-tv, 25. Juli 2010, 12 bis 13 Uhr
  13. http://www.stern.de/news2/aktuell/papst-gedenkt-in-tiefer-trauer-der-todesopfer-von-duisburg-1586764.html
  14. Veranstalter verkündet Aus für Loveparade auf heute.de
  15. „Loveparade-Drama: Zeitung hat bereits vor fünf Tagen gewarnt“, Tages-Anzeiger, 25. Juli 2010
  16. Gemeinsame Presseerklärung von Staatanwaltschaft und Polizei. polizei-nrw.de, Duisburg, 25. Juli 2010 – 15:51 Uhr
  17. Staatsanwälte beschlagnahmen Unterlagen der Stadt Duisburg FAZ vom 25. Juni 2010
  18. 19 Tote, vier Fragen Spiegel Online vom 25. Juli 2010

Koordinaten: 51° 25′ 13,5″ N, 6° 46′ 28,9″ O