Zum Inhalt springen

Drachen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Juli 2005 um 00:40 Uhr durch Melancholie (Diskussion | Beiträge) (Bot-unterstuetzte Baustein-Ergaenzung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Spiel- und Sportgerät Drachen. Für die gleichnamige Bootsklasse siehe Drachen (Bootsklasse). Für das ähnlichnamige Fabeltier siehe Drache (Mythologie), für andere Bedeutungen des Wortes, siehe Drache.

Während in fast allen anderen Sprachen für diese beiden unterschiedlichen Dinge auch getrennte Worte verwendet werden (engl.: Kite bzw. Dragon, franz.: Serf-volant bzw. Dragon) gibt es in der deutschen Sprache dafür nur ein Wort (übrigens auch im ungarischen).


Drachen in der tunesischen Sahara

Ein Drachen (nicht: Drache) ist ein Spiel- und Sportgerät, das mit Wind betrieben wird. In Deutschland wird er dennoch als Luftfahrzeug gesehen, gehört luftrechtlich aber nicht etwa zu den Luftsportgeräten, sondern bildet eine eigene Luftfahrzeugklasse. Er besteht in der einfachsten Ausführung aus einem Segel, das in der Regel durch ein Gestänge aufgespannt wird und einer am Gestänge befestigten Leine, die vom Drachensteigenden (im Drachensport oft: "Pilot") gehalten wird. Der Drachen wird so in den Wind gestellt, dass durch die Anströmung der Luft gegen das Drachensegel Auftrieb entsteht und der Drachen nach oben steigt.

Es gibt auch ein Drachenfliegen ohne Wind, bei dem die Luftanströmung durch Fortbewegung des Piloten erzielt wird. Auf diese Weise kann draußen bei Windstille oder in Hallen geflogen werden (Indoor-Kiting).

Zur besseren Unterscheidung von Drache und Drachenfliegen wird (vor allem in der Kiting-Szene) der Drachen mit dem englischen Begriff "Kite" bezeichnet, das "Drachen steigen lassen" mit "Kiting".


Geschichte

Ursprung der Drachen

Der Ursprung der Drachen ist heute nur noch schwer feststellbar. Es gibt Hinweise, dass die Drachen bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. erfunden wurden. Die erste geschichtliche Erwähnung von Drachen als Flugobjekt wurde aber erst im 5. Jahrhundert v. Chr. in China offiziel bestätigt. Jüngste Funde im indonesischen Raum lassen jedoch die Möglichkeit offen, dass Drachen als Flugobjekt noch wesentlich älter sein können.

Drachen in China des 5. Jahrhundert v. Chr.

Die ersten Drachen die in China im 5. Jahrhundert v. Chr. Auftauchten bestanden hauptsächlich aus Bambusstäben und Seide. Durch die Verwendung dieser, damals schon teuren, Materialien verbreitete sich der Drachen nur langsam. Dies änderte sich als das erste Papier entwickelt wurde. Man vermutet, dass die Drachen, durch buddhistische Missionare und über den Handel mit Papier, im 2. Jahrhundert v. Chr., schließlich auch Japan und Korea erreichte. Die Menschen im alten China und Japan glaubten, dass sie durch die Drachen ihre Wünsche und Bitten zu den Göttern tragen könnten. So entstanden im laufe der Zeit viele Folksfeste in denen Drachen eine zentrale Bedeutung erhielten. Ein Beispiel ist hier das japanische Neujahrsfest.

Auch in Afghanistan spielt Drachen insbesondere im Herbst und in Wintermonaten eine große Rolle. Doch das Highlight des Drachensteigens ist während des traditionellen Neujahrfestes, Nauroz, das am Frühlingsanfang seit Urzeiten zelebriert wird.

Drachen im Westen

Der erste westliche "Drachen" tauchte im 15. Jahrhundert n. Chr. auf. Die Römer ließen zu besonderen Anlässen wie militärischen Siegen oder Folksfesten bunt verzierte Windsäcke fliegen. Die "echten" Drachen kamen aber erst im 16. Jahrhundert n. Chr. über holländische, portugiesische und englische Kaufleute, die Handel mit Fern Ost betrieben, nach Europa. Zu Begin des 18. Jahrhunderts waren die Drache schließlich als Kinderspielzeug im ganzen Westen verbreitet. Jetzt erst erkannte die Wissenschaft, welche forschungstechnischen Möglichkeiten Drache bot. Die Experimente konzentrierten sich zu Beginn auf metrologische Untersuchungen. So untersuchten z.B. Thomas Melvill und Alexander Wilson mit einem Drachen Temperaturunterschiede zwischen den einzelnen Höhenlagen. Das berühmteste Experiment dieser Zeit wurde von dem amerikanischen Diplomat und Wissenschaftler Benjamin Franklin durchgeführt. Benjamin Franklin untersuchte mit Drachen die Wirkung elektrischer Blitze. Der am Himmel schwebende Drachen trug, in dieser Zeit, auch stark zum beständigen Wunsch der Menschheit, fliegen zu können, bei und beeinflusste so auch maßgeblich die Entwicklung der ersten Flugmaschine.

Militärischer Einsatz

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der Drachen bei seinem großem Verwendungsspektrum auch Anwendung in militärischen Bereichen fand. Im alten Japan verwendeten Heerführer Drachen zur psychologischen Kriegsführung. Sie befestigten Apparaturen zur Geräuschserzeugung an den Drachen und ließen sie nachts über den feindlichen Truppen steigen. Die Krieger glaubten so, sie würden von bösen Geistern attakiert. Es gibt aber auch Aufzeichnungen über riesige Drachen, die Bogenschützen trugen.

Im Zeitraum der Weltkriege fanden Drachen hauptsächlich in Bereichen der Luftüberwachung ihren Einsatz, wurden aber bald durch neuere Technologien ersetzt. Eine besondere Erwähnung verdient hier noch der im 2. Weltkrieg eingesetzte "Gibson Girl". Der "Gibson Girl" war Teil der Seenotrettungsausrüstung für Flugbesatzungen, die notwassern mussten.

Prinzip: Der Drachen trägt eine dünne Notantenne in den Himmel, die mit einem Funkgerät verbunden war. Ein handbetriebener Generator erlaubte der Flugbesatzung, SOS zu funken. Der ``Gibson Girl`` trug so zur Rettung vieler Flugbesatzungen bei.

Zivile Verwendung

Neben der Verwendung als Kinderspielzeug können Drachen auch zum Transport verwendet werden. Ein Beispiel hierfür ist Skysails, eine computergesteuertes Drachensystem zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Schiffen. Dabei wird ein Lenkdrache mit einer Fläche von bis zu 5000m² an einem Schiff befestigt. Gelenkt wird der Drachen durch ein Computersystem. Drachen können auch für die Realisierung eines Antennenträgers größerer Höhe verwendet werden, entweder, in dem die Drachenschnur in Form eines Kabels ausgeführt ist und somit als Antenne für VLF, LW oder MW dienen kann oder indem der Drachen Antennen trägt, die entweder über ein in der Drachenschnur befindliches Kabel gespeist wird oder in dem der Drachen entsprechende Sendegeräte trägt. Eine solche Anwendung des Drachens wurde früher gelegentlich bei militärischen Dienststellen verwendet. Heute wird sie noch gelegentlich von Amateurfunkern verwendet.

Seit ca. 100 Jahren bekannt ist eine Art der Fotografie, bei der die Zugkraft eines Drachens genutzt wird, um eine Kamera zu heben. Dies wird international bezeichnet als Kite Aerial Photography, oder kurz KAP.

Viele Jahre wurden Drachen auch für die meteorologische Untersuchung der Atmosphäre benutzt. Am Aerologischen Observatorium Lindenberg (bei Beeskow) wurde am 1. August 1919 der noch heute gültige Höhenweltrekord für Drachen von 9740m unter dem Aufstiegsleiter Stüve erreicht. Dabei wurde eine Drachenkette aus acht Schirmdrachen verwendet.

Drachentypen

Typischer Aufbau eines Drachen

Ein Drachen besteht aus einem Gestänge, das mit Tuch bespannt ist.

GESTÄNGE: Bambusspaltstäbe, Holz, Aluminium, Fiberglas- oder Kohlenstoffverbundmaterialien (Latten, Rundprofile, Rohre, konische Streben)

SEGEL/BESPANNUNG: Papier, Segeltuch (aus Nylon oder Polyester), Baumwoll-/Hanftuch, Naturmaterialien (Blätter, Leder), Folien aus Polyester/Aluminium, u.a.

Einleinerdrachen

Einleinerdrachen sind die Grundform der Drachen. Sie sind üblicherweise ungelenkt. In Europa sind deltoide Flachdrachen der verbreitetste Typ.

Kampfdrachen

Kampfdrachen sind einleinige Lenkdrachen.

Wird die Leine locker gelassen, bricht der Drachen seitlich aus. Durch Ziehen an der Leine stabilisiert er seine Flugbahn in einen Geradeausflug. Durch die Gestängekonstruktion (Querstrebe in der Mitte dicker als außen) werden die Segelflächen durch den höheren Winddruck nach hinten gebogen, so daß durch die starre Mittelstrebe ein sogenannter Kiel entsteht, welcher den Drachen stabilisiert.

Der Bau des einleinigen Lenkdrachen ist eine knifflige Sache, da der Drachen perfekt austariert sein muss. Die Handhabung ist ebenfalls eine Übungssache und erfordert Geschick und Reaktionsschnelligkeit.

Weitere Typen von Einleinerdrachen

Kastendrachen, Roloplan (entwickelt von der Fa. Steiff; er ist einer der klassischen deutschen Drachenkonstruktionen des letzten Jahrhunderts), Gleitdrachen, Cody, Saul's Barrage Drachen, Rokkaku, OKD (Open Keel Delta - ein Delta mit einem offenen Kiel), Tangens-Delta, Sled, Cross-Deck,...

Bilder von Einleinerdrachen

Mehrleinige Drachen (Lenkdrachen)

Ein Lenkdrachen ist ein Drachen, der sich lenken lässt. Er hat gewöhnlich zwei Leinen, an denen unterschiedlich stark gezogen werden kann. Jeweils eine Leine ist mit einem Teil des Drachens verbunden. Gewöhnlich gibt es einen linken und einen rechten Teil, von dem jeweils eine Leine abgeht.

Da gute Drachen die Eigenschaft haben, bei genügend Wind von allein aufzusteigen, kann, wenn z.B. an der rechten Leine gezogen wird, in diesem Fall nur der linke Teil des Drachens aufsteigen. Folglich dreht er sich in diesem Fall um seinen rechten Teil, vom Piloten aus gesehen im Uhrzeigersinn. Wird an der rechten Leine gezogen, so stehen sich der Vektor der Windkraft und der Vektor der Zugkraft nicht genau gegenüber. Folglich verdreht sich der linke Teil des Drachens leicht nach hinten (in Windrichtung), sodass der Drachen aus Sicht des Piloten weiter nach rechts zeigt. Das hat zur Folge, dass der Drachen auch weiter nach rechts fliegt. Mit dem Zug an der linken Leine verhält es sich spiegelsymmetrisch.

Piloten können durch geschickten Zug an den Leinen mit einiger Übung den Lenkdrachen Loopings, Schrauben und andere Figuren fliegen lassen. Je nach Leinen sind bis zu 15 Loopings und somit Verdrehungen der Steuerleinen nach einer Seite möglich. Fliegt man zu viele Loopings nach einer Seite, blockieren die Leinen aufgrund der Reibung und der Drachen wird unsteuerbar.

Deltadrachen

Der Deltadrachen ist der klassische Lenkdrachen. Er wurde mit dem Rhombusdrachen als erster als Lenkdrachen eingesetzt.

Ein Deltalenkdrachen

Der Delta besteht aus einen V-förmigen Segel, dass durch ein etwas schmaleres V in der Stabkonstruktion aufgespannt wird. Der Wind wölbt die Segelflächen nach oben und bildet das Profil aus. Bei ein Drittel der Stablänge des V und bei rund 2 Drittel wird je eine Waagenleine befestigt. Die dritte Leine kommt an das untere Ende der Mittelstrebe. Damit enthält man 2 Befestigungspunkte für die Steuerleine.

Deltadrachen in anderer Bauform

Deltadrachen gibt es in vielen Ausführungsvarianten. Beim rechts abgebildeten Exemplar wird die Segelfläche durch kleine Ständer, so genannte Stand-Offs, vorgespannt.

Beim links abgebildeten Exemplar wird die Segelfläche nicht vorgespannt, dafür sind die Flügelenden breiter und haben eine zusätzliche Versteifungsrippe.

Grundsätzlich gilt, dass kleine Drachen schneller in ihren Bewegungen sind. Große Drachen sind langsamer und entwickeln höhere Zugkräfte.

Mattendrachen

Mattendrachen (auch: Airfoils) sind stablose Drachen, die nur durch den Wind in Form gebracht werden.

Die Matte besteht aus der Segelfläche und den sie stabilisierenden Luftkammern. Die Matten werden meist aus zwei gleichen Segelflächen mit den sie verbindenden Kammern hergestellt. Die Kammern haben Luftverbindungen, um Druckunterschiede in ihnen auszugleichen.

Eine Matte muss immer mit Zug an den Leinen geflogen werden. Wird sie drucklos, klappt sie zusammen. Deshalb werden beim Kite-Surfen Drachen mit aufblasbarer Vorderkante (Tubes) eingesetzt. Diese verhindert bei fehlendem Zug, dass die Matte zusammenfällt.

Vierleiner

Die Steigerung des Lenkdrachens findet sich im Vierleinerdrachen wieder. Beim 4-Leiner werden die beiden üblichen Steuerleinen durch zwei weitere an der hinteren Segelkante angebrachte "Bremsleinen" ergänzt. Durch diese beiden Leinen lässt sich der Anstellwinkel der beiden Segelflächen variabel einstellen. Damit lassen sich die Drachen auch rückwärts fliegen, auf der Stelle stehen oder drehen und sanft auf den Boden aufsetzen.

Vierleiner Drachen "vision/ksf"

Weitere typische Lenkdrachen

  • Deltadrachen (deltaförmiger Grundriss)
  • Nasa Wing "Powerkite / Zugschirm"
  • Vierleiner-Ballettdrachen
  • Rhombusdrachen, Eddy-Lenkdrachen

Drachensteigen

Je nach Wind können Drachen solche Kraft entfalten, dass sie den Piloten mitschleifen oder sogar in die Luft ziehen können. Das bewusste Spiel mit den Kräften des Drachens wird Power-Kiting genannt. Anfänger sollten im Zweifelsfall den Drachen lieber allein fliegen lassen, d.h. die Leinen loslassen. Da dann kein Leinenzug mehr herrscht sinkt der Drachen zu Boden.

Eine weitere Form des Drachenfliegens ist das Fahren mit einem Buggy (Kitebuggyfahren). Hierbei läßt man sich i.d.R. von großen zugstarken Matten ziehen.

Als neudeutsches Wort hat sich für das "Drachen steigen lassen", insbesondere für die sportliche Variante, Kiting verbreitet.

Drachenleinen

Drachenleinen von Lenkdrachen werden üblicherweise aus Dyneema / Spectra oder Kevlar hergestellt. Im Gegensatz zu den Leinen ungelenkter Drachen wird kein Nylon verwendet, da sich dieses unter Zug zu sehr längt, was den Drachen schwer steuerbar machen würde.

Für die Leinen von einleinigen, ungelenkten Drachen verwendet man Nylon oder Polyester. Nylon längt sich unter Zug, was dazu führt, dass die Leine Windschwankungen ausgleichen kann.

Drachenleinen können durch ihren geringen Durchmesser verbunden mit der starken auf ihr lastenden Zugkraft schneidend wirken. Deswegen dürfen sich Menschen in der Viertelkugel (auch: Windfenster), die Drachen und Piloten zusammen mit den Leinen beschreiben können, nicht aufhalten.

Viele Gebietskörperschaften haben Regelungen, die die Länge der Drachenleinen begrenzen. Üblich sind dabei Grenzen zwischen 60 m und 100 m. Lenkdrachen werden üblicherweise mit Leinenlängen von etwa 30 Meter je Leine geflogen.

Da die meisten Drachenschnüre elektrischen Strom leiten, ist es bei Blitzgefahr und in der Nähe von Hochspannungsleitungen nicht ratsam, einen Drachen steigen zu lassen.

Siehe auch

Hängegleiter, Windfenster, Art Kite Museum

Vorlage:Wiktionary1