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Insulin glargin

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Insulin glargin
Masse/Länge Primärstruktur 51 Aminosäuren, 6,06 kDa
Bezeichner
Externe IDs
Arzneistoffangaben
ATC-Code A10AE04
DrugBank
Wirkstoffklasse Antidiabetikum

Insulin glargin (Insulinum glarginum; Handelsname Lantus® ; Hersteller Sanofi-Aventis) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Insulinanaloga der zur Behandlung der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) eingesetzt wird und zählt zu den Basal-Insulinen. Der Wirkstoff ist ein rekombinantes Protein, das aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wird. Er unterscheidet sich geringfügig vom körpereigenen Insulin und zeichnet sich gegenüber anderen Verzögerungsinsulinen durch seine lange Halbwertszeit aus, die die einmal tägliche Gabe ermöglicht.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Insulin glargin ist zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 bei Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren eingeschränkt zugelassen.

Art und Dauer der Anwendung

Insulin glargin wird einmal täglich subkutan gespritzt.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Bei Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Insulin glargin oder einen der Hilfsstoffe darf das Medikament nicht angewendet werden.

Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit

Es liegen bisher weder klinische noch epidemiologische Daten zu Risiken bei Anwendung in Schwangerschaft oder Stillzeit vor.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Es kommen Reaktionen an der Einstichstelle und Veränderungen des subkutanen Fettgewebes an der Einstichstelle vor. Selten oder sehr selten kommen allergische Reaktionen, Geschmacksstörungen, Sehstörungen, diabetische Retinopathie, Muskelschmerzen und Ödeme vor. Hypoglykämien sind bei diesem Wirkstoff sehr sellten; darin liegt der große Vorteil von Insulin glargin. Eine Hypoglykämie, im Allgemeinen die häufigste Nebenwirkung der Insulintherapie, kann auftreten, wenn die Insulindosis den Bedarf überschreitet.[1]

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

Insulin glargin wirkt durch Bindung an die Insulinrezeptoren und bewirkt primär die Senkung des Blutglukosespiegels.

Es bindet stärker an den IGF-1-Rezeptor als Humaninsulin. Es ist nicht geklärt, ob dies ein erhöhtes mitogenes Potential birgt.

Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)

Das Präparat Lantus ist als saure Lösung mit pH 4 formuliert wobei der Wirkstoff gelöst ist. Nach Injektion wird diese im Körper langsam neutralisiert wobei sich die Insulin-Mikrokristalle bilden. Diese lösen sich langsam auf und treten als biologisch aktive Form in die Blutbahn ein. Bei täglicher Gabe stellt sich nach 2–4 Tagen ein steady-state ein, also ein stabiler Wirkstoffspiegel ohne Schwankungen.

Sonstige Informationen

Chemische und pharmazeutische Informationen

Insulin glargin hat in der Aminosäuresequenz gegenüber dem menschlichen Insulin an der Position A21 statt Asparagin Glycin. Die B-Kette ist durch zwei Arginin-Einheiten verlängert.

Insulin glargin
          ┌─────────┐
G-I-V-E-Q-C-C-T-S-I-C-S-L-Y-Q-L-E-N-Y-C-G
            │                       ┌─┘
F-V-N-Q-H-L-C-G-S-H-L-V-E-A-L-Y-L-V-C-G-E-R-G-F-F-Y-T-P-K-T-R-R

Entwicklung

Die Forschung und Entwicklung fand im Kompetenzzentrum für Biotechnologie bei Sanofi-Aventis in Frankfurt-Höchst statt. Lantus wird weltweit in über 100 Länder (Exportanteil 96 %) geliefert und von über 3,5 Mio. Patienten in der Welt angewendet. Lantus ist damit das größte und wichtigste Export-Arzneimittel aus Deutschland. Sanofi-Aventis steigerte 2008 den Umsatz mit Lantus um 28 Prozent auf 2,45 Milliarden €, davon 130 Millionen € in Deutschland, wo ca. 1,8 Millionen Diabetiker das Präparat anwenden. Dort war das Präparat 2007 auf Platz 15 der umsatzstärksten Arzneimittel.

Die Investitionen am Standort Frankfurt-Höchst in die Lantus-Produktion und Insulin-Pen-Fertigung lag bei 700 Mio. €. Im Jahr 2008 wurde eine neue Fertigungsstätte für einen neuen Insulin-Pen mit einer Investitionssumme von 150 Mio. € eröffnet. Bei Sanofi-Aventis sind in Frankfurt-Höchst und Berlin 3000 Arbeitsplätze an das Produkt Lantus gebunden.

Am 9. Juni 2000 erteilte die Europäische Kommission dem Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis Deutschland GmbH eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Lantus® in der gesamten Europäischen Union.[2]

Studien

In einer umfangreichen Analyse der vorhandenen Studien zu Insulin glargin stellte das IQWiG 2009 bei der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 keine Vorteile für die Blutzuckereinstellung, Mortalität, Retinopathien und Anzahl der Krankenhausbehandlungen gegenüber NPH-Insulin fest. Allerdings wird bei Insulin glargin ein statistisch signifikanter Vorteil bezüglich schwerer Hypoglykämien gegenüber NPH-Insulin gesehen.[3] Das Ergebnis eines Vorteils von Insulin glargin wird von anderen systematischen Übersichtsarbeiten bestätigt.[4]

Kosten und Verordnungseinschränkung

Der reale Preisunterschied zwischen Insulin glargin und herkömmlichen Verzögerungsinsulin liegt bei 17 % (bzw. 19 Cent pro Tag) und dieser wird durch Kosteneinsparungen bei kw-Insulinen Teststreifen etc. komplett kompensiert, so dass Kostenneutralität entsteht.[5] Laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 18. März 2010 soll der Wirkstoff Insulin glargin zur Behandlung des Typ 2 Diabetes nicht verordnungsfähig sein, „solange sie – unter Berücksichtigung der notwendigen Dosierungen zur Erreichung des therapeutischen Zieles – mit Mehrkosten im Vergleich zu intermediär wirkendem Humaninsulin (NPH) verbunden sind. (…) Für die Bestimmung der Mehrkosten sind die der zuständigen Krankenkasse tatsächlich entstehenden Kosten maßgeblich.“[6]; Dementsprechend sind Patienten mit einer Typ 2 Diabetes, die bereits ein lang wirkendes Insulinanalogon erhalten, auf Humaninsulin umzustellen und solche, die erstmals eine Insulintherapie erhalten sollen, sind ebenso auf Humaninsulin einzustellen. Jedoch gilt diese Verordnungseinschränkung nicht für Patienten, bei denen nach entsprechender Prüfung ein hohes Risiko für schwere Hypoglykämien bestehen bleibt; ebenso gilt sie nicht für jene seltenen Fälle, wo es zu einer allergischen Reaktion gegen intermediär wirkende Humaninsuline kommen kann.[7] Gegen diesen Beschluss hatte das BMG Widerspruch eingelegt [8] dieser wurde jedoch vom G-BA zurückgewiesen. Das BMG akzeptierte dies mit Schreiben vom 25. Juni 2010 [9], wies jedoch darauf hin, dass die Wirtschaftlichkeit vom BMG anders definiert wird und dass es „Sache der einzelnen Krankenkassen (ist), im Rahmen von Verträgen mit pharmazeutischen Unternehmen ... die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sicherzustellen“.[10] Sanofi aventis hat nach eigenen Angaben solche Verträge bereits mit drei Viertel der Krankenkassen abgeschlossen, so dass Insulin glargin für die meisten Patienten weiter verordnungsfähig ist.[11] [12] [13] Der G-BA Beschluss vom 18.03.2010, der mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 14.07.2010 in Kraft getreten ist besagt nun, dass Lantus auch zukünftig voll erstattungsfähig bleibt, einerseits für alle Versicherten von gesetzlichen Krankenkassen, die mit Sanofi-Aventis Mehrwertverträge geschlossen haben. Denn sanofi-aventis bietet den Kassen über seine Mehrwertverträge eine vertragliche Garantie, dass im unwahrscheinlichen Fall von Mehrkosten der Lantus-Therapie gegenüber einer Therapie mit NPH das Unternehmen die Kostendifferenz ausgleicht. Die Wirtschaftlichkeit von Lantus ist somit vertraglich garantiert und die Erstattungsfähigkeit gegeben und andererseits unabhängig von Mehrwertverträgen bleibt Lantus grundsätzlich für alle Patienten erstattungsfähig, die in einer intensivierten Insulintherapie ein hohes Risiko für schwere Hypoglykämien aufweisen oder die eine Allergie gegen Humaninsulin besitzen. Die Regelung, dass die Erstattungsfähigkeit weiter bestehen bleibt bei einem schweren Hypoglykämierisiko, wurde nur für Lantus getroffen. Grund für diese Besonderheit von Lantus ist der Abschlussbericht des IQWiG, der hinsichtlich eines geringeren Risikos für schwere Hypoglykämien ausschließlich für Lantus einen Vorteil gegenüber NPH-Insulin anerkennt.[14]

Literatur

EPAR Lantus, europäischer Zulassungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur, scientific discussion (englisch) (PDF)

Einzelnachweise

  1. Fachinformation LANTUS, Lantus, SoloStar, Injektionslösung in einem Fertigpen
  2. EPAR Lantus, deutsche Zusammenfassung des Zulassungsberichtes der Europäischen Arzneimittelagentur (PDF)
  3. Abschlussbericht A0503 des IQWiG zu langwirksamen Insulinanaloga bei Diabetes mellitus Typ 2(PDF)
  4. Singh SR, Ahmad F, Lal A, Yu C, Bai Z, Bennett H: Efficacy and safety of insulin analogues for the management of diabetes mellitus: a meta-analysis. In: CMAJ. 180. Jahrgang, Nr. 4, Februar 2009, S. 385–97, doi:10.1503/cmaj.081041, PMID 19221352, PMC 2638025 (freier Volltext) – (cmaj.ca).
  5. Thieme Gesundheitsökonomie Report 2010;1:1-46
  6. G-BA Beschluss veröffentlicht unter: Bundesanzeiger [www.bundesanzeiger.de], Ausgabe Nr. 103 vom 14. Juli 2010, S. 2422 und [1]
  7. G-BA: Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Lang wirkende Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2)
  8. www.handelsblatt.de 31. Mai 2010
  9. Gemeinsamer Bundesausschuss Homepage: www.g-ba.de Insulinanaloga Typ2
  10. Gemeinsamer Bundesausschuss Homepage: www.g-ba.de Insulinanaloga Typ2
  11. apotheke- adhoc.de/Nachrichten
  12. Deutsche Apotherkerzeitung von 2. Juli 2010 online
  13. Deutsche Ärztezeitung, 11. Juli 2010 online
  14. www.iqwig.de Langwirksame Insulinanaloga