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Diskussion:Hans Reimann (Autor)

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Hans Reimann im Dritten Reich

Am Ende der Hitler-Diktatur wurden Gerüchte um Hans Reimann in die Welt gesetzt. Und es gibt eine Tatsache: Im Jahre 1944 veröffentlichte Reimann einen bösen Beitrag, betitelt „Jüdischer Witz unter der Lupe“. Das war ein Fehltritt, unter dem er bis zum Ende seines Lebens schwer gelitten hat. Über die Gerüchte um Reimann schrieb der große Kabarettist Werner Finck unter der Überschrift „Reimann soll damals“:

„Dieses Reimann-soll habe ich ein Jahrzehnt lang immer wieder gehört. So oft, dass ich Reimann-soll schon so zusammengehörig empfinde wie Schlegel-tiek und Caro-ass. Von der Leni haben wir hernach nie gesagt, sie soll –. Sondern immer: sie hat; es gehabt. Na schön. Veit hat. Einen Sohn, der alles wieder gutzumachen versucht, und es offenbar besser gemacht hat als sein Vater. Hans Reimann dagegen? Dagegen auf jeden Fall. Bis auf einen Kniefall, Den hat er getan und zugegeben. Verdammt und zugenäht. Und dann ist noch diese merkwürdige Geschichte mit seinem Verleger Steegemann gewesen, den soll er ins... Die Beweisaufnahme eines kurzen Prozesses, den Hans Reimann 1958 machte, hatte jedoch ergeben, dass Steegemann nie in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager war, dass also der Kläger eine solche Inhaftierung nicht verursacht haben kann’. Ein glattes 1 : 0 für Hans Reimann.“

Warum die üble Nachrede, warum die Gerüchte um Hans Reimann nach der Hitler-Diktatur? Der Autor Raoul Konezni sieht es so:

„Was etwa Ludwig Thoma und Karl Valentin zusammen zur Salonfähigkeit der bavarischen Mundart beigetragen haben, ist Reimann für die der sächsischen anzurechnen. Dies soll allerdings seine literarischen Verdienste im Hochdeutschen nicht schmälern, ebenso wenig wie die Qualität seiner unbarmherzigen Theater- und Musik-Kritiken, mit denen er sich wenig Freunde machte (neidvolle Vertreter des Metiers, wie Herbert Ihering, versuchten es ihm bereits um 1930 heimzuzahlen, während ihm ein ebenso ungnädiger Kollege, Alfred Kerr, gewogen war), was insbesondere ab 1945 auf Rache sinnende ‚Opfer’ auf den Plan rief, ihren ‚Peiniger’ Unehrenhaftes aus der Nazizeit anzuhängen. Carl Zuckmayer etwa entwarf in seinem Geheimdienst-Dossier über die Zuverlässigkeit nicht emigrierter Kulturschaffender ein regelrechtes Horrorszenarium. Die üble Nachrede (ein harmloser Beitrag für das SS-Blatt ‚Das Schwarze Korps’ wurde zu einer ‚ständigen Mitarbeit’ potenziert) wirkt trotz gewonnener Verleumdungsprozesse nach und beeinträchtigt Reimanns künstlerische Bedeutung bis heute.“

Zu Lebzeiten konnte Reimann sich gegen alle Diffamierungen gerichtlich wehren, führte u. a. einen Prozess gegen den Schriftsteller Moritz Lederer, dem vom Gericht ein öffentlicher Widerruf seiner ungeheuerlichen Lügen auferlegt worden war.

Und heute? 30 Jahre nach dem Tod eines Menschen kann jeder jede Lüge über ihn verbreiten, ohne gerichtlich belangt zu werden. Deshalb hat wohl auch der Wallberg-Verlag mit der Herausgabe eines Pamphlets so lange gewartet, bis die Witwe von Hans Reimann nichts mehr gegen die unbewiesenen (in den Anmerkungen zum Teil bereits widerlegten!!!) Behauptungen unternehmen konnte, die angeblich von Carl Zuckmayer im fernen Amerika für die damalige US-Regierung aufgezeichnet worden sind. Selbst Zuckmayers Frau Alice soll Zweifel an der Objektivität, an den Quellen ihres Mannes gehabt und ihn gefragt haben: „Woher weißt du das?“ Die Zweifel sind verständlich, denn vieles von dem, was Zuckmayer (angeblich) aufgezeichnet hat, klingt nach der märchenhaften Recherche: „Man erzählt sich dort im fernen Germany...“

Was einen Schriftsteller von einem Einbrecher unterscheidet: Der Einbrecher vermeidet Spuren, der Schriftsteller hinterlässt sie bewusst. Hans Reimann hat viele Spuren hinterlassen. In Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, auf Schallplatten, im Rundfunk und in Filmen. Aber das Üble, das man versucht hat, ihm in die Schuhe zu schieben, ist nirgendwo sichtbar. Weil es das nie und nirgendwo gegeben hat.

Carl Zuckmayer hat in seinen Lebenserinnerungen „Als wäre es ein Stück von mir“ (1966) nicht ein einziges kritisches Wort über Hans Reimann verloren. Und was dort posthum unter seinem Namen veröffentlicht wurde, könnte auch der Fake eines üblen Schmierfinks sein, der Hans Reimann – siehe die Gründe oben! – post mortem diffamieren wollte. Bleibt zu hoffen, dass Reimann und Zuckmayer das Thema inzwischen eine Etage höher persönlich geklärt haben.

Der Schriftsteller Hans Riebau (1899–1968) erklärte 1968 an Eides statt: „Ich lernte Herrn Reimann im Winter 1937 in Berlin kennen, kurz nachdem ich einen scharfen Angriff gegen Reimann im Schwarzen Korps gelesen hatte. Reimann war damals ‚kommissarischer Schriftleiter’ der ‚Brennessel’ und forderte mich zur Mitarbeit an diesem Blatt auf, das er, wie er sagte, von politischen und tendenziösen Beiträgen reinigen wollte. Diese Absicht setzte mich zwar einigermaßen in Erstaunen, aber tatsächlich hat R. die Zeitschrift zu einer Art ‚Lustigen Familienblatt’ gemacht, jedenfalls, so weit Textbeiträge in Frage kamen. Die Folge war, dass die ‚Brennessel’ vom Eherverlag gänzlich aufgegeben wurde und nicht mehr erschien. Nachher lernte ich Herrn Reimann erst im Januar 1939 kennen, nachdem er mich aufgefordert hatte, mit ihm zusammen ein Lustspiel zu schreiben. Ich fuhr nach Berlin und war erstaunt, in R. nicht einen politisch indifferenten Mann zu finden, sondern einen fanatischen Gegner des Nationalsozialismus. Diese gemeinsame Einstellung gegen den Nationalsozialismus verband uns eher als alles andere. Reimann nahm nicht nur bedingungslos Stellung gegen alles, was nationalsozialistisch war, sondern war auch sehr unvorsichtig; ich habe ihn in der Öffentlichkeit wiederholt bitten müssen, diplomatischer zu sein. Reimann wurde im ‚Schwarzen Korps’ und somit in aller Öffentlichkeit als Staatsfeind und Liberalist gebrandmarkt.“

In einem Essay, betitelt „Hitlers Künstler“ schreibt der angesehene Autor und Kabarett-Guru Volker Kühn u. a.:

„Hans Reimanns besondere Begabung lag auf dem Gebiet der scharfzüngigen Literatur-Parodie. Tucholsky schätzte ihn, lobte seine Bücher und hatte ihn zur Mitarbeit an der "Weltbühne" eingeladen. Dort veröffentlichte Reimann 1924 eine ironische "Trutzhymne", die er allen Rechtskonservativen und den aufkommenden Nazis ins Stammbuch schrieb:

‚Wer hat das Hakenkreuz erfunden? Die Juden!
Wer illustriert damit Rotunden? Die Juden!
Wer hat den Dolchstoß inspiriert? Die Juden!
Wer hat den Index ruiniert? Die Juden!

Und so weiter, und so weiter. Um zu enden:

Wer hat Amerika entdeckt? Die Juden!
Wer spricht den säxschen Dialekt? Die Juden!
Drum jagt sie fort aus unserm Reiche!
Ein donnernd Heil der deutschen Eiche!’

Und zwei Wochen später war in der "Weltbühne" wieder eine bissige Reimann-Satire zu lesen, diesmal über das Hitler-Bärtchen. Titel: ‚Schmeichelhafte Legende’.

‚Eines Morgens löste Hitlers Bart sich von der Lippe,
Wie ein mohrenschwarzer Schmetterling hob er die Flügel,
Schwebte adlergleich dahin zum Teutoburger Walde,
Armins des Cheruskers Denkmal mit Respekt zu grüßen,
Und sodann, von Völkischkeit erfüllt, zu Wotan eilend,
In den patentierten Allgermanenhimmel.
Richard Wagner saß zur Rechten, Felix Dahn zur Linken.
Um die Wette tranken Meth die drei Kumpane,
Und der mohrenschwarze Schmetterling trank heimlich mit,
Trank und trank, und trunken kehrte er zurück zur Erde,
Kehrte heim auf Adolf Hitlers ahnungslose Lippe,
Und wie teutscher Honig fleußt's seitdem von seinem Munde.’

Tucholsky war entzückt. Er las und besprach alle Reimann-Bücher, deren er habhaft werden konnte. "So haben wir lange nicht gelacht" kommentierte er Reimanns Parodie auf den "Alraune"-Autor Hanns Heinz Ewers, die 1921 unter dem Titel "Ewers – ein garantiert verwahrloster Schundroman in Lumpen, Fetzchen, Mätzchen und Unterhosen von Hanns Heinz Vampir" erschienen war.

1931 machte Reimann, der Vielschreiber, wieder von sich reden. Sein Verleger Steegemann kündigte in großen Presse-Anzeigen sein neues Programm an. Hans Reimann, war da zu lesen, arbeite an einer Parodie auf Hitlers "Mein Kampf", die demnächst unter dem Titel ‚Mein Krampf’ auf dem Buchmarkt erscheinen werde.

Die Nazis jaulen auf. Auch Hanns Johst, damals bereits Präsident des nationalsozialistischen ‚Kampfbund für deutsche Kultur’, den Reimann aus Leipzig kannte. Johst, der damals gerade sein ‚Schlageter’-Drama abgeschlossen hatte, in dem sich so brachiale Merksätze finden wie ‚Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meinen Revolver’, fragt Reimann während eines ausgedehnten Spaziergangs am Starnberger See, ob er eigentlich lebensmüde sei. Darauf hin will Reimann aus seinem Vertrag aussteigen, aber der Verleger besteht darauf und verklagt ihn. Der Rechtsstreit endete später mit einem Sieg Steegemanns, Reimann wurde wegen Vertragsbruchs zu einer vierstelligen Geldstrafe verurteilt.

Nach der Unterredung mit seinem sächsischen Landsmann Johst tritt Hans Reimann nun die Flucht nach vorn an und setzt Briefe in Umlauf, in denen er bekennt, eher wolle er ‚öffentlich zum Nationalsozialismus übertreten’, als dass er sich ‚an dem Werk des von mir bewunderten Mannes vergriffe’.

Als Carl von Ossietzky, der Herausgeber der ‚Weltbühne’, davon hört, ist er reichlich irritiert. Er wendet sich an Tucholsky im fernen Schweden um Rat. Der schreibt zurück, das Ganze sei sicher ein Missverständnis: ‚Ich hielt es für Wahnwitz, diesen Mann, der hundertmal links gestanden hat, dadurch den andern in die Arme zu stoßen, dass man ihm jetzt diesen Brief wie einen Verrat ankreidet. Das ist er sicher auch nicht.’“

Soweit der Rückblick in die unselige Zeit, in der Reimann, am Ende gekniffen hat, um das eigene Leben zu retten. Und damit die Gerüchte, Hans Reimann wäre damals wirklich zum Nationalsozialismus konvertiert, ein für alle Mal geklärt sind, folgt hier ein Passus aus dem Urteil vom Kassationshof im Bayrischen Staatsministerium für Sonderaufgaben vom 26. April 1949, also nachdem Reimann seinen unseligen Aufsatz „Jüdischer Witz unter der Lupe“ verfasst hatte:

„Der Betroffene war bis 1933 ein bekannter, ausgesprochen antifaschistisch eingestellter Schriftsteller. Er arbeitete mit Juden zusammen, hatte sie zu Freunden und half ihnen. Diese Haltung gab er auch nach der Machtergreifung nicht auf. Die Nationalsozialisten verboten seine Bücher, erklärten sein öffentliches Auftreten oder die Nennung seines Namens als unerwünscht oder verlangten eine jeweilige Erlaubnis. Die Kreisleitung Dresden bezeichnete ihn als einen Feind jeder nationalen Regung, der unerbittlich auszuschalten sei. Der Betroffene erlitt nicht nur Geldnachteile, sondern auch ideellen Schaden: Seine Laufbahn als Schriftsteller war abgeschnitten, er geriet in Vergessenheit. Dies änderte sich auch nach dem beanstandeten Artikel nicht. Der Betroffene ist als Opfer des Nationalsozialismus einer milderen Beurteilung würdig, zumal seine antinazistische Gesinnung bestätigt wird und er trotz jenes Zeitungsartikels kein Anhänger der nationalsozialistischen Rassenlehre ist.“

Harald Dzubilla
dzubilla@riesenburg.de

Hallo Harald, es wäre schön, wenn Du ein paar Quellen zu den Zitaten nachtragen würdest. Insgesamt denke ich, dass die von Dir angesprochene Ambivalenz im Artikel durchaus dargestellt ist. Das Zuckmayer-Zitat sollte man vielleicht im Zusammenhang mit dem »Jüdischen Witz…« sehen, zeitlich würde das wohl passen. Und nebenbei: Hans Riebau hat 1941 zusammen mit Hans Reimann und Manfred Schmidt im Burmester Verlag den Band »Lachendes Feldgrau. Soldatenhumor« herausgebracht, nicht gerade das, was man von einem »fanatischen Gegner des Nationalsozialismus« oder einem guten Leumund erwartet.
Nach meiner Einschätzung würde es dem Artikel gut tun, ein paar mehr Lebensdaten aufzunehmen. Im Moment ist das alles noch sehr lückenhaft und fragmentarisch. In der Zusammenschau ergibt sich dann sicher ein umfassenderes Bild, das sowohl das linke Profil Reimanns in der Zeit vor 1933 als auch die zwiespältige Zeit danach differenzierter darstellt. Leider fehlen mir dazu die Quellen und die Zeit … Kommt Zeit, kommt Rat … --Stf 14:05, 28. Jun 2005 (CEST)

Hallo, Stefan! Meine Quellen habe ich genannt. Und die angeblichen Aufzeichnungen von Zuckmayer, die schon im Kommentar des Buches in einem wesentlichen Punkt als unwahr bezeichnet werden, stammen aus der Zeit davor. Das Büchlein "Lachendes Feldgrau" von Hans Reimann, Hans Riebau und Manfred Schmidt ist ein harmloses Witzbuch über Landser und hat mit dem Nationalsozialismus genauso viel zu tun wie "Nick Knatterton", der ebenfalls von Manfred Schmidt stammt. Ihre Anmerkung zielt also gänzlich ins Leere. Und genauso entstehen Gerüchte. Übrigens: In einem Schriftssteller-Lexikon, das in den 60er Jahren in der damaligen DDR erschienen ist, wird Hans Reimann zum Vorwurf gemacht, dass seine "Literazzia" (1951-1968) nicht frei ist von antikommunistischen Äußerungen...! Harald Dzubilla (Nachlassverwalter von Hans Reimann) PS: Bald wird es eine HR-Homepage geben mit mehr Infos und Daten über den bedeutenden Schriftsteller.