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Röntgenastronomie

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Die Röntgenastronomie ist ein Teilbereich der Astronomie, der von Himmelsobjekten ausgesandte Röntgenstrahlung nutzt. Wie viele Bereiche des elektromagnetischen Spektrums wird Röntgenstrahlung erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für astronomische Beobachtungen genutzt.

Beobachtungsbereich

In der Astronomie wird unter Röntgenstrahlung meist der Bereich elektromagnetischer Strahlung zwischen Energien von etwa 0.1 bis 500keV, d.h. Wellenlängen zwischen etwa 12nm und 2.5pm, verstanden. Oft wird Strahlung unterhalb etwa 2keV als 'weiche', darüber als 'harte' Röntgenstrahlung bezeichnet. Angrenzende Bereiche sind die Ultraviolettastronomie und die Gammaastronomie.

Instrumente

Da die Erdatmosphäre für Röntgenstrahlung undurchlässig ist, wurde Röntgenastronomie erst nach dem zweiten Weltkrieg mit Forschungsraketen und Satelliten möglich. Im harten Röntgenbereich wurden teilweise auch hochfliegende Ballons benutzt. Inzwischen wurde eine große Zahl von Weltraumteleskopen für den Röntgenbereich gestartet, siehe auch die Liste der Röntgensatelliten.

Teleskope

4-fach genestetes Wolter Teleskop des Chandra-Weltraumteleskops (Illustration: NASA)

Normale für sichtbares Licht verwendete Teleskope sind für Röntgenstrahlung unbrauchbar, da ihre Spiegel das Röntgenlicht nicht zurückwerfen. Im Bereich bis etwa 10keV sind heute Wolterteleskope gebräuchlich. Sie beruhen auf der Totalreflexion von Röntgenlicht bei sehr flachem, streifendem Einfall auf eine Metallfläche. Ein für die Astronomie verwendetes Wolterteleskop besteht heute meist aus mehreren ineinandergeschachtelten Spiegelschalen. Die effektive Sammelfläche für Röntgenphotonen ist von der Energie anhängig und deutlich kleiner als die gesamte Eintrittsfläche der Spiegelanordnung. Bei hohen Energien sind Wolterteleskope nicht mehr einsetzbar. Statt dessen werden mechanische Kollimatoren benutzt, die Röntgenstrahlung von außerhalb der Zielrichtung absorbieren, oder komplexe 'kodierte Masken', aus deren Schattenwurf auf den Detektor die Richtung der Quellen rekonstruiert werden kann.

Detektoren

Für den weiten Energiebereich der Röntgenastronomie wurden eine Vielzahl von Detektorprinzipen verwendet, wie sie in ähnlicher Form auch in der Kernphysik und Teilchenphysik verwendet werden. Heute am gebräuchlichsten sind Charge-coupled Devices. In ihrer als Röntgendetektor verwendeten Form erzeugen sie nicht nur ein zweidimensionales Bild, sondern messen auch die Energie der eintreffenden Röntgenphotonen, erlauben also eine einfache Form der Spektroskopie.

Beobachtungsobjekte der Röntgenastronomie

Lange hat sich die Röntgenastronomie hauptsächlich auf bestimmte energiereiche Objekte wie Röntgendoppelsterne und aktive galaktische Kerne konzentriert. Inzwischen trägt sie zu weiten Bereichen der Astrophysik bei.

Sonnensystem

Röntgenbeobachtungen sind eine hervorragende Methode zur Untersuchung der heißen und dünnen Korona um die Sonne. Daneben wurde schwache Röntgenstrahlung auch von Mond, Mars, Venus und von Kometen entdeckt.

Sterne

Auch bei nahen Sternen kann die Korona im Röntgenlicht detailliert untersucht werden. Interessanterweise ist Röntgenstrahlung auch ein gutes Mittel zur Entdeckung bestimmer junger Sterne wie T-Tauri-Sterne. Ein klassischer Gegenstand der Röntgenastronomie sind aber Röntgendoppelsterne, bei denen Gas von einem Stern auf ein begleitendes kompaktes Objekt (Weißer Zwerg, Neutronenstern, oder Schwarzes Loch) einströmt und bis zur Röntgenemission erhitzt wird. Supernova-Überreste wie der Krebsnebel sind ebenfalls helle Röntgenquellen.

Galaxien und Galaxienhaufen

Auch in aktiven Galaxien entsteht die Röntgenemission in unmittelbarer Nähe eines schwarzen Lochs, auf das Materie einströmt. Die Sterne und die interstellare Materie der umgebenden Galaxie sind dagegen vergleichsweise schwache Röntgenquellen. Dadurch, und durch die Fähigkeit harter Röntgenstrahlung vergleichsweise dichte Schichten interstellarer Materie zu durchdringen, ist die Röntgenastronomie wichtig für die Untersuchung von Galaxienkernen.

Galaxienhaufen sind von einem dünnen heißen Gas durchdrungen, das einen Großteil ihrer sichtbaren Masse enthält. Dieses Gas emittiert Röntgenstrahlung. Röntgenbeobachtungen sind eine der effektivsten Methoden um ferne Galaxienhaufen zu entdecken.

Galaxienentwicklung

Mit Röntgensatelliten wie ROSAT, Chandra und XMM-Newton konnten aktive Galaxien bis zu hohen Rotverschiebungen entdeckt werden. Röntgendurchmusterungen des Himmels sind also geeignet, die Entwicklung von Galaxien und der in ihnen enthaltenen schwarzen Löcher zu studieren. Mit diesen Satelliten konnte auch nachgewiesen werden, daß die kosmische Röntgenhintergrundstrahlung durch die Gesamtheit vieler solcher Galaxien erzeugt wird.

Ein neues Thema ist die Untersuchung der auch im Röntgenbereich sichtbaren Gammablitze und ihrer Beziehung zu fernen Galaxien.

Geschichte

Als erste kosmische Röntgenquelle wurde im September 1949 bei einem Flug mit einer umgebauten V-2-Rakete die Korona der Sonne identifiziert. Ein überraschender Durchbruch gelang Riccardo Giacconi und Mitarbeitern am 18. Juni 1962 bei einem Experiment auf einer Aerobee-Rakete, das nach von der Mondoberfläche reflektierter Röntgenstrahlung der Sonne suchen sollte. Statt dem Mond fanden sie den ersten helle Röntgendoppelstern in unserer Milchstraße, Scorpius-X-1, sowie den kosmischen Röntgenhintergrund. Dieses Ergebnis stand am Beginn einer stürmischen Entwicklung, erst mit weiteren Raketen- und Ballonexperimenten und später mit Röntgensatelliten. Der Satellit Thompson Two entdeckte 1965 die erste Röntgenquelle außerhalb einer Galaxie. 1971 wurden bei der ersten Durchmusterung des gesamten Himmels mit dem Uhuru-Satelliten 339 Quellen entdeckt. HEAO-2 ("Einstein-Observatorium") war das erste große Röntgenteleskop mit guter räumlicher Auflösung. Mit ROSAT wurden in den 1990ern über 100000 Röntgenquellen am gesamten Himmel gefunden. Die wichtigsten zur Zeit aktiven Röntgenteleskope sind Chandra und XMM-Newton.