Stierkampf




Stierkampf ist ein Brauch, dessen Thema der Kampf eines Menschen gegen einen Stier ist. Die bekanntesten Stierkämpfe finden in Spanien statt, aber auch in Portugal, Südfrankreich und ehemaligen spanischen Kolonien und spanisch beeinflussten Regionen in Südamerika. Je nach Region wird nach anderen Regeln gekämpft.
Spanischer Stierkampf (Corrida)
Im spanischen Stierkampf (corrida) wird der Stierkämpfer Torero (von toro, "Stier") genannt. Hauptelement ist, dass ein Torero den Stier hierbei mit einem flatternden Tuch anlockt und möglichst dicht an sich vorbeilaufen lässt. Wichtiger Teil des Stierkampfes ist die Form der Durchführung, das Ritual, das mit ihm einhergeht.
Der Stierkampf findet in einer Stierkampfarena statt, die meistens ausschließlich diesem Zweck dient. Am Anfang der Veranstaltung ziehen alle Beteiligten in die Arena ein und stellen sich dem Publikum vor.
Ein Präsidium wacht über den Kampf, dessen Präsident die Autorität erhalten hat, Stierkämpfe durchführen zu lassen. Laut den Reglements des Stierkampfes sollte dieser Präsident der Bürgermeister oder der Polizeichef der Stadt, in der der Kampf stattfindet, sein, jedoch ist diese Position unbeliebt, so dass häufig ein kleiner Beamter der Stadt das Amt übernimmt.
Zwei Reiter erbitten symbolisch den Schlüssel zur Puerta de los Toriles, dem Tor der Kampfstiere, vom Präsidium.
Der eigentliche Kampf besteht aus drei Teilen (Tercios), die durch Hornsignale voneinander abgetrennt werden.
Im ersten Teil verwendet der Matador ("Töter"), die Hauptfigur des Stierkampfes, ein großes, meist purpurrotes und gelbes Tuch, um den Stier zu reizen und erschöpft zu machen. Zwei Lanzenreiter (picadores) verwunden hierbei den Stier im Nackenbereich, so dass er leichter getötet werden kann.
Im zweiten Teil treten die so genannten Banderilleros auf, deren Aufgabe es ist, dem Stier zwei lange, mit bunten Bändern versehene Spieße (banderillas) so in den Rücken zu stechen, dass sie hängen bleiben. Dies soll das Tier reizen, so dass er bereit ist für den dritten Teil. Sollte dieser zu erschöpft sein, werden manchmal größere, schwerere banderillas negras verwendet, die stärkere Schmerzen bereiten. Der Einsatz dieser wird als Schande für den Stierzüchter betrachtet.
Während dieser ersten beiden Teile des Stierkampfes spielt ein Orchester zeitweise, in verschiedenen, willkürlichen Momenten Paso Doble-Musik, insbesondere dann, wenn das Publikum dem Kampf besonders folgt. Die Zuschauer verwenden in spannenden Momenten den Ausruf "Olé", um die am Kampf Beteiligten und den Torero zu animieren.
Im dritten, wichtigsten und letzten Teil tritt wieder der Matador auf, diesmal mit einem kleineren, dunkelroten Tuch („Muleta“) und demonstriert, dass er Herrschaft über den Stier ausübt. Danach tötet er den Stier mit einem Degenstich in den Nacken. Sollte er dies nicht zuwege bringen, wird dies als große Schande betrachtet. Sehr selten werden außergewöhnlich mutige und starke Stiere begnadigt. Das Fleisch des toten Tieres wird verkauft und den Erlös erhalten traditionell charitative Einrichtungen.
Das Publikum bejubelt den Matador und gibt durch geschwenkte Taschentücher darüber Auskunft, ob es dem Torero als Zeichen der Ehre zugesteht, eine Ehrenrunde durchzuführen. Als besondere Trophäe kann der Matador ein Ohr, beide Ohren oder gar beide Ohren und den Schwanz des Stieres als Trophäe erhalten. Eine schlechte Vorstellung des Matadors wird vom Publikum unter anderem mit dem Wurf der (gemieteten) Sitzkissen in die Arena quittiert. Auch dem Stier wird Ehre zuteil, wenn er besonders angriffslustig, und in seiner Kondition außergewöhnlich ausdauernd war. Hierbei wird das tote Tier mit Pferden oder Eseln in einem großen Bogen durch den Ring geschleift.
Im April 2004 hat der Stadtrat von Barcelona eine Resolution verabschiedet, worin der Stierkampf als "grausame Praxis" bezeichnet wird. Die Regierung von Katalonien (zu dem Barcelona gehört) wurde aufgefordert, diese zu verbieten. Barcelona verfügt über zwei Stierkampfarenen, von denen eine außer Betrieb ist.
Stierkampf in Frankreich (Courses de taureaux)
In Südfrankreich finden ebenfalls Stierkämpfe statt, die nach den Regeln des spanischen Stierkampfes stattfinden. In über 60 südfranzösischen Städten finden Stierkämpfe statt, bei denen die Stiere getötet werden. Stierkämpfe spanischer Art sind in Frankreich sehr umstritten und werden mehrheitlich von der Bevölkerung als Tierquälerei abgelehnt. Das französische Tierschutzgesetz verbietet zwar Quälerei von Tieren, lässt aber die Corrida als Ausnahme zu. In der französischen Nationalversammlung wird z.Zt. eine Änderung des widersprüchlichen Gesetzes vorbereitet.
Außerdem gibt es in Südfrankreich Stierkämpfe, bei denen der Stier nicht getötet wird und die nach regionalen Regeln abgehalten werden, veranstaltet. Diese werden in der Provence und im Languedoc "courses camarquaises" und in der Gegend um Bordeaux "courses landaises" genannt.
Bei diesen Varianten des Stierkampfes wird dem Stier eine cocarde (Quasten und Bänder) zwischen den Hörnern befestigt. Die Razeteurs (Stierkämpfer) versuchen mit einem Haken, dem so genannten Razet, dem Stier die Kokarde zu entreißen. Die Stiere der extra für diese Kämpfe gezüchteten Camargue-Rasse sind klein und wendig und werden lange trainiert, bevor sie erstmals die Arena betreten.
Hochburg der provenzalischen und camarguischen Stierkämpfe sind die Arenen in Arles und Nîmes. Obwohl auch dort viele Stierkämpfe nach spanischer Art stattfinden. Bei verschiedenen lokalen Veranstaltungen in den südlichen Provinzen Frankreichs kann die Geschicklichkeit der Stiere und der weißgekleideten Razeteurs bewundert werden.
Märchen vom roten Tuch
Die Stiere reagieren nicht (wie fälschlicherweise von vielen behauptet) aggressiv auf die Farbe rot, sondern "nur" auf die schnellen Bewegungen, die mit dem Tuch gemacht werden. Stiere, wie alle Rinder, haben keine Sehzäpfchen für rotes Licht und sind dementsprechend "rot-farbenblind". Trotzdem wird immer wieder gerätselt, warum die "Tücher" rot, oder rötliche Farben haben. Allerdings nehmen manche Wissenschaftler an, dass die Lichtfrequenz der Farbe rot einen Teil dazu beiträgt, dass der toro de lidia (Kampfstier) darauf aufmerksam wird.
Kritik am Stierkampf
Für viele Menschen stellt der Stierkampf eine unnötige, grausame und archaische Tierquälerei dar. Stierkampfbefürworter halten dem oft entgegen, dass Kampfstiere nur eine kurze Zeit in der Arena leiden, wogegen sie ihr ganzes Leben artgerecht im Freiland verbringen, was für die meisten Zuchttiere (seien es Kühe, Schweine oder Hühner) nicht zutrifft. Wieweit das Wort "leiden" zutrifft, ist höchst umstritten. Der Adrenalinausstoss eines Kampfstiers ist nämlich dermassen hoch, dass man ohne weiteres von einer "Schmerzlosigkeit" ausgehen kann. Kampfstiere sind eine eigenständige Rasse innerhalb der Rinderfamilie, die ohne den Stierkampf ausgestorben wäre. Ein weiteres Argument für die Beibehaltung der Corrida de toros ist ihr Anteil an der kulturellen Identität Spaniens.