Bruno Baum

Bruno Baum (* 13. Februar 1910 in Berlin; † 13. Dezember 1971 in Potsdam) war deutscher KPD- und SED-Funktionär sowie KZ-Häftling im Nationalsozialismus.
Leben
Jugend
Baum war Sohn eines jüdischen Schneiders und Büglers. Von 1916 bis 1924 besuchte er eine jüdische Knabenschule in Berlin und lernte danach bis 1928 als Elektriker. Diesen Beruf übte er 1929/1930 aus. Er war Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes und trat 1926 der KJVD, Rote Jungfront, bei. 1927 wurde er Mitglied der KPD, trat im Jahr darauf aus der jüdischen Gemeinde aus und besuchte die KJVD-Verbandsschule (Rosa-Luxemburg-Schule) in Dresden. 1929 wurde er Mitglied des Roten Frontkämpferbundes (RFB) und Unterbezirksleiter sowie Gauführer der Roten Jungfront Berlin-Brandenburg. Wiederholt inhaftiert, verurteilte man ihn 1931 wegen Weiterführung des RFB zu einem Monat Gefängnis.
Zwischen 1933 und 1934 war er Leiter des KJVD-UB Berlin-Friedrichshain und Instrukteur bei Siemens. Ab Ende 1934 besuchte er für ein Jahr die Internationale Lenin-Schule in Moskau und arbeitete danach illegal unter den Decknamen „Fritz Anders“ und „Walter Schwarz“ zusammen mit Gerhard Rolack, Erich Honecker und Kurt Hager.
Verurteilung und Widerstand
Am 4. Dezember 1935 wurde Baum zusammen mit Honecker und Edwin Lautenbach verhaftet. Baum verbrachte 18 Monate in Untersuchungshaft in Plötzensee, der heutigen Justizvollzugsanstalt Plötzensee. In der Verhandlung am 7./8. Juni 1937 wurde er vor dem zweiten Senat des Volksgerichtshofes auch durch die Aussagen Honeckers über seine Funktion im KJVD [1] wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu 13 Jahren verurteilt. Honecker erhielt im selben Prozess eine zehnjährige Haftstrafe. Von 1937 bis 1943 war Baum im Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaftiert, danach bis Januar 1945 im KZ Auschwitz und zuletzt im KZ Mauthausen.
Im Stammlager des KZ Auschwitz arbeite Baum als Elektriker der „neuen Wäscherei“ und hatte dadurch relative Bewegungsfreiheit im Lager. Baum trat ab Sommer 1944 für Ernst Burger, der seine Flucht vorbereitete, in eine Dreiergruppe ein, die weiter aus den polnischen Sozialisten Józef Cyrankiewicz und Zbigniew Raynoch bestand. Als auch Raynoch zu fliehen gedachte, kamen zwei österreichische Kommunisten hinzu: Heinz Dürmayer, der spätere Lagerälteste im Stammlager sowie Ludwig Soswinski. Die Kampfgruppe Auschwitz unterhielt ein Organisationsnetz zu anderen Arbeitskommandos um Nachrichten zu sammeln.
Durch Kontakt zu Polen um Witold Pilecki, die über Kurzwelle aus dem Lager und aus Krakau nach London sendeten, übermittelte die Gruppe Nachrichten nach Westeuropa. Diese wurden jedoch erst mit der Eröffnung der zweiten Front am 6. Juni 1944 (D-Day) von den Alliierten propagandistisch verwertet. Die Gruppe bildete eine „Redaktionskommission“ bestehend aus Arpad Haasz und Otto Heller, die Aufsätze dafür schrieben. Baum redigierte die Artikel in seiner Werkstatt und gab sie an Cyrankiewicz weiter. Zweimal wöchentlich wurden die Informationen gesendet. In Krakau erschien, laut Baum, das im Lager geschriebene Auschwitzer Echo, das die Bevölkerung über das Konzentrationslager und die polnische Untergrundbewegung informieren sollte. Baum teilte mit, dass aufgrund dieser Veröffentlichungen im Herbst 1944 die Vergasungen von Menschen eingestellt und die Anlagen demontiert wurden.
Am 18. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz evakuiert und Baum ins KZ Mauthausen verbracht,[2] welches am 5. Mai 1945 durch US-Truppen befreit wurde.
DDR
Nach 1945 war Baum Sekretär für Kultur und Erziehung der KPD-Bezirksleitung und politischer Mitarbeiter der Abteilung Schulung des Zentralkomitees der KPD. 1946 bis 1951 war er Mitglied der Landesleitung der KPD und, nach Vereinigung mit der SPD am 22. April 1946, Mitglied der Berliner SED-Bezirksleitung. Ab 1949 war er für zwei Jahre Stadtrat für Wirtschaft beim Magistrat Groß-Berlin, der Stadtverwaltung Ost-Berlins. Danach wurde er Sekretär der SED-Bezirksleitung Groß-Berlin und verblieb in dieser Funktion bis 1959. Als Parteifunktionär der DDR war Baum 1952 an der Planung der Stalinallee in Berlin beteiligt. Das Preisgericht favorisierte den Entwurf Egon Hartmanns.
Im Frühjahr 1953, nach dem Tod Stalins und in Vorbereitung von Walter Ulbrichts 60. Geburtstag, fordert Baum eine „freiwillige“ Steigerung der Arbeitsnorm um 10% bei gleichzeitiger Reallohnsenkung um 30 %. Obwohl am 14. Juni im Neuen Deutschland das Ende der „Holzhammermethoden“ Baums gefordert wurde, hielt die SED an den Normen fest. Baum stufte jeden Protest als „klassenfeindlich“ ein.[3] [4] Drei Tage darauf kam es zum Aufstand vom 17. Juni.
1957 wurde Baum Abgeordneter der Volkskammer und im Jahr darauf ZK-Mitglied der SED. Aus dem Zentralkomitee wurde er vermutlich entfernt, denn für kurze Zeit war er Bereichsleiter im Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI) und ab 1960 Mitglied der Parteibezirksleitung Potsdam. Dort wurde er Sekretär für Wirtschaft und leitete das Büro für Industrie und Bauwesen. Bis 1963 studierte Baum Elektrotechnik an der Ingenieurhochschule für Starkstromtechnik in Velten-Hohenschöpping. 1964 war er Mitglied des reorganisierten Antifa-Komitees. Baum starb 1971 in Potsdam.
Die drei verschiedenen Versionen seines Buches "Widerstand in Auschwitz" zwischen 1949 und 1962 spiegeln auf kleinem Raum, auch unabhängig von den Eigenheiten der Person Baums, wie der Kalte Krieg die Erinnerung an das Vernichtungslager in der offiziellen Rhetorik veränderte, durch Weglassen und Hinzufügen von Namen. Es zeigt weiter, wie eine theoretische Engführung des Nationalsozialismus, allein als eine Sache der "Monopole" anstelle eines Projektes der meisten Deutschen, die Geschichte verfälscht.
Auszeichnungen
- Vaterländischer Verdienstorden 1955, 1960, 1970
- Banner der Arbeit 1960
- Karl-Marx-Orden 1965
Baums Urne wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt.
Nach ihm wurden in der DDR zahlreiche Straßen und Schulen benannt, deren Bezeichnung zum Teil bis heute besteht. Z.B. wurde 1979 in Berlin-Marzahn der nördliche Teil der Marzahner Chaussee in Bruno-Baum-Straße umbenannt.
Nachwirkungen
Der ehemalige österreichische Auschwitzhäftling Hermann Langbein, der sich ab Mitte der 1950er Jahre von der KPÖ distanzierte, sieht Baums Ausführen in dessen Publikation Widerstand in Auschwitz kritisch. Langbein gehörte ebenso wie Burger, Cyrankiewicz, Raynoch, Soswinski und Dürmayer der „Kampfgruppe Auschwitz“ an[5]. Nach Durchsicht der insges. 3 Ausgaben von Baums Buch fiel Langbein auf, dass einige Häftlinge aus dem Lagerwiderstand, die in der ersten Ausgabe 1949 genannt sind, in der Ausgabe 1962 nicht mehr auftauchen[6] Wiederum erscheinen in der Auflage von 1962 Personen, die in der Erstausgabe 1949 noch nicht vorkommen[7]. Langbein führt das darauf zurück, dass diese beiden Mitkämpfer im Lagerwiderstand sich in der Nachkriegszeit vom Kommunismus abgewendet und dadurch die Gunst der SED verloren hatten.[8]
Baum schrieb in Widerstand in Auschwitz (1962): Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass der größte Teil der um diese Zeit überall in der Welt verbreiteten Veröffentlichungen über Auschwitz von uns stammten... Bis zum letzten Tage unseres Aufenthalts in Auschwitz informierten wir auf diese Weise die Weltöffentlichkeit. Diese Aussage nutzen Holocaustleugner heute, um die bekannten Schilderungen der Haftumstände in Auschwitz in Frage zu stellen, indem sie sie als „kommunistische Propaganda“ bezeichnen. Tatsächlich geben sie jedoch nur her, dass Baum großmäulig dem kommunistischen Widerstand ("wir") eine Führungsrolle zuschreiben wollte, wie die KPD sie seit der Weimarer Zeit innerhalb der Arbeiterklasse beanspruchte. Seine Aussage richtet sich vor allem gegen national-polnische und organisierte jüdische Widerstandsformen im Lager. Die historisch korrekte Gewichtung ist naturgemäß angesichts der Quellen schwierig, da diese fast ausschließlich aus den publizierten Erinnerungen von Betroffenen bestehen.[9]
In der erweiterten Version von "Widerstand in Auschwitz" von 1957/1962 gibt es ein Kapitel "J. A. Topf & Söhne"[10] im Kapitel "Die wahren Schuldigen an den Verbrechen in Auschwitz sind die deutschen Konzerne" [11]. Baum gibt hier keinen Firmensitz für die Fa. Topf an, der bis 1945 in Erfurt (derzeit: DDR) lag. Er trug damit u.a. dazu bei, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Firma, deren Name inzwischen von den Ofenklappen-Bildern aus den Krematorien weltweit bekannt war, in der DDR nicht thematisiert wurde, und dass die zahlreichen am Bau der Gaskammern beteiligten Firmenmitarbeiter aus Erfurt, von denen etliche inzwischen zu SED- und Polizei-Kadern vor Ort aufgestiegen waren, sich unbeschwert ihrem angeblichen "Antifaschismus" gegen die Kriegsverbrecher in der BRD widmen konnten.
Werke
- Weg mit der B-Mark. SED, Landesvorstand Groß-Berlin. Nr. 11, 1948
- Widerstand in Auschwitz. Bericht der internationalen antifaschistischen Lagerleitung 1. Aufl.: VVN-Verlag, Potsdam 1949 (55 Seiten; Frontispiz: Josef Cyrankiewicz);
- Erw. Neuausgabe, gleicher Ober-Titel: (genannt 1. Aufl.) Kongress, Berlin 1957 (108 & 4 S.); 2. bearb. Aufl. ebd. 1962 (110 S.) [12]
- Sozialistischer Wettbewerb an der Stalinallee. Hg. SED, Berlin 1952
- Die letzten Tage von Mauthausen. Deutscher Militärverlag, Berlin 1965
Literatur
- Bruno Baum, Häftlings-Nummer 118 359 in: IG-Farben - Auschwitz - Massenmord. Hg. Arbeitsgruppe der ehemaligen Häftlinge des KZ Auschwitz beim Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR, Berlin 1964
- SBZ-Biographie 1961 Hg. Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, S. 26f.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ http://www.bstu.bund.de/nn_713334/DE/MfS-DDR-Geschichte/Einzelthemen/Themenarchiv/Roter-Koffer/Ermittlungen-1989-90-/ermittlungen-1989-90-__node.html
- ↑ Bruno Baum: Widerstand in Auschwitz, Kongress-Verlag Berlin. 2.Auflage 1962
- ↑ http://www.hdg.de/index.php?id=1670&L=2
- ↑ http://www.stern.de/politik/historie/index.html?id=508706&p=2&nv=ct_cb
- ↑ Baum verwendet das Wort "Kampfgruppe A." ausdrücklich nicht, es muss von jemand anders stammen
- ↑ nämlich Langbein selbst und Heinz Brandt, ferner der 1948 hingerichtete Witold Pilecki, der aber auch 1949 nicht namentlich genannt, sondern als "Kavallerieleutnant" bezeichnet. Es ist eindeutig, wen er meint. Pilecki gehörte zu den wichtigen Funkern von der ZOW im KZ.
- ↑ im wesentlichen Personen, die es inzwischen in der DDR zu etwas gebracht hatten, z.B. Hermann Axen
- ↑ Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt 1980, S. 22
- ↑ Baum, Widerstand, 1949 S. 32f & 1962, S. 87. Mittel zur Veröffentlichung waren insbes. je ein Kurzwellensender im Lager nach Krakau und von dort nach London. Baum redet hier allgemein von "polnischen Kameraden" als den Beteiligten. Da er sonst versucht, noch das allerkleinste Ruhmesblatt für die Kommunisten zu verbuchen, ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die Funker Nationalpolen, er nennt sie sonst "Rechte", oder Juden waren. Zumindest technisch stimmt seine Angabe also nicht. Inhaltlich könnte das "von uns stammten" sich auf die Redaktion der Sendungen beziehen, welche seine Gruppe vornahm, wie er ausführlich beschreibt. Es gab vermutlich aber noch mehrere andere Zulieferer an den Krakauer Sender. Cyrankiewicz, der die Verbindung zum Sender Krakau hielt, war zu dieser Zeit zur Zusammenarbeit mit Jedermann bereit, was man kaum kritisieren kann.
- ↑ S.55f.
- ↑ Topf war beileibe kein "Konzern", sondern gehörte als Einzel-Firma zwei Brüdern und bis 1941 partiell dem OberIng. Prüfer, sie hatte wenige hundert Mitarbeiter. Die SED-KPdSU-Theorie des "staatsmonopolistischen Kapitalismus" dieser Zeit verlangte jedoch, dass nur Konzernherren Verbrecher sein konnten
- ↑ die Neuausgabe enthält bis S. 64 eine neue, allgemeine Darstellung, insbes. über die Mitwirkung von Industriellen (genannt "Monopole" usw, im typischen DDR-Slang der Zeit) und Ärzten an den Auschwitz-Verbrechen. Ab S. 65 folgt ein Kap. "Widerstand in Auschwitz", eine variierte Version der 1949er Auflage. Der Untertitel ist jetzt entfallen. Mit Fotos aus Auschwitz
- ↑ in seinem Auschwitz-Buch von 1949. Baum hatte eine herablassend-chauvinistische Haltung zu den Juden vor Ort
Personendaten | |
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NAME | Baum, Bruno |
ALTERNATIVNAMEN | Anders, Fritz; Schwarz, Walter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher KPD-Funktionär, SED-Funktionär und Mitglied des Zentralkomitees |
GEBURTSDATUM | 13. Februar 1910 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 13. Dezember 1971 |
STERBEORT | Potsdam |