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Justizvollzugsanstalt Celle

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JVA Celle (Wachturm)

Die Justizvollzugsanstalt Celle (kurz JVA Celle) ist die Haftanstalt mit der höchsten Sicherheitsstufe in Niedersachsen und ein sogenanntes Hochsicherheitsgefängnis.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Gefängnismauer vom gegenüberliegenden Allerufer aus gesehen

In die JVA Celle werden zentral für ganz Niedersachsen alle männlichen, erwachsenen Gefangenen eingewiesen, in deren Urteil auf lebenslange Freiheitsstrafe, oder eine zeitige Freiheitsstrafe von über 14 Jahren erkannt wurde, oder gegen die die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Außerdem besteht ein Vollstreckungsabkommen mit dem Bundesland Bremen, wonach auch Bremer Gefangene mit einer lebenslangen Strafe oder Sicherungsverwahrung in der JVA Celle untergebracht werden. Verurteilte mit Freiheitsstrafen bis zu 14 Jahren werden gemäß dem aktuellen Einweisungs- und Vollstreckungsplan des Bundeslandes Niedersachsen vom 31. Juli 2007 nicht mehr in die JVA Celle eingewiesen. Vor Inkrafttreten dieses Einweisungs- und Vollstreckungsplans aus Anlass der Fertigstellung der Justizvollzugsanstalt Rosdorf (bei Göttingen) als letztem der drei niedersächsischen Gefängnisneubauten (JVAen Oldenburg, Sehnde, Rosdorf) war die JVA Celle für den Vollzug von Freiheitsstrafen ab 10 Jahre zuständig.

Organisatorisch ist der JVA Celle die Justizvollzugsanstalt Salinenmoor (JVA Celle, Abt. Salinenmoor) angegliedert, in der kürzere Freiheitsstrafen vollzogen werden und auch offener Vollzug praktiziert wird.

Belegungsfähigkeit

Die JVA Celle verfügt über 477 Haftplätze (Hauptanstalt 228, die Abteilung Salinenmoor 249) (Stand 1. Januar 2008) und mit 367 Mitarbeitern im Vollzugs-, Sozial- und Werksdienst über das zahlenmäßig beste Verhältnis zwischen Gefangenen und Bediensteten aller JVAen in Niedersachsen.

Geschichte

Die Anstalt um 1800
Das "Werck- Zucht- und Tollhaus", kolorierte Bleistiftzeichng., 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die Haftanstalt entstand 1710 unter der Bezeichnung „Werck-, Zucht- und Tollhaus“. Zu dieser Zeit lag sie noch etwa einen Kilometer außerhalb der Stadt in der Westerceller Vorstadt. Sie wurde mit dem Leitgedanken gegründet, die Gefangenen nicht mehr ihrem Schicksal zu überlassen, sondern zu erziehen. Es gab sowohl die Prügelstrafe als auch einen Gebetsplan, der penibel eingehalten werden musste. Innerhalb der Anlage befand sich eine Anstaltskirche. Im Jahre 1833 wurden alle Geisteskranken aus dem Haus nach Hildesheim verlegt. Danach war diese Anstalt ein reines Strafgefängnis. In der Folge wechselten die Bezeichnungen. Nachdem 1969 in Deutschland die Zuchthausstrafe abgeschafft wurde, erhielt die Anstalt 1972 ihren heutigen Namen JVA Celle I.

Bekannte Vorfälle

Am 21. Mai 1984 nahmen die Strafgefangenen Peter Strüdinger und Norman Kowollik mit selbstgebauten Schusswaffen einen JVA-Beamten als Geisel und erzwangen die Flucht mit einem BMW und 300.000 DM Lösegeld. Sie konnten bereits am nächsten Tag in Bremen wieder verhaftet werden, da ihr Fluchtwagen mit einem Peilsender ausgerüstet war.

Am 21. Oktober 1991 überwältigten vier Häftlinge mithilfe selbst gebastelter Waffen drei JVA-Beamte und legten ihnen mit Sprengstoff gefüllte Halskrausen um. Mit einem Fluchtwagen und zwei Millionen DM Lösegeld verließen die Täter die JVA. Am nächsten Tag gab die Polizei die Identität der Flüchtenden bekannt: Es handelte sich um Bruno Reckert, Samir El-Atrache, Ivan Jelinic und den als "extrem gefährlich" eingestuften Dirk Dettmar. Nach mehreren Autodiebstählen und Geiselnahmen konnten die vier Täter zwei Tage später wieder verhaftet werden; El-Atrache und Reckert wurden widerstandslos in Karlsruhe aufgegriffen, Jelinic und Dettmar nach einem Schusswechsel in Ettlingen.

Am 21. Mai 1995 gelang Peter Strüdinger erneut die Flucht. Mit seinem Mithäftling Günther Finneisen nahm er erneut einen JVA-Beamten als Geisel und erzwang erneut die Flucht aus der Haftanstalt. Diesmal flüchtete er mit einem Porsche und 200.000 DM Lösegeld. Erst nach 51 Stunden gelang es der Polizei, die beiden Entflohenen in Osnabrück wieder zu verhaften.

Am 26. Februar 1996 fesselte, knebelte und vergewaltigte der wegen Mordes und Vergewaltigung einsitzende Häftling Holger Möhlenbein seine 40-jährige Sozialarbeiterin während eines Beratungsgesprächs in der Anstalt Salinenmoor. Der mit einem Messer und einer Schere bewaffnete Täter drohte die Frau danach umzubringen, weshalb sich die Gefängnisdirektorin als Ersatzgeisel anbot und den Täter überreden konnte, die Beschäftigte freizulassen. Möhlenbein mißhandelte sie in gleicher Weise, ehe er einen Fluchtwagen und Lösegeld forderte. Erst nach viereinhalb Stunden konnte der Täter zur Aufgabe überredet werden. In der Zelle Möhlenbeins, über den bereits Sicherungsverwahrung verhängt worden war, fanden die Beamten noch 20 weitere Messer.


Bekannte Gefangene

Vor 1950

Nach 1950

Politaffäre um das Celler Loch

Am 25. Juli 1978 war die JVA Celle Schauplatz eines vom Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der GSG 9 inszenierten Sprengstoffanschlags, der unter dem Begriff Celler Loch in die Geschichte einging. Mit der Aktion sollte ein V-Mann des Verfassungsschutzes per Kontaktaufnahme über die in Celle inhaftierten Mitglieder der linksterroristischen Gruppierung RAF in diese Vereinigung eingeschleust werden. Der Plan, für den Anschlag offiziell die linksextreme Szene verantwortlich zu machen, scheiterte jedoch. Die Affäre wurde 1986 durch Presserecherchen publik und brachte den damaligen niedersächsischen Innenminister Wilfried Hasselmann in Bedrängnis.

Commons: JVA Celle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 37′ 23″ N, 10° 3′ 59″ O