Mathematik
Die Mathematik (altgr. μαθηματικη, von mathaematikae – Wissenschaft, Lernen) ist die Lehre von der Erklärbarkeit, Berechenbarkeit und Beweisbarkeit von Größenverhältnissen und -strukturen. Sie ist aus der Untersuchung von Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstanden. Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition; heute wird sie üblicherweise als eine Wissenschaft beschrieben, die selbstgeschaffene abstrakte Strukturen auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht. Mit den Grundlagen der Mathematik beschäftigt sich die Metamathematik.

Die Bausteine der Mathematik
Die grundlegenden Bausteine der Mathematik sind
1. Definitionen: Vereinbarungen zum Gebrauch der natürlichen Sprache
2. Axiome: Auffindung und konsistente Formulierungen der Grundtatsachen
3. Sätze: Logisch korrekte Ableitungen von Aussagen aus den Axiomen
4. Offenheit: Überprüfung und Erweiterung der Punkte 1 bis 3
Auf diesem Fundament beruht die gesamte Mathematik.
Geschichte
Hauptartikel: Geschichte der Mathematik
Die Mathematik ist eine der ältesten Wissenschaften überhaupt. Eine erste Blüte erlebte sie in der Antike, in Griechenland und im Hellenismus, von dort datiert die Orientierung an der Aufgabenstellung des »rein logischen Beweisens« und die erste Axiomatisierung, nämlich die euklidische Geometrie. Im Mittelalter überlebte sie unabhängig voneinander im frühen Humanismus der Universitäten und in der arabischen Welt.
In der frühen Neuzeit eröffnete R. Descartes durch die Verwendung von Koordinaten einen rechnerischen Zugang zur Geometrie. Die Beschreibung von Tangenten und die Bestimmung von Flächeninhalten ("Quadratur") führte zur Infinitesimalrechnung von G. W. Leibniz und I. Newton. Newtons Mechanik und sein Gravitationsgesetz waren auch in den folgenden Jahrhunderten eine Quelle richtungsweisender mathematischer Probleme wie des Dreikörperproblems.
Ein anderes Leitproblem der frühen Neuzeit war das Lösen zunehmend komplizierterer algebraischer Gleichungen. Zu seiner Behandlung entwickelten N. H. Abel und E. Galois den Begriff der Gruppe, der Beziehungen zwischen Symmetrien eines Objektes beschreibt. Als weitere Vertiefung dieser Untersuchungen können die Algebra und insbesondere die algebraische Geometrie angesehen werden.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts fand die Infinitesimalrechnung durch die Arbeiten von A. L. Cauchy und K. Weierstrass ihre heutige strenge Form. Die von G. Cantor gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Mengenlehre ist aus der heutigen Mathematik ebenfalls nicht mehr wegzudenken, auch wenn sie durch die Paradoxien des naiven Mengenbegriffs zunächst deutlich machte, auf welch unsicherem Fundament die Mathematik vorher stand.
Die Entwicklung der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert stand unter dem Zeichen der Abstraktion, also des Versuches, Objekte auf ihre wesentlichen Eigenschaften zu reduzieren. So entwickelte E. Noether die Grundlagen der modernen Algebra, F. Hausdorff die Topologie als die Untersuchung topologischer Räume, S. Banach den wohl wichtigsten Begriff der Funktionalanalysis, den nach im benannten Banachraum. Eine noch höhere Abstraktionsebene, einen gemeinsamen Rahmen für die Betrachtung ähnlicher Konstruktionen aus verschiedenen Bereichen der Mathematik schuf schließlich die Einführung der Kategorientheorie durch S. Eilenberg und S. Mac Lane.
Inhalte und Teilgebiete
Die folgende Aufzählung gibt einen ersten chronologischen Überblick über die Breite mathematischer Themen (siehe auch: Teilgebiete der Mathematik, Geschichte der Mathematik sowie das Portal Mathematik):
- das Rechnen mit Zahlen (Arithmetik),
- die Untersuchung von Figuren (Geometrie – vorklassische Hochkulturen, Euklid),
- das Auflösen von Gleichungen (Algebra – Tartaglia, Mittelalter und Renaissance),
- Untersuchungen zur Teilbarkeit (Zahlentheorie – Euklid, Diophant, Fermat, Leonhard Euler, Riemann),
- das rechnerische Erfassen räumlicher Beziehungen (Analytische Geometrie – Descartes, 17. Jahrhundert),
- das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten (Stochastik – Pascal, Jakob Bernoulli, Laplace, 17.–19. Jahrhundert),
- die Untersuchung von Funktionen, insbesondere deren Wachstum, Krümmung, dem Verhalten im Unendlichen und der Flächeninhalte unter den Kurven (Analysis – Newton, Leibniz, Ende des 17. Jahrhunderts),
- die Beschreibung physikalischer Felder (Differentialgleichungen, partielle Differentialgleichungen, Vektoranalysis – Leonhard Euler, die Bernoullis, Laplace, Gauß, Poisson, Fourier, Green, Stokes, Hilbert, 18.–19. Jahrhundert),
- die Perfektionierung der Analysis durch die Einbeziehung komplexer Zahlen (Funktionentheorie – Gauß, Cauchy, Weierstraß, 19. Jahrhundert),
- die Vermessung gekrümmter Flächen und Räume (Differentialgeometrie – Gauß, Riemann, Levi-Civita, 19. Jahrhundert),
- das systematische Studium von Symmetrien (Gruppentheorie - Galois, Abel, Klein, Lie, 19. Jahrhundert),
- die Aufklärung von Paradoxien des Unendlichen (Mengenlehre - Cantor, Frege, Russell, Zermelo, Fraenkel, Anfang des 20. Jahrhunderts),
- die Untersuchung von Strukturen und Theorien (Kategorientheorie).
Etwas abseits steht in dieser Aufzählung die Numerische Mathematik, die für konkrete kontinuierliche Probleme aus vielen der oben genannten Bereiche Algorithmen zur Lösung bereitstellt und diese untersucht.
Kategorisierung der Mathematik

Über die Frage, zu welcher Kategorie der Wissenschaften die Mathematik gehört, wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Im englischen und französischen Sprachraum wird Mathematik lediglich als Science eingestuft, eine weitere Differenzierung erfolgt dort in der Regel nicht.
Viele mathematische Fragestellungen und Begriffe sind durch die Natur betreffende Fragen motiviert, beispielsweise aus der Physik oder den Ingenieurwissenschaften, und die Mathematik wird als Hilfswissenschaft in nahezu allen Naturwissenschaften herangezogen. Jedoch ist sie selbst keine Naturwissenschaft im eigentlichen Sinne, da ihre Aussagen nicht von Experimenten oder Beobachtungen abhängen. Meistens gehört die Mathematik an deutschen Universitäten aber zur selben Fakultät wie die Naturwissenschaften, und so wird Mathematikern nach der Promotion in der Regel der akademische Grad eines Dr. rer. nat. verliehen.
Die Mathematik hat methodische und inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der Philosophie; beispielsweise ist die Logik ein Überschneidungsbereich der beiden Wissenschaften. Damit könnte man die Mathematik zu den Geisteswissenschaften im weiteren Sinne rechnen, aber auch die Einordnung der Philosophie ist umstritten.
Auch aus diesen Gründen wurden die Kategorien der Strukturwissenschaften bzw. Formalwissenschaften eingeführt, neben der Mathematik wird - von den Befürwortern dieser Kategorien - beispielsweise die Informatik dazu gezählt.
Sonderrolle unter den Wissenschaften

Eine Sonderrolle unter den Wissenschaften nimmt die Mathematik bezüglich der Gültigkeit ihrer Erkenntnisse ein. Während beispielsweise alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisse durch neue Experimente falsifiziert werden können und daher prinzipiell vorläufig sind, werden mathematische Aussagen durch reine Gedankenoperationen auseinander hervorgebracht oder aufeinander zurückgeführt und brauchen nicht empirisch überprüfbar sein. Dafür muss aber für mathematische Erkenntnisse ein streng logischer Beweis gefunden werden, bevor sie als mathematischer Satz anerkannt werden. In diesem Sinn sind mathematische Sätze prinzipiell endgültige und allgemeingültige Wahrheiten, so dass Mathematik als die exakte Wissenschaft betrachtet werden kann. Gerade diese Exaktheit ist für viele Menschen das Faszinierende an der Mathematik.
Anwendungsgebiete

Die Mathematik ist in allen Wissenschaften anwendbar, die ausreichend formalisiert sind. Daraus ergibt sich ein enges Wechselspiel mit Anwendungen in empirischen Wissenschaften. Über viele Jahrhunderte hinweg hat die Mathematik Anregungen aus der Astronomie, der Geodäsie, der Physik und der Ökonomie aufgenommen und umgekehrt die Grundlagen für den Fortschritt dieser Fächer bereitgestellt. Beispielsweise hat Newton die Infinitesimalrechnung entwickelt, um das physikalische Konzept "Kraft gleich Impulsänderung" mathematisch zu fassen; Fourier hat beim Studium der Wellengleichung die Grundlage für den modernen Funktionsbegriff gelegt; Gauß hat im Rahmen der Hannoverschen Landesvermessung die Methode der kleinsten Fehlerquadrate entwickelt und das Lösen von linearen Gleichungen systematisiert.
Umgekehrt haben Mathematiker zuweilen Theorien entwickelt, die erst später überraschende praktische Anwendungen gefunden haben wie die Boolesche Algebra in der Digitaltechnik oder der elektrischen Steuerungstechnik für Maschinen und Anlagen. Ein weiteres Beispiel ist das Differentialformenkalkül in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Ferner galt lange Zeit die Beschäftigung mit der Zahlentheorie als reine intellektuelle Spielerei ohne praktischen Nutzen, ohne sie wären heute allerdings die moderne Kryptographie und ihre vielfältigen Anwendungen im Internet nicht denkbar.
Siehe auch den Artikel Angewandte Mathematik.
Fortschreiten durch Problemlösen

Kennzeichnend für die Mathematik ist weiterhin die Weise, wie sie durch das Bearbeiten von "eigentlich zu schweren" Problemen voranschreitet.
Sobald ein Grundschüler das Addieren natürlicher Zahlen gelernt hat, ist er in der Lage, folgende Frage zu verstehen und durch Probieren zu beantworten: "Welche Zahl muss man zu 3 addieren, um 5 zu erhalten?". Die systematische Lösung solcher Aufgaben aber erfordert die Einführung eines neuen Konzepts: der Subtraktion. Die Frage lässt sich dann umformulieren zu: "Was ist 5 minus 3?". Sobald aber die Subtraktion definiert ist, kann man auch die Frage stellen: "Was ist 3 minus 5?", die auf eine negative Zahl und damit bereits über die Grundschulmathematik hinausführt.
Ebenso wie in diesem elementaren Beispiel beim individuellen Erlernen ist die Mathematik auch in ihrer Geschichte fortgeschritten: auf jedem erreichten Stand ist es möglich, wohldefinierte Aufgaben zu stellen, zu deren Lösung weitaus anspruchsvollere Mittel nötig sind. Oft sind zwischen der Formulierung eines Problems und seiner Lösung viele Jahrhunderte vergangen und ist mit der Problemlösung schließlich ein völlig neues Teilgebiet begründet worden: so konnten mit der Infinitesimalrechnung im 17. Jahrhundert Probleme gelöst werden, die seit der Antike offen waren.
Auch eine negative Antwort, der Beweis der Unlösbarkeit eines Problems, kann die Mathematik voranbringen: so ist aus gescheiterten Versuchen zur Auflösung algebraischer Gleichungen die Gruppentheorie entstanden.
Axiomatische Formulierung

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, vereinzelt schon seit der Antike, wird die Mathematik in Form von Theorien präsentiert, die mit Aussagen beginnen, welche als wahr angesehen werden; daraus werden dann weitere wahre Aussagen hergeleitet. Diese Herleitung geschieht dabei nach genau festgelegten Schlussregeln. Die Aussagen, mit denen die Theorie anfängt, nennt man Axiome, die daraus hergeleiteten nennt man Sätze. Die Herleitung selbst ist ein Beweis des Satzes. In der Praxis spielen noch Definitionen eine Rolle, sie gehören aber zum Handwerkszeug der Logik, das vorausgesetzt wird. Aufgrund dieses Aufbaus der mathematischen Theorien bezeichnet man sie als axiomatische Theorien.
Im allgemeinen verlangt man dabei von Axiomen einer Theorie, dass diese widerspruchsfrei sind, also dass nicht gleichzeitig ein Satz und die Negation dieses Satzes wahr ist. Diese Widerspruchsfreiheit selber lässt sich aber nicht innerhalb einer mathematischen Theorie beweisen. Dies hat zur Folge, dass es immer noch nicht geklärt ist, ob die Mengenlehre, und damit die ganze Mathematik, widerspruchsfrei ist. Es gab schonmal Anfang des 20. Jhdt. Widersprüche in der damaligen Mengenlehre, welche erst durch Zermelo und Fraenkel beseitigt werden konnten. (Russellsche Antinomie)
Die von diesen Theorien behandelten Gegenstände sind abstrakte mathematische Strukturen, die ebenfalls durch Axiome definiert werden. Während in den anderen Wissenschaften die behandelten Gegenstände vorgegeben sind und danach die Methoden zur Untersuchung dieser Gegenstände geschaffen werden, ist bei der Mathematik umgekehrt die Methode vorgegeben und die damit untersuchbaren Gegenstände werden erst danach erschaffen. In dieser Weise nimmt und nahm die Mathematik immer eine Sonderstellung unter den Wissenschaften ein.
Die Weiterentwicklung der Mathematik geschah und geschieht dagegen oft durch Sammlungen von Sätzen, Beweisen und Definitionen, die nicht axiomatisch strukturiert sind, sondern vor allem durch die Intuition und Erfahrung der beteiligten Mathematiker geprägt sind. Die Umwandlung in eine axiomatische Theorie erfolgt erst später, wenn weitere Mathematiker sich mit den dann nicht mehr ganz so neuen Ideen beschäftigen.
Allerdings sind der Axiomatisierung der Mathematik auch Grenzen gesetzt, Kurt Gödel zeigte um 1930 in dem nach ihm benannten Unvollständigkeitssatz, dass es wahre Aussagen in jedem mathematischen Axiomensystem gibt, die nicht innerhalb dieses Systems bewiesen werden können.
Mathematik als menschliche Tätigkeit
Auch nichtmenschliche Lebewesen, speziell Tiere sind in begrenztem Umfang fähig, mathematische Leistungen zu erbringen. siehe auch: Phylogenese mathematischer Fähigkeiten
Mathematik als Schulfach
Mathematik spielt in der Schule eine zentrale Rolle. Die für die Schule relevanten Inhalte werden in Mathematik in der Schule ausführlich behandelt. Mathematikdidaktik ist die Wissenschaft, die sich mit dem Unterrichten von Mathematik beschäftigt.
Mathematik als Studienfach und Beruf
Traditionell ist der älteste mathematische Beruf das Lehramt an höheren Schulen und Hochschulen.
Menschen, die sich beruflich mit der Entwicklung und der Anwendung der Mathematik beschäftigen, nennt man Mathematiker.
Neben dem Diplommathematikstudium, in dem man seine Schwerpunkte auf die reine und/oder angewandte Mathematik setzen kann, sind neuerdings die spezialisierten Studiengänge Technomathematik, Wirtschaftsmathematik und Computermathematik eingerichtet worden.
Zitate
- Do not worry about your difficulties in mathematics; I can assure you that mine are still greater. Albert Einstein
- Jede Wissenschaft bedarf der Mathematik, die Mathematik bedarf keiner. Jakob I. Bernoulli
- Erstaunlich und entzückend ist die Macht zwingender Beweise, und so sind allein die mathematischen geartet. Galileo Galilei
- Mathematics may be defined as the subject in which we never know what we are talking about, nor whether what we are saying is true. Bertrand Russell
Literatur
- Hans Kaiser, Wilfried Nöbauer: Geschichte der Mathematik. DE: ISBN 3-486-11595-2 Ö: ISBN 3-209-02212-7
- Richard Courant, Herbert Robbins: Was ist Mathematik?. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000 ISBN 354063777X
- Glaeser, Georg: Der Mathematische Werkzeugkasten. Elsevier - Spektrum Akademischer Verlag, 2004. ISBN 3-8274-1485-7.
Weblinks
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- "5 Minuten Mathematik" Regelmäßige Kolumne des Mathematikprofessors Ehrhard Behrends zur Popularisierung der Mathematik
- Interaktive Programme zu einer Vielzahl mathematischer Problemstellungen]
- Zeugnisse über Mathematik
- webmath.com - solve your math problem Hervorragende englischsprachige Seite mit Berechnungsprogrammen zu unzähligen Problemen und deren Lösungswegen!
- matheplanet
- Mathematik-Wissen.de Mathematik für Schüler
- Mathewiki von ZUM.de Mathematik für Lehrer
- Zentralblatt für Mathematik: MATH-Datenbank
- Images of Some Famous Mathematical Works (Bilder berühmter mathematischer Werke)