Ernst Blass
Ernst Blass (Pseudonyme: Daniel Stabler, Erich Sternow) * 17. Oktober 1890 in Berlin; † 23. Januar 1939 ebd.; bedeutender frühexpressionistischer Dichter, Kritiker und Schriftsteller.
Ernst Blass stammte aus einer jüdischen Fabrikantenfamilie. Er besuchte das Gymnasium in Berlin, wo er 1908 sein Abitur ablegte. Anschließend begann er auf Wunsch der Eltern an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität Jura zu studieren. Seine literarischen Interessen fanden im Neuen Club von Kurt Hiller mit vor allem Georg Heym und Jakob van Hoddis lebhaften Widerhall, mit denen er alsbald "das Terzett der bedeutenden Dichter im Club bildete" (Hippen). Veröffentlichungen von Gedichten in den wichtigsten Zeitschriften des literarischen Frühexpressionismus wie Die Aktion und Der Sturm folgten. Nachdem Hiller Anfang 1912 mit der Publikation seiner provokativ als "rigorose Sammlung radikaler Strophen" vorgestellten Anthologie Der Kondor, die 97 Gedichte von 14 Autoren enthielt und von Blass allein ein Dutzend, bereits erhebliches Aufsehen erregt hatte, gelang Blass selbst mit seinem kurz darauf ebenfalls im Verlag von Richard Weissbach in Heidelberg verlegten Gedichtband Die Straßen komme ich entlang geweht der Durchbruch.
Im Frühjahr 1913 wechselte er zum Abschluss seines Studiums zwar an die Universität in Heidelberg, wo er in das von Friedrich Burschell eindrücklich beschriebene Haus Brückenstraße Nummer 1 zog zu dem ihm aus dem Berliner Kreis bekannten Psychologen und Psychiater Arthur Kronfeld, dem er eins seiner Gedichte von Trennung und Licht gewidmetet hat. Doch begann Blass hier alsbald mit der Vorbereitung einer literarisch-philosophischen Monatszeitschrift, die er mit dem Titel Die Argonauten Anfang 1914 bei Weissbach herauszugeben begann und in der er neben eigenen Gedichten Beiträge von so unterschiedlichen Autoren wie Burschell, Kronfeld, Ernst Bloch, Leonard Nelson, Max Scheler, Gustav Radbruch, Walter Benjamin, Franz Werfel, Robert Musil aufnahm. Der Krieg machte jedoch alles zunichte, so dass Blass 1915 seine Promotion abschloß und nach Berlin zurückkehrte, wo er bis 1920 als Archivar bei der Dresdner Bank angestellt war. Danach wechselte er zum Journalismus und wurde als Theater- und Filmkritiker für verschiedene Berliner Zeitungen tätig. Ab 1924 arbeitete er zusätzlich als Lektor im Paul-Cassirer-Verlag.
1926 begann sein tuberkulöses Augenleiden, das im Laufe der Jahre zu fast vollständiger Erblindung führte. Mit Beginn des Dritten Reiches wurden seine Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten immer eingeschränkter. Schließlich verstarb Blass verarmt in einem jüdischen Krankenhaus an den Folgen einer lange unerkannt gebliebenen Lungentuberkulose; sein Tod blieb selbst in Exilkreisen weitgehend unbeachtet.
Ernst Blass hat mit seinem expressionistischen Gedichtband Die Straßen komme ich entlang geweht das Leben in der modernen Großstadt in all seinen Facetten in die deutsche Lyrik eingeführt. Seinen Wechsel zu einem neoklassischen Stil unter dem Einfluss des George-Kreises in Heidelberg begegneten seine Berliner Freunden mit Reserve. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre fand er in seiner Lyrik dann aber Anschluss an die Strömung der Neuen Sachlichkeit. Ungewöhnlich ist, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg als bedeutender Autor des Frühexpressionismus kaum mehr zur Kenntnis genommen wurde; die erst 1980 veranstaltete Gesamtausgabe seiner Gedichte blieb eine Ausnahme.
Werke
- Die Straßen komme ich entlang geweht. Heidelberg 1912
- Die Gedichte von Trennung und Licht. Leipzig 1915
- Die Tötung des Verlangenden (§ 216 RStGB). Heidelberg 1916
- Die Gedichte von Sommer und Tod. Leipzig 1918
- Über den Stil Stefan Georges. Heidelberg 1920
- Der offene Strom. Heidelberg 1921
- Das Wesen der neuen Tanzkunst. Weimar 1921, ²1922
- Der paradiesische Augenblick. 1930 (unter dem Namen Daniel Stabler)
- Die Straßen komme ich entlang geweht - Sämtliche Gedichte Herausgegeben und mit einem Nachwort von Thomas B. Schumann. München 1980
Herausgeberschaft
- Die Argonauten, Heidelberg 1914 – 1915
Übersetzungen
- George Gordon Noel Byron: Kain, Berlin 1938
Literatur
- Sabina Becker: Ernst Blass. in: "Metzlers Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart", hrsg. von Andreas B. Kilcher, Stuttgart 2000, S. 70-72, ISBN 3-476-01682-X.
- Friedrich Burschell: Erinnerungen 1889-1919. hrsg. von Roland Krischke. Ludwigshafen 1997 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein Band 23) ISBN: 3-924667-27-6
- Reinhard Hippen: Erklügelte Nervenkultur - Kabarett der Neopathetiker und Dadaisten. Zürich 1991, ISBN 385842205-3
- Angela Reinthal: "Wo Himmel und Kurfürstendamm sich berühren". Studien und Quellen zu Ernst Blass. Mit einer umfangreichen Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur. Oldenburg 2000, ISBN 3-89621-112-9.
- Angela Reinthal: 'Aber Paul Ernst kann man schätzen' - Zur Rezeption Paul Ernsts bei Ernst Blass. in: Hans Thomé (Hrsg.): "Paul Ernst. Außenseiter und Zeitgenosse, Würzburg 2002, S. 205-216, ISBN 3-8260-2200-9.
- Thomas B. Schumann: Nachwort zu Ernst Blass: 'Die Straßen komme ich entlanggeweht'. Sämtliche Gedichte. Hrsg. von Th.B. Schumann, München 1980, S. 163-182, ISBN 3-446-13139-6.
- Thomas B. Schumann: Funkeln zwischen Stahl und der Blume Viola. Leben und Werk des Expressionisten Ernst Blass (1890-1939). in: Th.B. Schumann: "Asphaltliteratur. 45 Aufsätze und Hinweise zu im Dritten Reich verfemten und verfolgten Autoren", Berlin 1983, S. 31-45, ISBN 3-88220-152-5.
Weblinks
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Sternow, Erich |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
| GEBURTSDATUM | 17. Oktober 1890 |
| GEBURTSORT | Berlin |
| STERBEDATUM | 23. Januar 1939 |
| STERBEORT | Berlin |