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Herrschaft

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Herrschaft ist sozialwissenschaftlich nach dem deutschen Soziologen Max Webers wie folgt definiert: "Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden". Im Unterschied zu seiner Definition der Macht (die er als soziologisch amorph, also formlos bezeichnet) setzt Herrschaft ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit voraus; sie ist eine institutionalisierte Form von Über- und Unterordnung (Subordination), die jedoch keinerlei hierarchische Strukturen voraussetzt.

Dadurch, dass Weber ein Minimum an Gehorsam voraussetzt, widerspricht seine Definition der von Karl Marx, dessen Herrschaftsbegriff auf Macht basierte.

Oppenheimer meinte mit Herrschaft die Beziehung zwischen zwei rechtsungleichen sozialen Klassen; er unterscheidet zwischen Herrschaft als - er folgte darin Otto von Gierke - vertikaler Sozialbeziehung und der Genossenschaft als horizontaler Beziehung.

Herrschaft (Geschichtswissenschaftlich): Ausübung der Macht über Untergeordnete und Abhängige durch Machtmittel. Im klassischen Sinne ist Herrschaft nur legitim, wenn über dem Herrscher und dem Beherrschten stehenden Rechte zur Machtausübung eingehalten werden. Der Ursprung der Herrschaft ist in der germanischen HausHerrschaft (Gewalt des Hausherrn über die Hausgenossen) zu suchen, aus dieser entwickelte sich die GrundHerrschaft. Der Ausübende der Herrschaft war der Adel; die Königsherrschaft, die ihre Legitimität durch symbolische Rituale (Wahlen, Salbung, Krönung) und durch Herrschaftsinsignien repräsentierte, war nur eine Sonderform der Adelsherrschaft vgl. Lehnsherrschaft. Im Zeitalter der Stände ist die Macht des Herrschers durch erzwungene Herrschaftsverträge beschränkt. In der Neuzeit setzte sich die einheitliche Staatsgewalt durch. Die neuen Herrschaftsformen unterliegen einem fortlaufenden Prozess der Neuorientierung ihrer Legitimitätsgrundlage.

Typen der legitimen Herrschaft nach Max Weber

Nach Weber kann der Gehorsam als konstitutives Element der Herrschaft rein affektuell, aber auch ideell (wertrational) oder materiell (zweckrational) begründet sein. Rein idelle oder rein materielle Motive des bzw. der Gehorchenden (z. B. des Verwaltungsstabes) begründen jedoch eine lediglich labile Herrschaft, zu der ein weiteres, sie stabilisierendes Element hinzukommt: der Legitimitätsglaube.

Weber unterscheidet nun drei Idealtypen legitimer Herrschaft nach der Art ihrer Legitimation:

  • rationale / legale Herrschaft, die auf dem Glauben der an die Legalität gesetzter Ordnungen (zum Beispiel Gesetze) ruht, Beispiel: Bürokratie
  • traditionale Herrschaft, die auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und der Legitimität der durch sie Berufenen ruht, Beispiel: Patriarchat, Feudalismus
  • charismatische Herrschaft, die auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie geschaffenen Ordnung ruht. Sie versachlicht sich stets in eine rationale oder traditionale Herrschaft, Beispiel: Prophet

Der Begriff der Herrschaft wird heute in der von Weber durchgesetzten Bedeutung des legitimierten (personalen) Machtverhältnisses verstanden.

Politische Herrschaft

Politische Herrschaft besteht aus den drei Aspekten Kompetenz (Fähigkeit zur Äußerung von Befehlen), Akzeptanz (Ausmaß der Befolgung des Rechts) und Legitimität (Anerkennungswürdigkeit der Herrschaft auf Grund ihrer Werte, Regeln, der Öffentlichen Teilhabe der Entscheidungsfindung und der [[Sanktion]smechanismen).

2. Vier Ressourcen „legitimer politischer Herrschaft“:

a. Werte:

kommunikativ Verhandelte Normen die einen Rationalitätsstandards setzen.

Materieller Konsens: Konsens über die Werteinhalte der Normen.

Prozeduraler Konsens: über den Weg der Wertefindung, Transparenz, Teilhabe der Bürger.

b. Regeln:

Kodifiziertes Recht das Widerspruchsfrei ist.

Durch Integrationsprozess entstanden.

Entstehen durch kommunikatives Handeln

c. Öffentlichkeit:

Transparenz des demokratischen Diskurses. Entscheidungsfindung über gesellschaftlichen Konsens der im öffentlichen Raum stattgefunden hat (vgl. Jürgen Habermas).

Kombination der Öffentlichkeit:

1. öffentliche Amtsträger

2. Interessenverbände

3. Zivilgesellschaft

Staatsbürgerliche Kommunikation als Voraussetzung der Konsensfindung.

d. Sanktionsmechanismen:

Entscheidungskompetenz von Streitfällen (Dritte Instanz)

horizontale Vergeltungsmaßnahmen: Im Rechtsstaat unzulässig. Nur durch Judikative.

vertikale Vergeltungsmaßnahmen. Im internationalen System möglich. (vgl. WTO)

Herrschaftsformen

Herrschaft kann auch danach unterschieden werden, welche Personen oder Gruppen sie ausüben, siehe Liste der Herrschaftsformen. Dies ist abzugrenzen zu den Regierungsformen, die danach unterschieden werden, wer Träger der Staatsgewalt ist sowie den Staatsformen im engeren Sinne, die nach der Stellung des Staatsoberhauptes unterschieden werden.

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Petra Neuenhaus: Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und Herrschaft in der Moderne. ISBN 3890858201
  • Stefan Breuer: Max Webers Herrschaftssoziologie., 1991 ISBN 3593344580
  • Edith Hanke/Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung., Tübingen 2001 ISBN 3161476492
  • Hans Haferkamp: Soziologie der Herrschaft. Analyse von Struktur, Entwicklung und Zustand von Herrschaftszusammenhängen., Opladen 1983. ISBN 353121635X
  • Walter Benjamin: Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, 1965.
  • Giorgio Agamben: Homo Sacer, Torino, Giulio Einaudi, 1995 (dt.: Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Frankfurt Main 2002)
  • Giorgio Agamben: (Homo Sacer II) Quel che resta di Auschwitz, Torino, Bollati Boringhieri, 1998 (dt.: Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge. Frankfurt am Main 2003)