Rapunzel
Rapunzel ist ein Märchen (Typ 310 nach Aarne und Thompson), das in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 12 enthalten ist (KHM 12).
Inhalt
Rapunzels Mutter gelingt es in ihrer Schwangerschaft nicht, ihr Verlangen nach Feldsalat zu beherrschen, und dem Vater nicht, sich ihr zu widersetzen. Als er beim Diebstahl von Rapunzeln (Feldsalat) für sie aus dem Garten einer Zauberin ertappt wird, muss er ihr das Kind versprechen. Sie holt es sofort nach der Geburt ab. Als es zwölf Jahre ist, sperrt sie es in einem abgelegenen Turm, dessen einziger Zugang darin besteht, dass Rapunzel ihr langes Haar herunterlässt, an dem die Zauberin hinaufklettert. Die Zauberin heißt Frau Gothel.
Ein Königssohn, der durch ihren Gesang angezogen wird, belauscht sie, hört die Rufformel ("Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!"), steigt hinauf und gewinnt ihre Liebe. Als Rapunzel sich einmal verrät, wird sie geschoren und in eine Wüstenei verbannt. Die Zauberin wartet auf den Königssohn, lässt ihn an Rapunzels abgeschnittenem Haar heraufklettern und verhöhnt ihn, so dass er in seiner Verzweiflung vom Turm springt und im darunterliegenden Dornengestrüpp erblindet. Wehklagend irrt er durch die Welt, bis er zur Wüstenei gelangt und Rapunzel an ihrem Gesang wiedererkennt. Als ihre Tränen seine Augen benetzen, erhält er sein Augenlicht zurück. Er führt sie in sein Reich und beide werden mit Freude empfangen.
Werkgeschichte

"Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!" – dies ist wohl einer der bekanntesten Sätze aus der Märchensammlung der Brüder Grimm. Tatsächlich ist das Märchen französischen Ursprungs. 1698 schrieb die Hofdame Mademoiselle de la Force die Erzählung Persinette (erschienen in ihrem Buch Cabinet des Fees). Der Rumpf dieser Geschichte stammt ebenso aus dem Volksgut, wie eine weitere Quelle – Petrosinella aus dem Pentamerone von Basile (gestorben 1632). 1790 übernimmt Friedrich Schulz dieses Märchen in einen seiner Kleinen Romane. Von ihm übernahmen es die Brüder Grimm unter starker Kürzung 1812 in ihre Kinder- und Hausmärchen als Nr. 12. Dort erfuhr die als anstößig empfundene Version in späteren Ausgaben mehrere Änderungen: Anstatt durch ihre Schwangerschaft ("meine Kleiderchen passen mir nicht mehr") verrät sich Rapunzel jetzt unverfänglich "Sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen als den jungen Königssohn". Auch die Heiratserklärung wurde später, wohl als Legitimation, eingefügt.[1] Die Anmerkungen der Brüder Grimm zählen noch weitere Quellen auf. Sie stellen fest, dass in Märchen häufig der Vater oder die Mutter um ein augenblickliches Gelüßten zu befriedigen, ihr zukünftiges Kind verspricht. Beispiele aus Grimms Märchen sind Die Nixe im Teich, Das singende springende Löweneckerchen, Der König vom goldenen Berg, Hans mein Igel, Der Bärenhäuter.
Das Motiv der Jungfrau im Turm entspricht dem griechischen Mythos von Danaë.[2]
Verfilmungen
- 1951 drehte Ray Harryhausen einen kurzen Animationsfilm mit Stop Motion-Figuren.
- 1988 entstand ein DEFA-Märchenfilm mit dem Titel Rapunzel oder Der Zauber der Tränen.
- Gurimu Meisaku Gekijō, japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 29: Rapunzel
- SimsalaGrimm, deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 1, Folge 8: Rapunzel
- Rapunzel oder Mord ist Ihr Hobby, Komödie aus Die ProSieben Märchenstunde (Deutschland/Österreich, ab 2006)
- 2002 entstand ein Animationsfilm, in dem Rapunzel von Barbie dargestellt wird.
- In der ersten Folge der 12. Staffel der Zeichentrickserie Simpsons wird Rapunzel persifliert. Homer Simpson versucht an Rapunzels Haar zu klettern, was in der Skalpierung von Rapunzel endet.
- 2009: Rapunzel (Spielfilm, BRD, ARD-Film, 60 min, Regie: Bodo Fürneisen)
- 2010: Rapunzel - Neu verföhnt (amerikanischer CGI-animierter Spielfilm der Walt Disney Animation Studios, Regie: Glen Keane und Dean Wellins)
Akustische Anspielungen
- 1988 veröffentlichte die Rockband Erste Allgemeine Verunsicherung als Pausenfüller zwischen den eigentlichen Liedern der CD "Kann denn Schwachsinn Sünde sein...?" vier jeweils ca. 27 bis 38 Sekunden lange Episoden, die immer mit den Worten begannen: "Rapunzel, so lass dein Haar hernieder!" Jedes Mal ist das Haar zu kurz, und der Königssohn reitet mit steigendem Ärger wieder fort.
- Auch die Beastie Boys verwenden diesen Mythos, auf ihrem 1989 erschienen Album "Paul's Boutique", befindet sich der Satz: "Rapunzel, Rapunzel let down your hair, so I can climb up to get into your underwear!" (Rapunzel Rapunzel, lass Dein Haar herunter, damit ich raufklettern und Dir an die Wäsche kann).
Bilder
Die visuell interessante Verbindung von goldenem Haar und hohem Turm inspirierte zu zahlreichen Rapunzelillustrationen: Besonders wichtig sind die von Arthur Rackham[3], Lizzie Hosaeus mit zwei Fassungen, Paul Hey, das Märchenbildprogramm von Ernst Liebermann[4] und das Gemälde von Emma Florence Harrison [5] und Heinrich Lefler[6]. 1969 beschäftigt sich David Hockney in vier Zeichnungen mit dem Rapunzelthema: 1. Der Rapunzelsalatgarten, 2. Rapunzel als Baby, 3. Rapunzel mit Haarschleppe und 4. Haar und Turm vor Prinz[7]
Literatur
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 34, 447. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
Weblinks
- Märchenlexikon.de zu Rapunzel AaTh 310
- Version der Ausgabe von 1857
- bebildert, deutsch-englisch
- Vergleich der Versionen von 1812 und 1857 (auf englisch)
- Illustrationen, Textfassungen und Interpretationen zu Rapunzel auf SurLaLuneFairyTales.com
Einzelnachweise
- ↑ Rölleke, Heinz. In: Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 863-864. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
- ↑ Röhrich, Lutz: Märchen – Mythos – Sage. In: Siegmund, Wolfdietrich (Hrsg.): Antiker Mythos in unseren Märchen. Kassel 1984. S. 26. (Veröffentlichungen der Europäischen Märchengesellschaft Bd. 6; ISBN 3-87680-335-7)
- ↑ A. Rackham: Rapunzel
- ↑ Ernst Liebermann: Rapunzel
- ↑ Rapunzelbild von E.F. Harrison
- ↑ H. Lefler: Rapunzel
- ↑ Rapunzelillustrationen von David Hockney