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Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung

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Das geplante EU-Patent[1] wäre ein Patent, das in der gesamten Europäischen Union Gültigkeit hätte. Bemühungen zur Schaffung eines solchen Patents, für das vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Bezeichnung Gemeinschaftspatent vorgesehen war, gibt es seit langem sind jedoch bisher gescheitert.

Patentamt und Verfahren

Für die Erteilung des EU-Patents soll weder eine neue Behörde (etwa ein Patentamt der Europäischen Union) geschaffen noch das Harmonisierungsamt der EU erweitert werden. Vielmehr soll für die Erteilung das Europäische Patentamt zuständig sein,[2] welches bereits mit der Erteilung der Europäischen Patente (EP) betraut ist. Dabei sollen jedoch die Rechercheergebnisse nationaler Patentämter stärker berücksichtigt werden[3].

Um das EU-Patent zu ermöglichen soll die Europäische Union dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) beitreten. Das Erteilungsverfahren beruht damit wiederum auf dem EPÜ[2].

Das Europäische Patentamt ist keine Behörde der EU, sondern das ausführende Organ der Europäischen Patentorganisation, einer gesonderten internationalen Organisation. Die Europäische Union könnte durch einen EPÜ-Beitritt jedoch auch die Stimmen der EU-Staaten im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts übernehmen, wodurch die EU eine Mehrheit von 75% hätte und die Rolle der nationalen Ämter in diesem Gremium reduziert würde. Dies würde den Interessenkonflikt im Verwaltungsrat reduzieren, denn nationale Ämter sind auf vielfältige Weise mit dem Europäischen Patentamt verstrickt (finanziell durch nationale Erneuerungsgebühren und Kooperationsprojekte, ferner als Konkurrenten bzw. Aspiranten um Teile der Arbeit zu übernehmen, durch Besetzung der Spitzenpositionen im EPO usw.)[4]. Die Rolle der nationalen Ämter wäre dennoch gestärkt, denn ein Teil der Erneuerungsgebühren für das EU-Patent sind laut aktuellem Vorschlag direkt an die nationalen Ämter zu zahlen, und nicht an die Staaten als solche[2].

Anstelle eines nationalen Patents oder eines Europäischen Patents, bei dem nur das Erteilungsverfahren zentralisiert ist und aus dem nach seiner Erteilung ein Bündel nationaler Patente wird, könnte der Anmelder nicht mehr einzelne Staaten der Europäischen Union benennen, sondern das Patent wäre immer für die gesamte Europäische Union beantragt. Dieser Antrag könnte dann auch innerhalb einer Europäischen Patentanmeldung durch Benennung der gesamten Europäischen Union (eventuell neben der Benennung von Staaten, die keine EU-Mitglieder sind, wie z.B. der Schweiz und der Türkei) erfolgen. Nach der Erteilung würde das Patent nicht mehr in einzelne nationale Patente zerfallen, sondern als einheitliches Patent mit Wirkung für die gesamte Europäische Union bestehen bleiben.

Die zurzeit vorgeschlagene Sprachenlösung beruht auf einer Anmeldung in einer offiziellen Amtssprache der Europäischen Union, gegebenenfalls einer Übersetzung in eine der drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts (Englisch, Deutsch, oder Französisch), Veröffentlichung in dieser Verfahrenssprache und aller weiteren Amtssprache der Europäischen Union durch maschinelle Übersetzung, Erteilung in der Verfahrenssprache, Einreichung von menschlichen Übersetzungen der Ansprüche und maschinelle Übersetzung der Beschreibung. Spanien fordert jedoch dass auch Spanisch Amtssprache werden soll und droht mit einem Veto des Vorschlags[5].

Patentgericht, EPLA und UPLS

Für Streitigkeiten, die das Patent betreffen, soll ein Patentgericht der Europäischen Union[1] geschaffen werden. Dieses Gericht wäre sowohl für Klagen gegen die Erteilung des Patents (Nichtigkeitsklagen) als auch für Klagen gegen die Verletzung des Patents zuständig. Im Gegensatz zum Europäischen Patent wäre somit eine Harmonisierung nach der Vergabe erreicht.

Eine ähnliche Wirkung ließe sich auch ohne die Einführung eines EU-Patents durch Abschluss eines vorgeschlagenen Europäischen Übereinkommens über Patentstreitigkeiten (EPLA) erzielen.

Am 24. März 2009 hat die Europäische Kommission dem Rat eine Empfehlung für ein Unified patent litigation system (UPLS) gegeben[6][7]. Ziel ist hierbei eine Verschmelzung von geplantem EPLA und EU-Patengerichts. Die erste Instanz wäre dezentralisiert, aber es gäbe eine zentrale Einspruchsinstanz. Der Europäische Gerichtshof wäre zuständig zur Überwachung der Einhaltung des Rechts der Europäischen Union. Das UPLS soll durch einen Vertrag zwischen der Europäischen Union und den Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens vereinbart werden.

Mittlerweile wurde eine Anfrage an den Europäischen Gerichtshof gestellt mit der Frage, ob der Vorschlag mit dem Primärrecht der Europäischen Unoion vereinbar ist[8].

Vergleich des EU-Patents mit dem Europäischem Patent (EP)

Das EU-Patent wäre eine Modifikation des Europäischen Patents in Bezug auf:

  1. Territorium: Erstreckung immer auf alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (für das Europäische Patent sind die Staaten einzeln zu nennen und eine Erstreckung auf alle Mitgliedsstaaten wird jedoch selten vom Anmelder gewünscht)
  2. Zentralisierung im Bereich Nichtigkeitsklagen und Verletzung (wie geplantes EPLA) durch ein eigenes Gericht
  3. Geänderte Anforderungen an die Übersetzungen (teilweise wie im Londoner Übereinkommen vereinbart, jedoch u.a. von Spanien nicht unterzeichnet)[9].

Die zwangsweise territoriale Erstreckung auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist politisch erwünscht, denn das bisherige System widerspricht dem freien Warenverkehr der Europäischen Union. Die Zentralisierung nach der Erteilung geht in die gleiche Richtung und bietet Konsistenz und Kostenersparnis für die streitenden Parteien. Insbesondere wird verhindert, dass nationale Gerichte die Patentverletzung oder Nichtigkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verschieden auslegen (z.B. Epilady-Fall)[10]. Ein weiterer Vorteil wäre die elektronische Verfügbarkeit der Übersetzungen, welche bei Europäischen Patenten meist nicht gegeben ist.

Die Hauptnachteile des EU-Patents sind im Bereich der Übersetzung angesiedelt. Die maschinelle Übersetzung ist fehlerbehaftet und erfordert Programme für kommerziell nicht verfügbare Sprachpaare (z.B. Deutsch → Maltesisch), die menschliche Übersetzung der Ansprüche in manche Amtssprachen der Europäischen Union ist nicht wirtschaftlich. Derzeit wird der Einsatz von statistischer maschineller Übersetzung (EN) erwägt ähnlich wie im von der Europäischen Union geförderten EuroMatrix-Projekt[11].

Geschichte

Bereits am 15. Dezember 1975 wurde das Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentübereinkommen) unterzeichnet. Dabei hätte es sich um einen gesonderten Vertrag und nicht um Sekundärrecht der Gemeinschaft gehandelt. Aus verschiedensten Gründen scheiterte die Ratifikation, so dass das Übereinkommen nicht in Kraft treten konnte.

Im Dezember 1989 wurde ein zweites Mal versucht ein Gemeinschaftspatent zu etablieren. 12 Staaten unterzeichneten das Übereinkommen, es wurde jedoch nur von 7 ratifiziert, und trat damit nicht in Kraft.

Mit dem Vorschlag der Kommission vom 1. August 2000 für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent wurde ein neuer Anlauf gestartet[12]. Das Gemeinschaftspatent sollte nun nicht mehr die nationalen Patente ersetzen, sondern wie die Gemeinschaftsmarke oder das Gemeinschaftsgeschmacksmuster als Option für die Anmelder bereit stehen. Außerdem soll die Regelung durch eine Verordnung getroffen werden, so dass keine Ratifikation durch die Mitgliedsstaaten notwendig ist.

Am 3. März 2003 sah es nach einer europäischen Einigung in dieser Frage aus[13]. Die Hoffnung erlosch jedoch in den folgenden 15 Monaten, in denen die Uneinigkeit über die Sprachregelung sowie über die Fristen zur Einreichung von Übersetzungen nicht beseitigt werden konnten[14].

Einzelnachweise

  1. a b Patentrecht: EU erzielt politischen Durchbruch für verbessertes Patentsystem. Abgerufen am 14. Juni 2010.
  2. a b c [1] EU-Rat: Vorschlag Gemeinschaftspatenttext 2009 (EN)
  3. [2] European Standard for Searches (EN)
  4. [3] Interessenkonflikt aus Sicht der Gewerkschaft des EPA
  5. [4] Spanisches Veto zur Sprachregelung (ES)
  6. [5] UPLS Pressemitteilung 2009
  7. [6] Empfehlung Kommission zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems UPLS 2009
  8. [7] Anfrage an ECJ bezüglich EU-Recht-Konformität des UPLS
  9. [8] Londoner Übereinkommen, in Kraft getreten am 1. Mai 2008
  10. [9] Economic Implications of a Fragmented Patent System in Europe
  11. [10] EuroMatrixPlus
  12. [11] EPA Seite Gemeinschaftspatent
  13. [12] Vermerk des Generalsekretariats des Rats
  14. [13] SCADplus: Gemeinschaftspatent

Siehe auch