Schärfentiefe


Schärfentiefe ist die Ausdehnung des scharfen Bereichs im Objektraum eines abbildenden optischen Systems.
Das bedeutet, ein Objekt kann im Bereich der Schärfentiefe bewegt werden, ohne dass sein Bild auf der Bildebene merklich unscharf wird.
Umgangssprachlich werden die Begriffe Schärfentiefe und Tiefenschärfe synonym verwendet. Insbesondere für das Erscheinungsbild der Tiefenunschärfe hat sich im angloamerikanischen Sprachraum der Begriff Bokeh etabliert.
Als scharf empfindet ein Betrachter ein Bild dann, wenn Linien und Kanten klare Grenzen aufweisen. Die durch jede Optik entstehenden Unschärfekreise der Abbildung sind dann kleiner als das Auflösungsvermögen des Betrachters. In der Fotografie wird der Entfernungsbereich vor der Kamera, der in einem Bild scharf erscheint, in der Schärfentiefe betrachtet.
Geometrische Schärfentiefe
In der geometrischen Optik können nur diejenigen Punkte als scharfe Bildpunkte in der Bildebene (Film, Chip) wiedergegeben werden, die auf der Ebene liegen, die sich in der Gegenstandsweite zur Linse befindet. Alle anderen Punkte, die sich auf näher oder weiter entfernt liegenden Ebenen befinden, erscheinen in der Bildebene nicht mehr als Punkte, sondern als Scheibchen, sogenannte Zerstreuungskreise oder Unschärfekreise (Z).
Zerstreuungskreise entstehen, weil die von der Linse (Objektiv) auf die Bildebene (den Film) fallenden Lichtkörper Kegel sind; durch Schnitt der Bildebene mit einem Kegel entsteht auf der Ebene ein Kreis.
Eng nebeneinander liegende Punkte, die nicht in der Gegenstandsebene liegen, werden durch eng nebeneinander liegende Zerstreuungskreise abgebildet, die sich überdecken und in den Randbereichen vermischen, wodurch ein unscharfes Bild entsteht.
Der für die Akzeptanz von Schärfe maximal tolerierbare Zerstreuungskreisdurchmesser für einen Fotoapparat wird mit Z bezeichnet. Die absolute Größe des maximalen Zerstreuungskreises Z ist abhängig vom Aufnahmeformat, da sie 1/1500 der Diagonalen beträgt. Solange die Unschärfekreise nicht größer als Z werden, liegen sie unterhalb der Auflösegrenze des Auges, und die Abbildung wird als scharf erachtet. Dabei entsteht der Eindruck, das Bild weise nicht nur eine Schärfenebene, sondern einen Schärfebereich auf.
Die folgende Tabelle veranschaulicht die maximale Größe der Zerstreuungskreise je nach Aufnahmeformat des jeweiligen Fotoapparats:
Aufnahmeformat | Abbildungsgröße | Seitenverhältnis | Bilddiagonale | Z |
---|---|---|---|---|
1/3″-Digitalkamera-Sensor | 4,4 mm × 3,3 mm | 4:3 | 5,5 mm | 3,7 µm |
1/2,5″-Digitalkamera-Sensor | 5,3 mm × 4,0 mm | 4:3 | 6,6 mm | 4,4 µm |
1/1,8″-Digitalkamera-Sensor | 7,3 mm × 5,5 mm | 4:3 | 9,1 mm | 6,1 µm |
2/3″-Digitalkamera-Sensor | 8,8 mm × 6,6 mm | 4:3 | 11,0 mm | 7,3 µm |
Four Thirds Sensor | 17,3 mm × 13,0 mm | 4:3 | 21,6 mm | 14,4 µm |
APS-C-Sensor | 22,2 mm × 14,8 mm | 3:2 | 26,7 mm | 17,8 µm |
APS-C-Sensor | 23,7 mm × 15,7 mm | 3:2 | 28,4 mm | 19,2 µm |
Kleinbildformat | 36 mm × 24 mm | 3:2 | 43,3 mm | 28,8 µm |
Digitales Mittelformat | 48 mm × 36 mm | 4:3 | 60,0 mm | 40,0 µm |
Mittelformat 4,5 × 6 | 56 mm × 42 mm | 4:3 | 70,0 mm | 46,7 µm |
Mittelformat 6 × 6 | 56 mm × 56 mm | 1:1 | 79,2 mm | 52,8 µm |
Großformate | z. B. 120 mm × 90 mm | — | — | 90–100 µm |
Größere Formate | bis 450 mm × 225 mm | — | — | > 100 µm |
Schärfentiefe berechnen


Folgende Variablen werden benötigt:
- die Objektiv-Brennweite , z. B. 7,2 mm
- die Blendenzahl (auch Arbeitsblende genannt), z. B. 5,6
- die Gegenstandsweite (Entfernung der fokussierten Gegenstandsebene von der vorderen Prinzipalebene), z. B. 1000 mm
- der Zerstreuungskreis , z. B. 0,006 mm
- Für eine Annäherung an kann folgende Formel mit als Formatdiagonale des Aufnahmeformates in mm verwendet werden:
- Dieser Näherung liegt die Annahme zugrunde, dass das menschliche Auge über die Bilddiagonale maximal 1500 Punkte auflösen kann.
Zuerst wird die hyperfokale Entfernung vom Linsenmittelpunkt aus in mm berechnet:
- Ein Objektiv, das auf seine hyperfokale Entfernung fokussiert ist, bildet alle Gegenstände, die zwischen der halben hyperfokalen Entfernung und unendlich liegen, in guter Näherung scharf ab.
Anschließend können wir den Nahpunkt berechnen:
- Die Formel liefert die Entfernung zum Nahpunkt vom Linsenmittelpunkt aus in mm.
Ebenso können wir den Fernpunkt berechnen:
- Die Formel liefert die Entfernung zum Fernpunkt vom Linsenmittelpunkt aus in mm.
Der Schärfentiefebereich erstreckt sich vom Nahpunkt bis zum Fernpunkt :
Wellenoptische Schärfentiefe
Alle optischen Abbildungen sind durch Beugung begrenzt, so dass ein einzelner Punkt niemals auf einen Punkt, sondern nur auf ein Beugungsscheibchen (oder Airyscheibchen) abgebildet werden kann. Die Trennschärfe zweier benachbarter Beugungsscheibchen definiert analog zum fotografischen Film einen maximal zulässigen Zerstreuungskreis. Nach dem Rayleigh-Kriterium muss die Intensität zwischen zwei benachbarten Bildpunkten um 20 % abfallen, um als scharf zu gelten. Die Größe des Beugungsscheibchens ist abhängig von der Wellenlänge des Lichts. Man definiert die Rayleighsche Schärfentiefe als
Hierbei ist die Wellenlänge, n die Brechzahl und u der Aperturwinkel des abbildenden Systems.
Die Rayleighsche Schärfentiefe ist bei beugungsbegrenzten optischen Systemen relevant, zum Beispiel in der Mikroskopie oder in der Fotolithografie.
In der Fotografie macht sich eine wellenoptische Unschärfe jenseits der förderlichen Blende bildwirksam bemerkbar.
Hierbei ist der maximal zulässige Zerstreuungskreis, der Abbildungsmaßstab und die Wellenlänge.
Für übliche Anwendungen (kleiner Abbildungsmaßstab) in der Kleinbild-Fotografie ergibt sich eine förderliche Blende von über f/32, so dass Beugung außer in der Makrofotografie kaum eine Rolle spielt.
Da die kleinen Sensoren moderner Kompakt-Digitalkameras aber sehr kleine zulässige Zerstreuungskreise erfordern, rückt in den Bereich üblicher Blendenzahlen. Für einen 1/1,8″-Sensor z. B. liegt die förderliche Blende bei ca. f/8, im Nahbereich noch darunter.
Lochkamera
Bei einer Lochkamera hängt die Größe der Unschärfekreise von der Gegenstandsweite g, der Bildweite b und dem Lochdurchmesser D ab. Ein Objekt wird hinreichend scharf abgebildet, wenn gilt: .
Der Fernpunkt einer Lochkamera liegt immer im Unendlichen. Für sehr große Gegenstandsweiten g vereinfacht sich die Bedingung zu: . d. h. Der Lochdurchmesser darf nicht größer werden, als der zulässige Zerstreuungskreisdurchmesser, sonst ist mit einer Lochkamera auch im Fernbereich keine hinreichend scharfe Abbildung mehr möglich.
Anwendung in der Fotografie
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thumb|125px|Blende 10. Der scharf dargestellte Bereich liegt in der Mitte. Die Übergänge zu den unscharfen Bereichen sind deutlich sichtbar. |
Bildgestaltung mit Schärfentiefe
Der gezielte Einsatz der Schärfentiefe durch Einstellen der Blende, der Entfernung und der Brennweite ermöglicht es, den Blick des Betrachters auf das Hauptmotiv zu lenken. Dazu schränkt der Fotograf die Schärfentiefe so eng wie möglich um die Ebene ein, auf der sich das Hauptmotiv befindet. Der Vorder- und Hintergrund wird dadurch unscharf abgebildet. Diese selektive Unschärfe lenkt weniger vom Hauptmotiv ab, das durch die selektive Schärfe akzentuiert wird.
Bei kleinen Aufnahmeformaten, z. B. beim Erstellen von Ausschnittsvergrößerungen oder beim Einsatz von Digitalkameras mit kleinen Bildsensoren (Formatfaktor) verkleinert sich der maximal zulässige Zerstreuungskreis (bei gleichbleibender Pixelzahl), was den Schärfentiefebereich zunächst verkleinert. Die kleineren Aufnahmeformate erfordern jedoch proportional kleinere Objektivbrennweiten, um gleichbleibende Blickwinkel zu gewährleisten -- das hingegen vergrößert den Schärfentiefebereich. Beides, die Verkleinerung der Bildsensoren (=> Verkleinerung der maximal zulässigen Zerstreuungskreise) und die deshalb notwendige Verkleinerung der Objektivbrennweiten, beeinflusst den Schärfentiefebereich. Die Einflüsse sind zwar gegensinnig, sie gleichen sich aber nicht aus. Der maximal zulässige Zerstreuungskreis geht linear und die Objektivbrennweite annähernd quadratisch in die Schärfentiefe ein -- also überwiegt der Einfluss der Objektivbrennweite. Dadurch wird die Schärfentiefe entsprechend größer und es wird zunehmend schwieriger, die selektive Schärfe als fotografisches Gestaltungsmittel einzusetzen. Damit sich beide Einflüsse ausgleichen, müsste die Pixeldichte der Sensoren annähernd quadratisch mit der Vekleinerung der Sensorabmessungen wachsen, was schnell an technische Grenzen führt.
Faktoren zur Beeinflussung der Schärfentiefe
Der Schärfebereich kann durch mehrere Faktoren (siehe Abschnitt Schärfentiefe berechnen) beeinflusst werden:
- Durch Abblenden der Blende wird er ausgedehnt und durch Aufblenden eingeengt. Je kleiner die Blendenöffnung ist, desto größer ist also der Schärfebereich.
- Eine weitere Einflussgröße auf die Schärfentiefe ist der Abbildungsmaßstab . Der Abbildungsmaßstab hängt von der Brennweite des Objektivs und der Gegenstandsweite ab ( ist die Bildweite).
- Je kleiner der Abbildungsmaßstab, desto größer ist die Schärfentiefe. Ein Weitwinkelobjektiv mit einer kürzeren Brennweite erzeugt, bei gleicher Gegenstandsweite, eine größere Schärfentiefe als ein Teleobjektiv mit einer langen Brennweite.
- Die Verteilung der Schärfentiefe vor und hinter dem fokussierten Objekt variiert mit der eingestellten Entfernung: im engen Nahbereich wird ungefähr ein Verhältnis von 1:1 erreicht, mit wachsender Entfernung wächst der Anteil hinter dem fokussierten Objekt kontinuierlich an; Letzteres extrem, wenn die Unendlicheinstellung noch eben in den Schärfebereich gelegt wird (= hyperfokale Entfernung).
- Die Schärfentiefe ändert sich in bestimmten Bereichen praktisch nicht, wenn ein Motiv einmal mit kurzer Brennweite aus geringer Entfernung und einmal mit langer Brennweite aus größerer Entfernung derart abgebildet wird, dass es im Bild die gleiche Größe hat. Der vorgenannte Einfluss der Brennweite wird durch die andere Gegenstandsweite kompensiert. Diese Regel gilt, wenn in beiden Fällen die gleiche Blende verwendet wird und wenn die Entfernung zum Motiv bei der kurzen Brennweite kleiner als etwa ein Viertel der hyperfokalen Entfernung ist.
Kameraeinstellungen
Im Makrobereich ist die Schärfentiefe s allein durch Abbildungsmaßstab, eingestellte Blende und erlaubtem Unschärfekreisdurchmesser definiert. Sie ist (solange der erlaubte Unschärfekreis deutlich kleiner als die Brennweite ist) vollständig unabhängig von der Brennweite.
Sie berechnet sich zu:
Im Nichtmakrobereich (der Fehler übersteigt 10 % ab: Verkleinerungsfaktor > 0,3*Brennweite/Unschaerfekreisradius/Blendenzahl) muss die Formel um den Korrekturwert erweitert werden zu:
Der Gültigkeitsbereich dieser Formel endet, wenn man negative Werte erhält. Dann liegt der Fernpunkt im Unendlichen, der Schärfentiefebereich ist dann unendlich groß, der Fernpunkt liegt hinter dem Objektiv, konkave Wellenfronten liegen innerhalb des Fokusbereichs.
Zur praktischen Anwendung im Feld:
- man merkt sich für seine aktuelle Kamera (bei vielen Crop-DSLRs um die 0,4 mm)
- Für einen Verkleinerungsfaktor von 10, 5, 2, 1 muss man diesen Wert mit 110, 30, 5 bzw. 2 multiplizieren (und erhält 44 mm, 12 mm, 2 mm bzw. 0,8 mm).
- Das ergibt die Schärfentiefe für die Blendenzahl 10. Für andere Blendenzahlen erhöht bzw. verringert sich dieser Wert proportional.
Weitere Bemerkungen:
- Einige elektronisch gesteuerte Kameras boten die Möglichkeit an, zuerst den vorderen und dann den hinteren Punkt des gewünschten Schärfebereiches mit dem Auslöser zu markieren (DEP-Funktion). Die Kamera berechnet dann die dafür benötigte Blende und stellt den Fokus so ein, dass die Schärfe genau dem markierten Bereich entspricht. Die A-DEP-Funktion aktueller Digitalkameras hat damit allerdings nichts zu tun, hier bestimmt die Kamera den vorderen und hinteren Schärfepunkt durch Nutzung aller AF-Felder.
- Die Verstellmöglichkeiten von Fachkameras erlauben das Nutzen der sogenannten Scheimpflug-Einstellung. Diese verändert nicht den Schärfenbereich des Objektivs, sondern erlaubt, die Schärfeebene zu verlagern und damit an das Motiv anzupassen. Für Klein- und Mittelformatkameras gibt es für den gleichen Einsatzzweck spezielle Tilt-/Swing-Balgengeräte bzw. sogenannte Tilt-Objektive, eine Funktion, die oft auch mit einer Shift-Funktion zur möglichen Parallelverschiebung der Schärfenebene kombiniert wird.
- Einige Spezialobjektive verfügen über die Funktion der variablen Objektfeldwölbung (VFC, variable field curvature), die rotationssymmetrisch die stufenlose konvexe oder konkave Durchbiegung der Schärfenebene erlaubt.
Siehe auch
- 35-Millimeter-Adapter (Schärfentiefe für herkömmliche Videokameras)
- Deep focus cinematography (Möglichst große Schärfentiefe im Film)
- Focus stacking (Erzeugung von Bildern mit außergewöhnlich großer Schärfentiefe)
Literatur
- Heinz Haferkorn: Optik. Physikalisch-technische Grundlagen und Anwendungen. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt/Main 1981, ISBN 3-87144-570-3, Kap. 6.4.3, S. 562–573
- Andreas Feininger: Andreas Feiningers Große Fotolehre. Neuauflage Heyne Verlag München 2001, ISBN 3-453-17975-7
Weblinks
- Schärfentiefe-, Abbildungsmaßstab- und Nahlinsenrechner (deutsch). Berücksichtigt u. a. auch Beugung und Vorsatzlinsen. Kann individuelle Schärfentiefe-Tabellen ausgeben. Für Digitalkameras etwas komplizierter zu handhaben.
- Schärfentiefenrechner in Java auf DOF-Rechner (deutsch und englisch).
- Vergleich verschiedener Blendenzahlen und deren Schärfentiefe in Bildern
- dofmaster Berechnen der Schärfentiefe für unterschiedliche Kameras und Brennweiten in Abhängigkeit von der Blende (englisch)