Stalking
Unter Stalking (deutsch: Nachstellung) wird im Sprachgebrauch das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person verstanden, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking ist in vielen Staaten ein Straftatbestand und Thema kriminologischer und psychologischer Untersuchungen.
Definition
Eine erste wissenschaftliche Definition erfolgte durch Zona et. al. (1993), welche Stalking als „obsessives und unnormal langes Muster von Bedrohung durch Belästigung gegen ein bestimmtes Individuum gerichtet“ bezeichnet.[1] Meloy und Gothard führten 1995 den Begriff „obsessives Verfolgen“ ein, um den psychiatrischen Aspekt hervorzuheben.[2] Damit wurde zudem an die ursprüngliche Bedeutung in der Jagdsprache angeknüpft.
Pathe und Mullen (1997) sehen im Stalking eine „Verhaltenskonstellation, in der eine Person der anderen wiederholt unerwünschte Kommunikation oder Annäherung erzwingt“. Westrup (1998) nannte als Merkmale von Stalking: „Das Verhalten trifft mehrmals auf und zielt auf eine bestimmbare andere Person, es wird als unerwünscht und grenzverletzend wahrgenommen und kann Angst und Beklemmung auslösen.“[3]
Meloy (1998)[4] wie auch Stieger, Burger und Schild (2008)[5] verwenden folgende Definition: Um als Stalkingopfer kategorisiert zu werden, müssen mindestens zwei verschiedene, die Privatsphäre verletzende (intrusive) Verhaltensweisen berichtet werden, wobei diese mindestens 2 Wochen andauern und Angst auslösen mussten.
Begriffsgeschichte
Das englische Wort to stalk bedeutet in der Jägersprache „jagen, hetzen, steif gehen, stolzieren“ (aus dem Gälischen „stalc“ oder dem Substantiv „stalcaire“ = Jäger, Falkner). Im Englischen bedeutet to stalk unter anderem heranpirschen, jagen; daraus abgeleitet: verfolgen;. „Stalking“ bedeutet in der deutschen Sprache übertragen „Nachstellen, Verfolgen, Psychoterror“.
Mit dem Begriff Cyberstalking oder Cyber-Mobbing wird die Belästigung und das beharrliche Nachstellen einer Person unter Anwendung und Zuhilfenahme von modernen technischen Hilfsmittel wie Handy oder Internet beschrieben.[6]
Mögliche Stalking-Handlungen
Gemäß einer Handreichung zur Beratung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005)[7] erstrecken sich mögliche Handlungsformen von Stalkern auf:
Standard | Außenwirkung | Straftaten |
---|---|---|
Ausfragen des Bekanntenkreises | Verleumdungen, zum Beispiel gegenüber dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin | Beleidigungen und Üble Nachrede |
Telefonanrufe, SMS, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Sendungen von E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten | Bestellungen von Warensendungen im Namen des Opfers | Nötigungen und Bedrohungen |
„Liebesbezeugungen“ wie Liebesbriefe, Blumen, Geschenke | Anwesenheit sowie das Verfolgen und Auflauern, zum Beispiel vor der Wohnung, dem Arbeitsplatz, dem Supermarkt | Sachbeschädigungen |
Das Spektrum der so genannten Stalking-Verhaltensweisen kann in dramatischen Fällen über körperliche Gewalt bis hin zu Tötung reichen.
Körperliches Attackieren oder die Ausübung von körperlicher Gewalt kommen, nach einer Analyse der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring, in jedem fünften Fall vor. Häufig sind es jedoch die eher „leichten“ Stalking-Handlungen, wie etwa das Telefonieren oder das Sich-Aufhalten in der Nähe des Opfers, die den überwiegenden Anteil aller Handlungen ausmachen. Aber bereits diese „leichteren“ Formen des Stalkings können beim Opfer psychische und physische Reaktionen hervorrufen, die sich mit Dauer des Stalkings entsprechend steigern und individuell zu ernsthaften Erkrankungen führen und sich bis zur Arbeitsunfähigkeit entwickeln können.
Täter-Opfer-Beziehung
Wie ein Jäger sammelt ein Stalker Informationen über sein Opfer, um es stellen zu können. Dabei sind aber nicht nur die einzelnen, nachstellenden Handlungen des Täters von Bedeutung, sondern im Besonderen das psychologische Verhältnis zwischen Täter und Opfer. Das unterscheidet das Stalking von anderen, die Selbstbestimmung eines Menschen einschränkenden Handlungen.
Auch wenn jeder Mensch Opfer von Stalking werden kann und sich Opfer und Täter nicht notwendigerweise kennen müssen, sind nach bisherigen Erkenntnissen am häufigsten Personen betroffen, die eine Beziehung oder Ehe mit dem Täter beendet oder einen Beziehungswunsch des Täters zurückgewiesen haben.
Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten können Opfer eines Stalkers werden, wenn dieser sich selbst als Opfer einer Beratung, einer Behandlung, eines Rechtsstreites oder ähnlichem sieht. Ebenso können Konkurrenten in einer speziellen Sparte oder Rivalen, die eine Niederlage nicht verkraften, zu Stalkern werden. Auch wenn das Phänomen des Stalkings bei Prominenten zuerst aufgefallen ist, so scheinen diese nicht die Mehrheit der Opfer auszumachen.
Täter scheinen meist ehemalige Beziehungspartner oder abgewiesene Verehrer zu sein, aber auch Arbeitskollegen und Nachbarn befinden sich häufig darunter. In einigen Fällen ist dem Opfer der Täter aber überhaupt nicht bekannt und gehört auch nicht zum näheren persönlichen, beruflichen oder wohnlichen Umfeld. In manchen Fällen spielt das Phänomen der Übertragung eine Rolle, wenn ein Täter für empfundene seelische oder körperliche Verletzungen ein Opfer stellvertretend büßen lässt, weil es bestimmte Merkmale aufweist, die für ihn im Bezug zum eigenen Schicksal stehen. Ein Teil der Täter weist erhebliche psychische Erkrankungen auf, wobei das Stalken selbst kein anerkanntes Krankheitsbild darstellt.
Zu Geschlecht und sozialer Herkunft typischer Stalking-Täter und Opfer gibt es bislang nur erste, nicht repräsentative Studien. Anhand derer Ergebnisse wird vermutet, dass in der überwiegenden Mehrheit der leichteren Stalkingfälle (die etwa 97 % ausmachen) Männer als Täter gegenüber Frauen nur leicht überwiegen (60:40). In den etwa 3 % ausmachenden schweren Stalkingfällen, in denen es zur Anwendung körperlicher Gewalt kommt, sollen Männer als Täter dominieren und Frauen mit über 80 % die Mehrheit der Opfer sein. Nach einer US-amerikanischen Studie wurden acht Prozent der amerikanischen Frauen und zwei Prozent der Männer im Laufe ihres Lebens schon einmal von einem Stalker verfolgt.
Bei der Interpretation dieser Zahlen sind jedoch die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung des Tatgeschehens zu berücksichtigen. Neben der fehlenden einheitlichen Definition des Stalking-Begriffes fällt es den Beteiligten an so genannten Beziehungstaten erfahrungsgemäß schwer, sich offen darüber zu äußern.
Psychologische Einteilung der Täter
Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathe und Purcell teilen die Stalker in sechs Gruppen ein, ausgehend von deren Motivation und Beziehungsverhältnis:
Gruppe | Motivation | Beziehungsverhältnis | |
---|---|---|---|
1 | Zurückgewiesene Stalker | Gefühl der Demütigung, Zurückweisung unter anderem | meist Ex-Partner / Freunde |
2 | Beziehungssuchende Stalker | Fehlwahrnehmungen der Beziehungsbereitschaft des Opfers, häufig Liebeswahn | Persönliches und weiteres Umfeld des Opfers |
3 | Intellektuell retardierte Stalker | Ungenügende Sozialkompetenz, überschreiten Grenzen | Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) |
4 | Rachsüchtige Stalker | sehen sich durch ihre gestörte Persönlichkeit fälschlicherweise selbst als Opfer oder bilden sich ein, Opfer der Personen zu sein, denen sie nachstellen; Hilfe, die sie bekommen, nutzen sie zur fortgesetzten Rache und Befriedigung aus | temporäres Umfeld (beispielsweise Arzt oder Rechtsanwalt als Opfer, jedermann im Umfeld des Opfers) |
5 | Erotomane, morbide, krankhafte Stalker | Kontrolle/Dominanz - meist psychopathische Persönlichkeit | Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) |
6 | Sadistische Stalker | Gefühl der Befriedigung | Persönliches und weiteres Umfeld |
Quelle: Mullen, P. E., Pathé, M. & Purcell: „Stalkers and their victims“, Cambridge University Press, Cambridge
Gesundheitliche und soziale Folgen
Ein Großteil der Opfer leidet unter vegetativen Erscheinungen, wie etwa Unruhe (Schreckhaftigkeit), Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen und Magenbeschwerden und der daraus resultierenden geistigen und körperlichen Erschöpfung. Viele sind schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen, einige darunter unter Depressionen.
Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird, oder die körperlich verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell reaktive Verhaltensmuster, wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung (Vereinsamung) oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert.
Nach langer und intensiver Verfolgung kann in seltenen Fällen eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten, wie sie vergleichsweise bei Soldaten nach unmenschlichen Kriegserlebnissen vorkommen kann, die diese psychisch nicht verarbeiten konnten.
Um den gesundheitlichen und sozialen Folgen des Stalkings gezielt entgegenwirken zu können, ist es empfehlenswert sich frühzeitig helfen zu lassen.
Am 23. April 2008 hat in Berlin die erste Beratungsstelle für Stalker ihren Betrieb aufgenommen.[8]
Fallzahlen
Deutschland
Für das Jahr 2007 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Deutschland 11.401 Fälle mit dem Tatvorwurf der Nachstellung gem. § 238 StGB erfasst, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Vorschrift erst am 31. März 2007 in Kraft trat. Dies entspricht einer Häufigkeit von 13,9 Fällen/100.000 Einwohner. Bei 14 Fällen wurden Schusswaffen mitgeführt, wobei in 4 Fällen geschossen wurde. Die Aufklärungsquote beträgt 88,4 %, d.h. 9.389 erfasste Fälle konnten aufgeklärt werden. Nichtdeutsche Tatverdächtige haben einen Anteil von 16,6 %.[9]
Österreich
Im Jahre 2008 wurde von der Universität Wien eine Studie (Stieger, Burger, & Schild, 2008) durchgeführt, in der 11% der Teilnehmer im Laufe ihres bisherigen Lebens als Stalkingopfer identifiziert werden konnten.[10][11] Weitere Ergebnisse der Studie: Die Stalkingopfer bestanden hauptsächlich aus Frauen (86%), die Stalker jedoch aus Männern (81%). Frauen wurden in den meisten Fällen von Männern gestalkt (88%). Männer hingegen wurden fast zu gleichen Teilen von Männern und Frauen gestalkt (60% männliche Stalker). 19% der Stalkingopfer gaben an, dass sie zum Zeitpunkt der Studie noch immer gestalkt wurden, was einer Punktprävalenzrate von 2% entspricht. 70% der Stalkingopfer kannten den Täter, der in 40% der Fällen ein früherer Intimpartner war, in 23% ein Freund oder Bekannter und in 13% ein Arbeitskollege. Als Konsequenz auf das Stalking, gaben 72% der Opfer an, dass sie ihren Lebensstil geändert haben. 52% aller Stalkingopfer hatten bezüglich ihres psychologischen Wohlbefindens Werte im pathologischen Bereich. Bei einem Vergleich der Anzahl der Stalkingfälle im ländlichen und im städtischen Bereich, gab es keine signifikanten Unterschiede.
Rechtliche Aspekte
Deutschland
Strafrechtliche Sanktionen
Mit Gesetz vom 22. März 2007, in Kraft getreten am 31. März 2007, wurde in das deutsche Strafgesetzbuch der Straftatbestand der „Nachstellung“ eingeführt (§ 238 StGB). Eine einfache Nachstellung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Höhere Strafrahmen gelten, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat oder die Tat den Tod einer der genannten Personen verursacht hat. In letzteren Fällen gelten aufgrund des gleichzeitig geänderten § 112a StPO geringere Anforderungen an die Untersuchungshaft. Die einfache Nachstellung wird nur auf Antrag verfolgt (§ 238 Abs. 4 StGB), wenn nicht die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall ein besonderes öffentliches Interesse annimmt. Auch bei Vorliegen eines Antrages verfolgt die Staatsanwaltschaft die Tat nur, wenn sie ein öffentliches Interesse bejaht (§ 376 StPO, mit Möglichkeit der Nebenklage, § 395 Abs. 1 Nr. 1 lit. e StPO); im übrigen ist die verletzte Person auf den Weg der Privatklage verwiesen (§ 374 Abs. 1 Nr. 5 StPO).
Präventive Maßnahmen
Opfer von Stalking haben die Möglichkeit, bei Gericht Schutzanordnungen gegen den Stalker zu erwirken, die auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassen werden können und beispielsweise aus der Anordnung bestehen können, sich der Wohnung des Opfers nicht zu nähern. Ein Beispiel aus der obergerichtlichen Spruchpraxis dazu ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 2. Oktober 2007. Nach dieser reicht es für eine Anordnung nach dem GewSchG bereits aus, wenn das Opfer über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten am Verlassen der Wohnung gehindert wird.[12]
Soweit auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes eine Unterlassungsverfügung gegen einen Stalker erlassen wird und dieser gegen die in der Verfügung festgelegten Verbote verstößt, stellt dieser Verstoß ein strafbares Verhalten nach § 4 Gewaltschutzgesetz dar. Streng genommen handelt es sich dabei dann nicht um die Strafbarkeit von Stalking an sich, sondern vielmehr um die Strafbarkeit wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung. Schon in den 1970er Jahren gingen die Gerichte gegen Telefonterror vor.[13]
Täter können in Deutschland unter Voraussetzung des § 112a StPO (Haftgrund Wiederholungsgefahr) in Untersuchungshaft genommen werden (sog. Deeskalationshaft). Dies gilt allerdings nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss der dringende Verdacht bestehen, dass der Täter sein Opfer (beziehungsweise einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person) zumindest in Lebensgefahr oder in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat. Zweitens müssen bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Täter vor einer rechtskräftigen Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO, § 238 Abs. 2, 3 StGB).
Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Polizeiarbeit scheint sich die sogenannte Gefährderansprache gegenüber dem mutmaßlichen Täter zu bewähren. Nach Auswertung mehrerer Studien, unter anderen der Darmstädter Studie , hinterlässt eine staatliche Reaktion innerhalb der ersten 48 Stunden eine nachhaltige und zu 80% beendende Wirkung beim Täter, da er mit seinem Handeln aus der Anonymität herausgeholt wird und ihm die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen seines Handelns aufgezeigt und angedroht werden. Diese sind dem Täter, der sich in vielen Fällen selbst in der Opferrolle sieht, oft nicht, oder nicht in diesem Ausmaß, bekannt.
Es ist jedoch auch möglich, dass die Gefährderansprache die aktuelle Gefährdung für das Opfer noch steigert, da jetzt dem Stalker offenbar wird, dass das Opfer staatliche Stellen eingeschaltet hat. Es ist deshalb wichtig, den Stalker nach der Ansprache weiterhin zu beobachten oder durch Einbindung anderer Beratungsstellen zu begleiten. Die Gefährderansprache selbst bietet insbesondere dem Polizeibeamten, der eine Gefährdungseinschätzung vornehmen muss, die Möglichkeit, weitere Informationen über den Täter (Gemütszustand, Motivation) zu gewinnen und weiteres Vorgehen strukturiert zu gestalten. Insbesondere ist das Opfer über die Gefährderansprache zu informieren.
Entwicklung
Das Problem „Stalking“ trat bei Gerichten, Staatsanwälten und der Polizei erst langsam ins Bewusstsein. Häufig wurden Opfer nicht ernstgenommen. Auf der anderen Seite waren Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen häufig in ihrem Handlungsspielraum beschränkt.
Als Reaktion auf diese als unbefriedigend wahrgenommene Situation verabschiedete im August 2005 das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf, der einen neuen § 241b für das Strafgesetzbuch (StGB) vorsah.[14]
Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes wurde 2005 kontrovers diskutiert, da man der Ansicht war, die bestehenden Gesetze würden den Betroffenen ausreichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung bieten. Vielmehr sollten die bestehenden straf-, zivil- und polizeirechtlichen Möglichkeiten konsequenter angewendet werden. Außerdem wurde konkrete Kritik am dargestellten Gesetzesentwurf geübt, beispielsweise hinsichtlich der Verfassungskonformität infolge der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe. Der Gesetzesentwurf zu § 241 b Strafgesetzbuch fiel mit dem vorzeitigen Ende des Bundestages der Diskontinuität anheim.
Der heute geltende § 238 StGB wurde 2006 als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Er wurde Ende 2006 im Bundestag und im Februar 2007 im Bundesrat verabschiedet.
Österreich
In Österreich ist seit dem 1. Juli 2006 Stalking durch die Einführung des Straftatbestandes beharrliche Verfolgung § 107a StGB strafbar. Der Strafrahmen beträgt bis zu einem Jahr Haft.
Um den Tatbestand der beharrlichen Verfolgung zu erfüllen, muss der Täter das Opfer in einer Weise verfolgen, die objektiv geeignet ist, dessen Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen. Als Stalkinghandlungen zählt das Strafgesetzbuch die persönliche Kontaktaufnahme, die Kontaktaufnahme via Tele- oder sonstiger Kommunikationsmittel oder durch Dritte auf. Auch die Weitergabe von personenbezogenen Daten ist ein Vergehen iSd. § 107a StGB, wenn damit Waren oder Dienstleistungen im Namen des Opfers bestellt werden oder Dritte veranlasst werden, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.
Erforderlich ist, dass zumindest eine der aufgezählten Handlungen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt wird und die Handlung nach dem 1. Juli 2006 begangen wurde. Die Tatbestände des § 107a StGB sind Offizialdelikte, das heißt die Staatsanwaltschaft hat unabhängig von der Einwilligung des Opfers aktiv zu werden. Lediglich § 107a Abs. 2 Z. 2 StGB - Kontaktaufnahme im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte - stellt ein Antragsdelikt dar. In diesem Falle bedarf es einen Antrags des Opfers, damit die Sicherheitsbehörden tätig werden können.
Zum Schutz vor weiteren Eingriffen in die Privatsphäre, kann auf dem zivilrechtlichen Weg, auf Antrag des Opfers, dem Stalker per einstweiliger Verfügung durch das Gericht unter anderem untersagt werden, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen, es zu verfolgen, sich an bestimmten Orten aufzuhalten oder Waren für das Opfer zu bestellen. Diese Verfügung gilt maximal für ein Jahr und wird zum Teil durch die Polizei sowie durch Geld- bzw. Haftstrafen (Exekutionsantrag an das Bezirksgericht) vollzogen.
Schweiz
In der Schweiz gibt es für Stalking keinen eigenen Straftatbestand. Dahinter steht die Überzeugung, dass niemand in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden darf, nur weil sich jemand anderer diffus belästigt fühlt. Auch wäre ein derart unbestimmter Tatbestand kaum vereinbar ist mit dem Bestimmtheitsgebot (nullum crimen sine lege).
Liegt eine bewusste Belästigung vor, so gibt es die Möglichkeit, zivilrechtlich eine Fernhalteverfügung zu erwirken. Eine solche verbietet jemandem, sich der klagenden Person zu nähern oder sich in einem bestimmten Gebiet aufzuhalten oder mit der Person wie auch immer Kontakt aufzunehmen (Art. 28b ZGB, Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen). Diese Möglichkeit gab es schon immer, der Artikel wurde aber am 1. Juli 2007 verschärft. Die Missachtung einer solchen Verfügung ist ein Straftatbestand (Art. 292 StGB, Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügungen). Auf diesem Weg kann Stalking strafrechtlich verfolgt werden, ohne dass das Bestimmtheitsgebot verletzt wird.
Direkt strafrechtlich belangt werden kann ein Täter selbstverständlich dann, wenn er ein Delikt begeht. Typisch im Zusammenhang mit Stalking sind etwa Nötigung oder Missbrauch einer Fernmeldeanlage.
Siehe auch
- Häusliche Gewalt, Mobbing, Cyber-Mobbing, Telefonterror, Psychoterror
- Polizeiliche Beratungsstelle
- Verleumdung
Literatur
Literatur über Stalking Katalog der DNB
- eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
Sachbücher, Aufsätze
- Julia Bettermann: Falsche Stalking-Opfer? Das Falsche-Opfer-Syndrom in Fällen von Stalking. Verlag für Polizeiwissenschaft, 2005, ISBN 978-3-935979-62-7 (rezensiert von Sönke Gerhold, Neue Kriminalpolitik 2006, Seite 117 bis 119)
- Julia Bettermann und Moetje Feenders: Stalking, Möglichkeiten und Grenzen der Intervention. Verlag für Polizeiwissenschaft 2004, ISBN 3-935979-36-3 (rezensiert von Sönke Gerhold, Neue Kriminalpolitik 2006, Seite 117 bis 119)
- Sebastian Buß: Der Weg zu einem deutschen Stalkingstraftatbestand - § 238 StGB. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-4008-8
- Petra Drawe und Heike Oetken: Stalking. Eine Herausforderung für die Sozialarbeit. Lang, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-631-53900-2
- Harald Dreßing und Peter Gass: „Stalking!“. Verlag Hans Huber 2005, ISBN 3-456-84196-5
- Sandra Fiebig: Stalking. Hintergründe und Interventionsmöglichkeiten. Tectum Verlag 2005. ISBN 3-8288-8876-3
- Peter Fiedler: Stalking. Opfer, Täter, Prävention, Behandlung. Beltz Psychologie Verlags Union 2006, ISBN 3-621-27588-6
- Nikolaos Gazeas: Der Stalking-Straftatbestand – § 238 StGB (Nachstellung). In: Juristische Rundschau (JR). Jg. 2007, H. 12, S. 497–505.
- Sönke Gerhold, Der neue Stalking-Tatbestand; ein erster Überblick, Neue Kriminalpolitik 2007, Seite 2 bis 4
- Sönke Gerhold: Das System des Opferschutzes im Bereich des Cyber- und Internetstalking - Rechtliche Reaktionsmöglichkeiten der Betroffenen. Nomos, Baden-Baden 2010, ISBN 978-3-8329-5341-6
- Jens Hoffmann und Hans-Georg W. Voss (Hrsg.): Psychologie des Stalking. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt a.M. 2005, ISBN 3-935979-54-1
- Jens Hoffmann: „Stalking“. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-25457-9
- Rasso Knoller: Stalking. Wenn Liebe zum Wahn wird. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2005, ISBN 3-89602-675-5
- Volkmar von Pechstaedt: Rechtsschutz gegen Stalking: Rechtliche Grundlagen und Probleme. Hainholz, Göttingen 2004, ISBN 3-932622-97-9
- Stephan Rusch. „Stalking in Deutschland“ - Ein Handbuch für alle Praxisbereiche. Hainholz, Göttingen 2005, ISBN 3-932622-81-2
- Stephan Rusch. „Stalking“ - Leitlinien für die Aus- und Fortbildung in allen Praxisbereichen. NR-Verlag, Bremen 2007, ISBN 3-939564-02-8
- Susanne Schumacher: Stalking. Geliebt, verfolgt, gehetzt. Hainholz 2004, ISBN 3-932622-89-8
- Andreas Seling: § 107a StGB. Eine Strafvorschrift gegen Stalking. Zugleich: Salzburg, Univ., Diplomarbeit, 2006. Wien; Graz: NWV, Neuer Wissenschafts-Verlag, 2006. - 105 S.; ISBN 978-3-7083-0416-8 (Neue juristische Monografien; Bd. 36)
- Stefan Stieger; Christoph Burger; Anne Schild: Lifetime prevalence and impact of stalking: Epidemiological data from Eastern Austria. European Journal of Psychiatry Vol. 22, N.° 4, (235-241), Zaragoza (ES) 2008, ISSN 0213-6163. PDF
- Sascha Vander: Stalking – Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen zur Schaffung eines speziellen Straftatbestandes. In: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV). 89. Jg., 2006, ISSN 0179-2830, S. 81–99.
- Orlando Vanoli: Stalking - Ein «neues» Phänomen und dessen strafrechtliche Erfassung in Kalifornien und in der Schweiz. Schulthess Juristische Medien AG, Zürich 2009, ISBN 978-3-7255-5814-8
- Hans-Georg W. Voß; Jens Hoffmann; Isabel Wondrak: Stalking in Deutschland aus Sicht der Betroffenen und Verfolger. Hrsg.: Weißer Ring - Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e.V. Nomos, Baden-Baden 2006, 170 S. ISBN 3-8329-1752-7 (Mainzer Schriften zur Situation von Kriminalitätsopfern; Bd. 40)
- Bernhard Weiner und Ute Ingrid Haas: "Opferrechte bei Stalking, Gewalt- und Sexualverbrechen - Rechte wahrnehmen, Hilfe finden", dtv, 2009, ISBN 978-3-423-50664-9
- Andrea Weiß und Heidi Winterer: Stalking und häusliche Gewalt. 2. Auflage, Lambertus-Verlag 2008, ISBN 3-7841-1778-3 (rezensiert von Sönke Gerhold, Neue Kriminalpolitik 2009, Seite 36 bis 40)
- Jan Wendt: Die Privilegien der Medien und der Straftatbestand gegen Stalking. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-5088-9.
- Finn Zwißler: Gewaltschutzgesetz. So wehren Sie sich erfolgreich gegen Nötigung, Stalking und Mobbing. Regensburg; Walhalla-Fachverlag, Berlin 2006. - 128 S., ISBN 3-8029-3793-7
Romane und Erzählungen
- Stefan Zweig: Brief einer Unbekannten. S. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-596-13024-5, Hörbuch: Gelesen von Leslie Malton und Felix von Manteuffel. Hörbuch Hamburg 2009
- Ian McEwan: Liebeswahn. Zürich: Diogenes 1998 ISBN 978-3-89614-087-6
- Hilary Norman: Gefährliche Nähe. Lübbe 1999
- Annemarie Schoenle: Du gehörst mir. Droemer - Knaur 2004, ISBN 3-426-19622-0
- Christine Fehér: Jeder Schritt von dir. Patmos Verlag GmbH & Co KG - 2006, ISBN 3-7941-7053-9
- John Katzenbach: Das Opfer. Droemer 2007
- Isabelle Ammann: Stalking - wenn Liebe zum Alptraum wird. Kreuz - 2008, ISBN 978-3-7831-3073-7
- Monika Feth: Der Schattengänger. cbt/cbj, München 2009, ISBN 978-3-570-30393-1
Weblinks
- Stalking in der Krimpedia (freie Online-Enzyklopädie zur Kriminologie)
- www.stalking-nrw.de - Landesinitiative Stalking NRW e.V.
- www.stalking-kit.de - Stalking-KIT des Kriseninterventionsteams Stalking und häusliche Gewalt
- www.polizei-beratung.de - Informationsvideo der Polizei zum Thema Stalking
- www.polizei-beratung.de - Informationsblatt ‚Stalking‘ der polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes
- www.stalkingforschung.de - Internetseite der Arbeitsgruppe ‚Stalking‘ mit Online-Fragebogen sowie Tipps für Betroffene
- www.weisser-ring.de - Studie »Stalking in Deutschland« – (Weißer Ring)
- www.bmj.bund.de - Offizielle Seite des Bundesministeriums der Justiz zum Thema Stalking
- www.juraforum.de - rechtliche Ausführungen zum ‚Nachstellen‘ gemäß § 238 StGB Nachstellung
- www.stop-stalking-berlin.de - Beratungsstelle für Menschen die stalken
- www.mdcs.ch - Jusletter vom 20. März 2006: Cornelia Stengel / Martin Drück, Der ganz normale Wahnsinn – Eine Standortbestimmung in Sachen Stalking - rechtliche Situation in der Schweiz (PDF-Datei; 262 kB)
- www.cyberbullying.us - Internetseite zum Thema Cyberstalking (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ M.A. Zona, K.K. Sharma, & J.C. Lane: A comparative study of erotomanic and obsessional subjects in a forensic sample. In: Journal of Forensic Sciences. Nr. 38 (4), 1993, S. 894–903 (Originaltitel: Englisch.).
- ↑ J.R. Meloy & S. Gothard, Department of Psychiatry, University of California, San Diego: Demographic and clinical comparison of obsessional followers and offenders with mental disorders. In: American Journal of Psychiatry. Nr. 152. San Diego 1995, S. 258–263 (psychiatryonline.org [abgerufen am 23. Juli 2009] Copyright © 1995 by American Psychiatric Association).
- ↑ M. Pathe and P.E. Mullen , Victorian Forensic Psychiatry Services, Australia.: The impact of stalkers on their victims. In: The British Journal of Psychiatry. Nr. 170:, 1997, S. 12–17 (Zusammenfassung d. Artikels – Originaltitel: Englisch.).
- ↑ J. Reid Meloy: The Psychology of Stalking. Clinical and Forensic Perspectives. Academic Press, San Diego 1998, ISBN 0-12-490560-9.
- ↑ Stefan Stieger, Burger Christoph, Anne Schild: Lifetime prevalence and impact of stalking: Epidemiological data from Eastern Austria. Eur. J. Psychiat. Vol. 22, N.° 4, (235-241), 14. Oktober 2008, abgerufen am 23. Juli 2009.
- ↑ http://www.cyberbullying.us/
- ↑ Materialien zur Gleichstellungspolitik: Stalking: Grenzenlose Belästigung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
- ↑ ZEIT online: Erste Stalker-Beratungsstelle eröffnet. 23. April 2008
- ↑ Polizeiliche Kriminalstatistik 1987-2007 (Grundtabelle), S. 34.
- ↑ Christoph Burger, Anne Schild, Stefan Stieger: Lifetime prevalence and impact of stalking: Epidemiological data from Eastern Austria. In: univie.ac.at. ICP2008, 21. Juli 2008, abgerufen am 17. Januar 2008 (englisch).
- ↑ Stefan Stieger, Burger Christoph, Anne Schild: Lifetime prevalence and impact of stalking: Epidemiological data from Eastern Austria. Eur. J. Psychiat. Vol. 22, N.° 4, (235-241), 14. Oktober 2008, abgerufen am 24. Februar 2008 (englisch).
- ↑ Vgl. Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 2. Oktober 2007 Az. 9 UF 137/07
- ↑ Vgl. Amtsgericht Bielefeld, Urteil vom 22. Mai 1979, 5 C 234/79
- ↑ „Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellung“