Empfängerbenennung
Als Empfängerbenennung bezeichnet man die Verpflichtung des Steuerpflichtigen gem. § 160 Abgabenordnung den Empfänger von Zahlungen zu benennen. Die Benennung des Empfängers von Zahlungen soll sicherstellen dass Ausgaben, die bei dem einen Steuerpflichtigen steuermindernd berücksichtigt werden, beim Empfänger als Einnahme berücksichtigt werden (sog. Korrespondenzprinzip). Alleiniger Zweck des §160 AO ist die Verhinderung von Steuerausfällen in Deutschland [1]. Über §160 AO sollen besonders solche Steuerausfälle verhindert werden, die dadurch entstehen können, dass beim Zahlenden die Aufwendungen zu einer Steuerminderung führen, während der Empfänger unbekannt bleibt und die dortige Erhöhung ausbleibt.
Historische Entwicklung
Aufgrund eines Gutachtens des Reichsfinanzhofs wurde mit Steueranpassungsgesetz vom 16.10.1934 §205a in die Reichsabgabenordnung und dort in die Vorschriften über die Steueraufsicht eingefügt. In der amtlichen Begründung hieß es hierzu, dass „die abzugsfähigen Beträge in der Regel von anderen Personen zu versteuern sind“ .
Bereits damals sah der Gesetzgeber das Korrespondenzprinzip als wichtigsten Zweck der Vorschrift an. In dieser Zeit bekam §205a RAO auch seine Bezeichnung als „Schmiergeldparagraph“. Damals vertrat der Gesetzgeber zudem die Ansicht, dass §205a RAO auch ordnungspolitische Zwecke verfolgen würde. Ziel sei es auch gewesen verwerfliche Geschäftsgebaren, insbesondere Schmiergeldzahlungen und Schwarzmarktgeschäften entgegen zu wirken. Heute wird dieser Zweck lediglich als Nebenzweck angesehen, da durch Vorschriften in materiell-rechtlichen Steuergesetzen §160 AO in solchen Fällen keine Anwendung mehr findet. Beispielsweise ist die Abzugsfähigkeit von Schmiergeldzahlungen als Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG ausgeschlossen, somit findet §160 AO hier keine Anwendung mehr. Im Jahre 1977 wurde §205a RAO als §160 in die Abgabenordnung übernommen.
Systematik
Systematische Stellung
§160 AO ist gesetzessystematisch in die Vorschriften über die Steuerfestsetzung aufgenommen werden. Aus dieser Stellung innerhalb des Gesetzes folgt, dass §160 AO keine generelle bzw. besondere Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen begründet. Die Empfängerbenennung dient folglich auch nicht der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen des Steuerpflichtigen sondern soll lediglich den Steuerausfall beim Gläubiger verhindern. Zwar ist die Norm keine Haftungsnorm im Sinne der AO, jedoch wird ihr eine Art Gefährungshaftung zugeschrieben, da der Steuerpflichtige für nicht unbedingt selbst verschuldete Steuergefährdung einzustehen hat. Weiterhin soll die Vorschrift auch nicht der Bestrafung von im Geschäftsverkehr unredlich handelnden Steuerpflichtigen dienen. Dennoch wird §160 AO als Nebenzweck zugeschrieben, dass solche gesellschaftspolitisch unerwünschten Praktiken zumindest erschwert werden.
Ermessen
Obwohl dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig hervorgeht enthält §160 AO eine zweistufige Ermessensentscheidung im Sinne des § 5 AO. Zunächst hat die Finanzbehörde auf der ersten Stufe ein Auswahl- und Entschließungsermessen. Auf dieser Stufe hat die Finanzbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen hierüber zu entscheiden, ob sie den Steuerpflichtigen überhaupt zur Empfängerbenennung auffordern will [2].
Soweit eine Beantwortung durch den Steuerpflichtigen erfolgt bzw. auch nicht erfolgt ist, so hat die Finanzbehörde auf der zweiten Stufe ein Rechtsfolgeermessen. Dabei ist der Ermessensspielraum der Finanzbehörde jedoch eingeschränkt. Bei Benennung des Empfängers scheidet eine Versagung des Abzugs aufgrund §160 AO aus. Eine Nichtbenennung führt im Regelfall zu einer Versagung des Abzugs, jedoch ergibt sich über das Wort „regelmäßig“ eine Ermessensermächtigung an die Finanzbehörde in Ausnahmefällen anders zu verfahren (sog. atypische Fälle).
Tatbestandsmerkmale
Lasten und Ausgaben
Von §160 AO werden nach enumerativer Aufzählung erfasst: Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben.
Art | Bedeutung |
---|---|
Schulden | Verpflichtung zur einmaligen Leistung |
andere Lasten | Verpflichtung zu wiederkehrenden Lasten (z.B. Renten, Nießbrauch) |
Betriebsausgaben | betrieblich veranlasste Aufwendungen, vgl. § 4Abs. 4 EStG |
Werbungskosten | Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, § 9 EStG |
andere Ausgaben | alle (übrigen) Aufwendungen, die steuermindernd geltend gemacht werden können, z.B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen |
§160 AO will jede Art von steuerlich erheblichen Belastungen oder Aufwendungen ohne Rücksicht auf die Steuerart erfassen. Hierbei ist zu beachten, dass §160 AO nur die dem Grunde und der Höhe nach abzugsfähigen Lasten und Ausgaben erfasst, das heißt soweit Lasten und Ausgaben nach den Einzelsteuergesetzen nicht zu berücksichtigen sind (z.B. aufgrund Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 EStG oder auch: § 9 Abs. 5 EStG) werden diese von §160 AO gar nicht erst erfasst [3].
Steuerausfall beim Gläubiger
Wie bereits mehrfach ausgeführt ist das Ziel des §160 AO mögliche Steuerausfälle beim Gläubiger zu vermeiden. Hieraus folgt, dass §160 AO keine Anwendung findet, wenn ein Steuerausfall beim Gläubiger ausscheidet. Betriebsausgaben dürfen im Zweifel nur soweit gekürzt werden, wie sie dem Steuerausfall beim Gläubiger entsprechen. Somit kann es zu prozentuale Kürzung der Lasten und Ausgaben des Steuerpflichtigen kommen. Hierbei wird bei der Berechnung der Kürzung ein (angenommener) Steuersatz des Zahlungsempfängers zugrunde gelegt. Unklarheiten gehen hierbei nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu Lasten des Zahlenden.
Ein Steuerausfall beim Gläubiger scheidet aus, wenn der Empfänger die Einnahme ordnungsgemäß steuererhöhend angesetzt hat. Weiterhin ist keine Kürzung möglich, wenn der Ansatz beim Zahlungsempfänger keine steuererhöhende Wirkung erzielt (z.B. weil die zugeflossenen Beträge unter dem Grundfreibetrag liegen).
Bei Geschäften mit unlauterem Geschäftsgebaren (sog. Ohne-Rechnungsgeschäfte oder Schwarzarbeit), bei ungewöhnlichen Zahlungswegen (z.B. Barzahlungen in großem Umfang, Zalungen auf ein Konto in einem Steueroasenlan bzw. sowie an ausländische Unternehmen für inländische Tätigkeit) besteht nach herrschender Meinung ein begründeter Verdacht, dass die Nichtbenennung des Zahlungsempfängers zu einem Steuerausfall führt. Hier ist regelmäßig zu prüfen ob ein Benennungsverlangen gestellt werden kann / soll.
§160 AO gilt nur für Steuerausfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Die Vorschrift schützt ausschließlich deutsche Steuerinteressen. Steht mit hinreichender Sicherheit fest, dass eine Zahlung an einen Empfänger gelangt ist, der in Deutschland nicht steuerpflichtig ist, so ist §160 AO folglich auch nicht anwendbar.
Benennungsverlangen
Das Benennungsverlangen ist die Aufforderung der Finanzbehörde an den Steuerpflichtigen den Empfänger einer Zahlung zu benennen.
Benennungsverlangen als Verwaltungsakt?
Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei einem Benennungsverlangen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 118 AO, da es an einer rechtliche Regelung im konkreten Einzelfall mangelt. Der Bundesfinanzhof hat das Benennungsverlangen als eine nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung zur Steuerfestsetzung qualifiziert [4].
Im Schrifttum ist jedoch herrschende Meinung, dass diese rechtliche Regelung im konkreten Einzelfall vorliegt, da eine zwingende Benennung zum Schutz vor der Rechtsfolge der Nichtberücksichtigung erforderlich ist. Nach Klaus Tipke handelt es sich hierbei jedoch um einen besonders gravierenden Eingriff in die Sphäre des Steuerpflichtigen. Weiter führt er aus, dass ein Benennungsverlangen eine rechtliche Regelung enthalte, da es die Rechtsposition des Steuerpflichtigen verändert.
Anforderungen an ein Benennungsverlangen
Eine Formerfordernis an das Benennungsverlangen ist im Gesetz nicht festgeschrieben. Aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere aber aus Beweisgründen haben die Finanzgerichte im Zuge der Rechtsfortbildung besondere Anforderungen an eine Benennungsverlangen gestellt. Wegen der Rechtsfolge der Nichtberücksichtigung muss der Steuerpflichtige die Rechtsgrundlage der Aufforderung den Empfänger zu benennen zweifelsfrei erkennen können. Dies ist in aller Regel nur bei schriftlichem Benennungsverlangen möglich. Zudem lässt ein schriftliches Benennungsverlangen eine spätere Überprüfung durch die Finanzgericht zu und macht eine Überprüfung der auch hier erforderlichen inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit erst möglich. Nicht zuletzt wird erst hierdurch das Finanzgericht in die Lage versetzt die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde nachzuvollziehen und zu überprüfen ob die Finanzbehörde ihr Ermessen richtig ausgeübt hat [5]. Auch wenn der Bundesfinanzhof dem Benennungsverlangen den Charakter eines Verwaltungsaktes abspricht so wird von diesem dennoch die inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 119 Abs. 1 AO verlangt.
Abgrenzung Benennungsverlangen von Auskunfts- bzw. Vorlageersuchen
Im Schrifttum wird desöfteren in Frage gestellt, ob §160 AO überhaupt benötigt wird, da dem Steuerpflichtigen durch die in den §§90ff. AO geregelten generellen Mitwirkungspflichten bereits umfangreiche Auskunfts- und Vorlagepflichten auferlegt worden sind. Hierbei wird jedoch schnell verkannt, dass der Steuerpflichtige sich gegen diese Pflichten zur Offenlegung des Zahlungsempfängers in teilweise langwierigen Rechtsbehelfsverfahren wehren kann bzw. bei Nichtbenennung die Finanzbehörde ein Zwangsgeldverfahren anstrengen muss. Mit §160 AO ermächtigt der Gesetzgeber die Finanzbehörde eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Beweiswürdigung vorzunehmen um eine zeitraubende Behinderung des Steuerfestsetzungsverfahren zu vermeiden. Nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung trifft Steuerpflichtige bei Steuervergünstigungen ohnehin die Beweislast [6].
Auskunfts- bzw- Vorlageersuchen als auch Benennungsverlangen ist die inhaltliche hinreichende Bestimmtheit i.S.v. § 119 Abs. 1 AO gemein. Auch sind jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Zweck-Mittel-Relation: zumutbar, notwendig und erfüllbar?) zu beachten (sog. Übermaßverbot). Die Unterschiede sind jedoch weitaus gravierender:
Benennungsverlangen | Auskunfts- bzw. Vorlageersuchen | |
---|---|---|
gesetzliche Grundlage | § 160 AO | § 93 bzw. § 97 AO |
Stellung im Gesetz | Vorschriften über die Steuerfestsetzung | allgemeine Mitwirkungsvorschriften |
Form | (in der Regel) schriftlich | formlos |
Verwaltungsakt i.s.d. AO | keine Verwaltungsakt | Verwaltungsakt im Sinne von § 118 AO |
Selbständigkeit | unselbständiger Teil der Steuerfestsetzung | Selbständiger Verwaltungsakt |
Einspruch | nicht selbständig anfechtbar | anfechtbar gem. § 347 Abs.1 Nr. 1 AO |
Vollstreckbarkeit | kann nicht vollstreckt werden | vollstreck- und erzwingbar |
Benennung des Empfängers
Der Zahlungsempfänger ist bei der Beantwortung eines Benennungsverlangens genau zu benennen, damit die Finanzbehörde ohne große Schwierigkeiten die ordnungsgemäße Besteuerung beim Empfänger vornehmen kann. Nach gefestigter finanzgerichtlicher Rechtsprechung zählen hierzu:
- vollständiger Name (des Zahlungsempfängers)
- Anschrift
- Angaben über Art der Leistungen
- Angaben über Bezahlung der Leistung
Name und Anschrift des Benannten sind im Zeitpunkt der Leistungserbringung entscheidend. Spätere Veränderungen gehen dabei nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Wenn Personen zwischengeschaltet werden, die die Leistungen nicht selbst erbracht haben (z.B. Installation eines Strohmanns um gegenüber dem Finanzamt nicht als Leistender auftreten zu müssen) so gilt als Empfänger der Zahlung die Person an die die Zahlung letztlich gelangt ist [7].
Auskunftsverweigerungsrechte
Ob und inwiefern gesetzliche Auskunftsverweigerungsrechte im Rahmen der Empfängerbenennung berührt werden ist gesetzlich nicht hinreichend kodifiziert. Allein aus der Formulierung in §160 Abs. 2 AO kann lediglich entnommen werden, dass die Auskunftsverweigerungsrechte und der Zweck der Vorschrift sich einander nicht berühren [8]. Das Bundesministerium für Finanzen hat zudem darauf hingewiesen, dass bei Anhaltspunkte für straf- oder bußgeldbewehrte Bestechungshandlungen die Benennung des Empfängers stets zu verlangen ist. Jedoch soll der Steuerpflichtige darüber belehrt werden, dass ihm ein Aussageverweigerungsrecht zusteht. [9].
Einzelnachweise
- ↑ BFH-Urteil vom 10.03.1999, BStBl. II 1999, 434 bzw. AEAO zu §160 Nr. 4
- ↑ BFH-Urteil vom 25.11.1986 - VIII R 350/82 - BStBl. 1987 II S. 286
- ↑ BFH-Urteil vom 14.06.2005 - BFH/NV 2005, 2161
- ↑ BFH-Urteil vom 20.04.1988 - I R 64/84 - BStBl. II 2. 927
- ↑ Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 31.03.2005, Az. 6K 24/99
- ↑ Ax / Große / Melchior, AO und FGO (Blaue Reihe), S. 237 Tz. 1056
- ↑ BFH-Urteil vom 30.11.2004 - BFH/NV 2004, 919
- ↑ Tipke/Kruse zu §160 Rz. 18
- ↑ BMF-Schreiben 10.10.2002, BStBl. I 1031, Tz. 30
Literaturverzeichnis
- Ax / Große / Melchior, AO und FGO (Blaue Reihe), Schäffer-Poeschel-Verlag, Stuttgart, 19. Auflage, ISBN 978-7910-2592-6
- Lammerding, AO und FGO (Grüne Reihe), Erich Fleischer Verlag, Arnim, 14. Auflage
- Dr. Klaus Tipke, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln-Marienburg, 7. Auflage
- Brummer / Krohnthaler / Neißer / Schwenke (Wolfs Steuerleitfäden), Leitfadenverlag Sudholt, 11. Auflage
- Tipke / Kruse, AO / FGO Kommentar, Bd. II, vgl. Tipke zu §160 AO