Linzer Auge (Stahlkonstruktion)

Als Linzer Auge wird eine Stahlkonstruktion in Linz bezeichnet, die von der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg für das Linzer Kulturhauptstadtsjahr 2009 initiiert wurde. Es handelt sich um ein Ponton, das als drehbare Plattform geplant und in der Nähe des Ars Electronica Centers in der Donau befestigt wurde. Die Plattform hat einen Durchmesser von 16,52 Meter, eine Tragkraft von 15 Tonnen und bietet Platz für 200 Personen. Die Wasseröffnung in der Mitte des Linzer Auges ist ca. 40 cm tief und mit einem Sicherheitsblech versehen. Die Plattform sollte den Besuchern wegen der Lage in der Donau und der Rotation eine ungewöhnliche Perspektive auf Linz ermöglichen.[1][2] Die vorgesehene Drehbewegung von ca. 0,5 m/s durch die Wasserkraft der Donau konnte aufgrund von Planungs- und Fertigungsmängel nicht realisiert werden. Erst durch den nachträglichen Einbau eines Elektromotors wurde eine kontinuierliche Drehung von drei Drehungen pro Minute erreicht. Die Plattform wurde im Juni 2010 während eines Hochwassers aus der Verankerung gerissen, schwer beschädigt und versank. Nach der Bergung gilt eine Reparatur und Neuaufstellung als unwahrscheinlich.
Bau

Am 25. November 2008 wurde von der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg der Bau des Linzer Auges angekündigt. Die Projektkonzeption für das Linzer Auge erfolgte durch die Wiener Architektengruppe feld72. Als Planungsdauer wurden etwa zwei Jahre angegeben.
Die Bauarbeiten in Linz, unter anderem die Erstellung des Fundaments, wurden von der ALPINE Bau GmbH übernommen. Der Auftrag für den Bau des Pontons wurde aus Kostengründen an eine ausländische Firma vergeben, da die Fertigung bei der österreichischen Firma MCE AG ca. 50.000€ teurer gewesen wäre.[3]
Die Plattform wurde in Bratislava von der H.A.W.K. v.o.s. Schiffswerft in vier Monaten Bauzeit gefertigt und über die Donau nach Linz geschleppt. Ursprünglich hätte das Linzer Auge bereits im Mai 2009 für Besucher zugänglich sein sollen[4], die Plattform kam allerdings erst mit einiger Verspätung im August 2009 in Linz an, wofür das Hochwasser der Donau verantwortlich gemacht wurde.
Nachdem zuerst das Fundament geändert werden musste, fand das Eröffnungsfest am 21. August 2009, drei Tage später als geplant, statt.[5] Die geplante Freigabe für die Öffentlichkeit am 24. August musste kurzfristig abgesagt werden, da die Benützungsbewilligung erst nach Aufbringen eines rutschfesten Bodenbelags erteilt wurde. Am 11. September wurde die Plattform, ohne Drehung, erstmals für die Bevölkerung zugänglich gemacht.[6] Als Ursache für die fehlende Drehfunktion galten zunächst die zu unpräzise gefertigten und eingebauten Lager.
Die Plattform wurde am 23. Oktober 2009 für eine erste Nachbesserung durch die MCE im Linzer Hafen wieder abgetragen. Der geplante Termin für den Wiederaufbau Ende Oktober musste nach der Begutachtung der Fertigungsmängel auf Ende November verschoben werden.[7] Für die Nachbesserung wurde die Plattform in drei Teile zerlegt, um die ungenau gefertigten 122 Führungs- und Tragerollen auszuwechseln.[8] Die Sanierung erfolgte an sechs Tagen in der Woche (06:00 bis 22:00) im Zweischicht-Betrieb mit jeweils vier Mann. Die Plattform wurde am 29. November, einen Tag später als geplant, wieder an ihrer vorgesehenen Position verankert. Für einen Test der Drehbewegung wurde die Plattform durch neun Personen mit Muskelkraft zusätzlich „angeschoben“.[9] Die Drehbewegung durch die Wasserkraft der Donau aufrecht zu erhalten konnte allerdings nicht erreicht werden. Als Grund für die weiter ausbleibende Drehbewegung galten jetzt die, für die Fließgeschwindigkeit der Donau zu klein geplanten und gefertigten Schaufeln der Plattform.
Die zweite Nachbesserung sah ein Austarieren der Plattform und ggf. Vergrößern der Schaufelflächen vor.[10] Der Versuch am 2. Dezember 2009 die Einzelelemente der Plattform mit 600 Sandsäcken so auszutarieren, dass die Reibung klein genug für eine selbständige Drehung ist, scheiterte. Im Anfang 2010 fertig gestellte Gutachten der Schiffbautechnischen Versuchsanstalt Wien werden sowohl Fehler bei der Berechnung als auch Fabrikationsfehler der Werft für das Ausbleiben der Drehung verantwortlich gemacht.[11] Die Drehung alleine durch die Wasserkraft der Donau aufrecht zu erhalten ist daher, ohne einen umfangreichen Um- bzw. Neubau, laut Ziviltechnikerkammer, nicht zu realisieren.[12]
Nach der dritten Nachbesserung, die am 13. April 2010 begann, wurde die permanente Drehbewegung durch den zusätzlichen Einbau eines Elektromotors unterstützt.[13] Die Arbeiten wurden vor Ort von der MCE AG durchgeführt und am 3. Mai abgeschlossen.

Hochwasser Juni 2010

In der Nacht vom 3. auf 4 Juni 2010 wurde das Linzer Auge von der Hochwasser führenden Donau aus der Verankerung gerissen und zur naheliegenden Anlegestelle der Schönbrunn gespült. In einem Goßeinsatz der Berufsfeuerwehr wurde das Linzer Auge zunächst gesichert und am Abend des 4. Juni geborgen.[14]
Rudolf Kolbe, der als Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten das Linzer Auge in Auftrag gegeben hatte, bestätigte, dass ihm von Fachleuten mehrfach erklärt wurde, dass die Stahlkonstruktion auch ein Jahrhunderthochwasser überstehen würde. Das Linzer Auge wird voraussichtlich nicht mehr an seinen Platz vor das AEC zurückgebracht.[15]
Finanzierung
Der Stahl für das ca. 58 Tonnen schwere Ponton wurde von der voestalpine geschenkt;[16] und der Bau sollte ursprünglich von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, der Energie AG und den Veranstaltern von Linz09 gesponsert werden. Die Kosten für den Bau (ohne die notwendigen Nachbesserungen und Gutachten) werden mit ca. 300.000 € angegeben.
Aufgrund der Mängel wurden die Verträge von den vorgesehenen Sponsoren als nicht erfüllt angesehen, woraufhin diese den Vertrag auflösten.[17]
Über die Gesamtkosten liegen derzeit keine öffentlich verfügbaren Daten vor. Aufgrund der zahlreichen aufwendigen Nachbesserungen kann davon ausgegangen werden, dass ein mehrfaches der ursprünglich angesetzten Baukosten angefallen ist. Wer die Verantwortung für die Planungs- und Konstruktionsfehler und damit die Kosten für die Nachbesserungen übernehmen muss, ist noch nicht geklärt, so wird z.B. versucht die slowakische Werft für die Konstruktionsfehler in Regress zu nehmen.
Kritik
Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten lehnt die Übernahme der Verantwortung für die Probleme bei der Konstruktion ab und verweist auf Berechnungsfehler der Planer und Fabrikationsfehler der Werft.
Aufgrund der Pannen beim Bau und der Inbetriebnahme war das Linzer Auge bei der Bevölkerung umstritten. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass der Standort der Plattform in unmittelbarer Nähe der Nibelungenbrücke nur sehr bedingt als Aussichtspunkt auf Linz geeignet ist. Mit Hinblick auf die Grazer Murinsel, die 2003 ebenfalls als Projekt der Kulturhauptstadt errichtet wurde, ist die Stahlkonstruktion als wenig attraktiv empfunden worden. In der Bevölkerung wird sie daher auch abfällig als Nudlaug oder Fades Aug bezeichnet.[18] [19]
Einzelnachweise
- ↑ http://www.linzerauge.org/auge/de/node/4
- ↑ http://www.linz09.at/de/projekt-2112104/linzer_auge.html
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,405636 Oberösterreichische Nachrichten, 5. Juni 2010
- ↑ http://ooe.orf.at/stories/389243/
- ↑ http://ooe.orf.at/stories/385041/
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/linz/art66,258087
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,273960 Oberösterreichische Nachrichten, 10. Oktober 2009
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,284987 Oberösterreichische Nachrichten, 30. Oktober 2009
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,302374 Oberösterreichische Nachrichten, 1. Dezember 2009
- ↑ http://derstandard.at/1259280878161/Linzer-Auge-Ohne-Drehung-dafuer-mit-Loch Der Standard, 30. November 2009
- ↑ http://www.krone.at/krone/S152/object_id__182671/hxcms/ krone.at
- ↑ http://ooe.orf.at/stories/435734 Orf, 13. April 2010
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,369952 Nachrichten, 13. April 2010
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,405556
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,405648
- ↑ Oberösterreichische Nachrichten, 16. Sept 2009, S 22
- ↑ http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,310873>Oberösterreichische Nachrichten, 19. Dezember 2009
- ↑ http://ooe.orf.at/stories/390144/ Orf.at
- ↑ http://www.rundschau.co.at/rsooe/ooe/story.csp?cid=13597896&sid=77&fid=55 Rundschau
Weblinks
Koordinaten: 48° 18′ 33,1″ N, 14° 17′ 4,6″ O