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Joachim Gauck

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Joachim Gauck (2008)

Joachim Wilhelm Gauck (* 24. Januar 1940 in Rostock) ist Pfarrer, Mitbegründer des Neuen Forums und Vorsitzender der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie. Er war in der sogenannten „Gauck-Behörde“ (offiziell BStU) der erste Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Gauck wurde von den Parteivorsitzenden der SPD und der Grünen zum Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl 2010 nominiert.[1]

Leben

Gauck bei einer IGFM-Pressekonferenz im Jahr 2002

Gauck ist der Sohn eines Seemanns (Kapitän). Sein Vater wurde 1951 vom sowjetischen Geheimdienst wegen angeblicher Spionage verhaftet und bis 1955 nach Sibirien deportiert. Joachim Gauck bezeichnete diese Erfahrung als den Zeitpunkt, an dem er politisiert wurde.[2] Er wollte eigentlich Journalist werden. Da er aber kein Mitglied der staatlichen Jugendorganisation FDJ war und deshalb keinen Studienplatz für Germanistik bekam, studierte er von 1958 bis 1965 in seiner Heimatstadt Rostock Theologie und arbeitete nach seiner Ordination bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs als Pastor in Lüssow (Kreis Güstrow) und ab 1971 in Rostock-Evershagen. Zusätzlich war er als Kreis- und Stadtjugendpfarrer in Rostock tätig. Zwischen 1982 und 1990 war er der Leiter der Kirchentagsarbeit in Mecklenburg.

Als sich 1989 in der Bevölkerung der Widerstand gegen die Regierung formierte, wurde Gauck Mitglied des Neuen Forums Rostock, zu dessen Sprecher er bald avancierte. Er leitete die wöchentlichen Gottesdienste und führte die anschließenden Groß-Demonstrationen an.

Ab März 1990 bis zur Auflösung der DDR im Oktober desselben Jahres vertrat Gauck als Abgeordneter das Neue Forum in der Volkskammer. Dort übernahm er die Leitung des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)/Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) und wurde zu einem der Initiatoren des Stasi-Unterlagen-Gesetzes der Volkskammer. Am 2. Oktober 1990, dem letzten Tag des Bestehens der DDR, wurde der parteilose Gauck von der Volkskammer zum Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR gewählt und am Tag darauf von Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes in dieser Funktion bestätigt. Mit Inkrafttreten des Stasi-Unterlagengesetzes am 2. Januar 1992 wechselte die Bezeichnung dieses Amtes noch einmal: Gauck war jetzt Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Die 2000-Mitarbeiter-Behörde wird, aufgrund ihres sperrigen offiziellen Titels, umgangssprachlich oft nach ihrem Leiter als „Gauck-Behörde“ bezeichnet. Die erste Amtszeit dauerte bis 1995, Gauck wurde danach für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Da dieses Amt per Gesetz nur zwei Amtszeiten lang bekleidet werden darf, stellte sich Gauck 2000 nicht einer Wiederwahl. Seine Nachfolgerin im Amt wurde Marianne Birthler. Angebote als Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung oder als Bundestagsabgeordneter für die SPD lehnte der Parteilose ab, so dass er seit 2000 keine politischen Ämter mehr innehat. Vom 3. bis zum 4. Oktober 1990 war er, von der Volkskammer nominiert, Bundestagsabgeordneter, bis er wegen seiner Funktion als Sonderbeauftragter das Mandat niederlegte. Er war somit der am kürzesten amtierende Bundestagsabgeordnete aller Zeiten.

2009 in der Paulskirche in Frankfurt

Gauck betrachtet die Vereinigung von Bündnis 90, wo er Mitglied war, mit den Grünen von 1993 sehr kritisch und distanziert sich heute von der Partei.[3] Joachim Gauck ist Vorsitzender des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie.[4] Sich selbst bezeichnet er als „linken, liberalen Konservativen“ und „aufgeklärten Patrioten“.[5] Gauck räumt ein, der Kapitalismus sei nicht perfekt und erzeuge unter anderem Gier, wandte sich aber anlässlich der Finanzkrise 2008 auch gegen größere Kapitalismuskritik.[6] Er ist Mitglied des Verbandes Atlantik-Brücke und Mitglied im Senat der von Helmut Schmidt, Kurt Biedenkopf u.a. gegründeten Deutschen Nationalstiftung.

Gauck sprach sich erfolglos dagegen aus, die am 31. Dezember 1997 auslaufende Verjährungsfrist für mittelschwere Straftaten aus Zeiten der DDR zu verlängern. Als Begründung nannte er, dass er nicht genügend Erfolge durch die bisherige Verlängerung gesehen habe. Auch sprach er sich ein Jahr später dagegen aus, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu beenden, da noch immer eine große Zahl von Anträgen auf Akteneinsicht in seiner Behörde unbearbeitet geblieben waren. „Erinnerung“, so Joachim Gauck in der Süddeutschen Zeitung vom 13. Oktober 1997, „ist ein therapeutischer Prozess. Nur so kann man lernen.“

Er ist einer der Erstunterzeichner der Prager Erklärung und der Erklärung über die Verbrechen des Kommunismus.[7][8]

Gauck hielt am 3. Oktober 2007 die Festrede im Sächsischen Landtag zum Jahrestag der Deutschen Einheit[9]. Die gesamte Die Linke-Fraktion hat deswegen den Festakt boykottiert[10].

1999 wurde Gauck innerhalb der CSU als Bundespräsidentschaftskandidat vorgeschlagen und war auch in den folgenden Jahren als möglicher Kandidat für die Parteien CDU/CSU und FDP im Gespräch.

Privates

Gauck hat vier Kinder. Zwei Söhne waren Ende 1987 und eine Tochter im Juni 1989 in den Westen ausgereist.[11]

Schriften und Bücher (Auszug)

Reden (Auszug)

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Artikel auf FAZ.net: „Ein großer Ermutiger der Demokratie“, 4. Juni 2010
  2. „Wir Deutsche können Freiheit“, Interview in der Ostseezeitung Rostock, 23./24. Januar 2010
  3. Der Tagesspiegel (2003) „Wie weit darf man gehen, Herr Gauck?“ Interview.
  4. Gegen Vergessen - Für Demokratie
  5. Ludwig Greven: "Kompetenter Freigeist ohne Chance", in: Zeit Online, 4. Juni 2010
  6. Deutschlandfunk (2008) „Wir sind besonders begabt für Angst und Ängste“ Interview
  7. Prague Declaration - Declaration Text. 3. Juni 2008, abgerufen am 28. Januar 2010.
  8. Declaration on Crimes of Communism. 25. Februar 2010, abgerufen am 3. Juni 2010.
  9. http://www.landtag.sachsen.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/1378_3646.aspx
  10. http://www.bild.de/BILD/politik/2010/06/05/wulff-und-gauck-im-interview/kandidat-joachim-gauck/linke/warum-die-linke-gauck-nicht-waehlt.html
  11. Bericht über die Buchvorstellung der Biographie „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ [1]
  12. Rede zum Dolf Sternberger-Preis 2000

Siehe auch

Commons: Joachim Gauck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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