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Tag (Altes Ägypten)

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Tag in Hieroglyphen
Altes Reich
Mondsichel mit Erdschein

Ein Tag im Alten Ägypten entsprach 24 altägyptischen Stunden, die in „12 Tages-” und „12 Nachtstunden” aufgeteilt waren. Die zwölf Tagesstunden begannen üblicherweise mit dem Sonnenaufgang und dauerten bis zum Sonnenuntergang, denen die zwölf Nachtstunden folgten. Die sichtbare Sonne markierte so den lichten Tag. Das Datum wechselte daher im ägyptischen Kalender nicht wie im gregorianischen und julianischen Kalender zu Mitternacht, sondern mit Sonnenaufgang.[1]

Der erste Monatstag im altägyptischen Mondkalender begann am Tag des Verschwindens der Altlicht-Mondsichel in der Morgendämmerung vor Sonnenaufgang. Da die letzten Nachtstunden zum alten Tag gehörten, war somit die Nichtsichtbarkeit des Mondes ein zuverlässiger Signalgeber unmittelbar vor der aufgehenden Sonne. Bei Neumond ist grundsätzlich keine Sichtung einer Mondsichel möglich, da der Mondaufgang fast gleichzeitig mit der Sonne ohne Mondsichelbildung erfolgt und der Neulichtmond nicht mit bloßem Auge gesehen werden kann.

Der altägyptische Tag datierte immer über den Zeitraum von zwei julianischen/gregorianischen Tagen. Heliakische Aufgänge von Sternen gehörten immer dem alten Tag an, weshalb sie im julianischen/gregorianischen Kalender um einen Tag zurückzudatieren sind. Wenn beispielsweise Sirius als Signalgeber der Nilschwemme am 20. Juni seinen heliakischen Aufgang hatte, zählte dieses Ereignis im altägyptischen Kalender noch zum 19. Juni.

Definition des altägyptischen Tages

Horizontlinie (Computergrafik)

Der ägyptische Kalender war in 36 Wochen unterteilt, die jeweils zehn Tage umfassten. Jeder Wochenanfang hatte den Dekan-Tag als Grundlage, dessen Beginn durch den heliakischen Aufgang des zuständigen Dekan-Sterns bestimmt wurde. Die letzten fünf Tage des Jahres nannten die Ägypter Heriu-renpet (Epagomene).

In der Ägyptologie fanden in der Vergangenheit kontroverse Diskussionen über den Zeitpunkt des Beginns eines altägyptischen Tages statt. Aufgrund unklarer Aussagen in Quellen, die der altägyptischen Mythologie zuzurechnen sind, zählten einige Ägyptologen die Morgen- und Abenddämmerung zu den 12 Tagesstunden. Hingegen definieren sich die 12 Tagesstunden in den Texten der altägyptischen Astronomie bezüglich des altägyptischen Kalenders von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Die von den Ägyptologen in älterer Literatur vorgenommenen Definitionen widersprechen sich teilweise. Es kann daher vorkommen, dass die Literatur jener Ägyptologen als Grundlage für die Definition des Tagesbeginns ab Dämmerung herangezogen wird, die zugleich an anderer Stelle den Tagesbeginn ab Sonnenaufgang festlegt. So erklären beispielsweise Richard Anthony Parker und Otto Neugebauer:

„Die erste Stunde der Nacht beginnt mit der Dunkelheit nach Sonnenuntergang und kein Stern ist nötig, sie (die 1. Nachtstunde) anzuzeigen...Der heliakische Aufgang war für die Auswahl der Dekansterne von entscheidender Bedeutung, denn der Dekan markiert die 12. Nachtstunde.“

Die zwischenzeitlich technisch stark verbesserten astronomischen Berechnungsmöglichkeiten und das Auftauchen neuer Textquellen führten in der Ägyptologie zu Neubewertungen historischer Texte sowie zu Korrekturen fehlerhafter Aussagen in der vorliegenden älteren Literatur.

Mythologische Definition des altägyptischen Tages

Deckendarstellung (Grab Sethos I.)

In der altägyptischen Mythologie stellt die Einteilung der Dämmerungsstunden eine Besonderheit dar, die unter anderem im Stundenkalender des Ramses II. dokumentiert ist. Auch die Ausführungen der Nutbuch-Darstellungen im Grab des Sethos I. beschreiben diese Sondersituation: „Die Orte der ersten beiden Nachtstunden sind die Hände und die Lippen der Himmelsgöttin Nut”. Der Eintritt von Re in die Duat findet zeitgleich mit dem „Verschlucken des Re” statt. Die Verwandlung des „Re in Heliopolis als Sonne des Tages ” in die abendliche Erscheinungsform des Atum stellt die besondere Situation der „Zwischenzeit des Re” anschaulich dar.

Insofern konnten die ersten beiden Nachtstunden in der ägyptischen Mythologie noch zum Tag gezählt werden, da die „Stunden der Nacht” ursprünglich mit dem „Verschlucken des Re” begannen. Gleichbedeutend galt diese Auffassung für die letzten beiden Stunden der Nacht, in denen Re im „Geburtsvorgang” die Duat verlassen, aber noch nicht den Horizont erreicht hatte und als Morgendämmerung in der Erscheinungsform der Gottheit Chepri auftrat.

Kalendarische Definition des altägyptischen Tages

Diagonalsternuhr aus dem Mittleren Reich

Tagesstunden

In der Kalenderrechnung wurde konsequent nach dem Prinzip der Sonnensichtbarkeit verfahren. Die Bezeichnung Tag ist mit dem Erscheinen des Sonnengottes Re verbunden. Daher nannten die Ägypter „jeden Tag” auch „jede Sonne”. Im „Zweibrüdermärchen” wird der Beginn des Tages beschrieben: „Als die Erde für den nächsten Tag hell ward”. Das „hell werden” bezog sich noch auf die Morgendämmerung, die zugleich die zwölfte Stunde der Nacht markierte. Entsprechend galt die Zeit nach Sonnenuntergang als „zweite Tageshälfte, die Dunkelheit, die auf Re folgt”.

Christian Leitz bezeichnet die Aussage von Richard-Anthony Parker und Otto Neugebauer „Die erste Stunde des Tages beginnt mit der Dämmerung“ als „nicht akzeptabel“, da sie den altägyptischen Quellen widerspricht. Dort, beispielsweise im Nutbuch und in den Diagonalsternuhren, wird der heliakische Aufgang konsequent in die 12. Nachtstunde terminiert. Außerdem gelten die akronychischen Untergänge und akronychischen Kulminationen während der Abenddämmerung als Eintritt in die Duat, der sich in der 1. Nachtstunde vollzieht. Auf dem Naos der Dekaden des Nektanebos I. beginnt die Wirksamkeit der Dekane mit der Kulmination am Ende der 12. Nachtstunde.

Alexandra von Lieven verweist in diesem Zusammenhang auf die Funktion der Morgendämmerung, die als „Geburtsphase des Sonnengottes“ anzusehen ist, wobei sich Re noch unterhalb des Horizontes befindet. In gleicher Weise werden die Dekansterne tituliert, „die in der 12. Nachtstunde“ während der Morgendämmerung „geboren werden“, die sich über den „Ausgangstoren der Duat“ befinden.

Nachtstunden

Die Nacht begann mit dem Sonnenuntergang und endete mit dem Sonnenaufgang. Der planmäßige Dekan-Stern markierte mit seinem akronychischen Untergang den Beginn der ersten Nachtstunde. Das Ende der zwölften Nachtstunde kennzeichnete zugleich das Ende des ägyptischen Tages.

Im „Zweibrüdermärchen” wird nach erfolgtem Sonnenuntergang vom gerade vergangenen Tag als „Gestern” und als „Zeit, die nicht zu Re gehört” gesprochen. Die Nächte zu altägyptischen Festen fallen damit immer auf den Vortag, auch wenn der Festbeginn in der Zeit unmittelbar nach Sonnenaufgang stattfindet. Auch das „altägyptische Neujahrsfest” begann „in der Nacht des fünften Tages der Jahreszeit Heriu-renpet”. Mit den ersten Sonnenstrahlen des ersten Achet I hielt das neue Jahr kurze Zeit später Einzug, wobei die „Geburt des Re” noch im alten Jahr den Anfang hatte und im neuen Jahr zum Zeitpunkt des Erscheinens der Sopdet vollzogen war.

Tageslängen

Die Länge einer Tages- oder Nachtstunde schwankte durchschnittlich je nach Jahreszeit im Mittel zwischen 1 h 9 min und 51 min. Die durchschnittlichen Tages- und Nachtlängen hatten in Umrechnung eine Schwankungsbreite von 10 h 21 min (21./22. Dezember) bis 13 h 44 min (21./22. Juni).

Die genannten Zeiten gelten für den Beobachtungsort Memphis. Die Werte ändern sich je nach Breitengrad, wobei die Dämmerungsphasen in nördliche Richtung zunehmende Längen und in südliche Richtung abnehmende Längen aufweisen.

Dauer der Dämmerung, Tag und Nacht in Memphis [2]
Lichtzustand 20./21. März 21./22. Juni 22./23. Sep. 21./22. Dez.
Astronomische Dämmerung 04:39 Uhr 03:22 Uhr 04:24 Uhr 05:21 Uhr
Nautische Dämmerung 05:07 Uhr 03:55 Uhr 04:52 Uhr 05:51 Uhr
Bürgerliche Dämmerung 05:35 Uhr 04:29 Uhr 05:20 Uhr 06:21 Uhr
Sonnenaufgang 06:00 Uhr 04:55 Uhr 05:44 Uhr 06:47 Uhr
Sonnenuntergang 18:00 Uhr 18:53 Uhr 17:44 Uhr 16:53 Uhr
Bürgerliche Dämmerung 18:07 Uhr 19:00 Uhr 17:51 Uhr 17:00 Uhr
Nautische Dämmerung 18:31 Uhr 19:27 Uhr 18:15 Uhr 17:27 Uhr
Astronomische Dämmerung 18:59 Uhr 20:00 Uhr 18:43 Uhr 17:57 Uhr
Nachtdauer (totale Dunkelheit) 19:27 - 04:38 Uhr 20:36 - 03:21 Uhr 19:11 - 04:23 Uhr 18:25 - 05:20 Uhr
Tagdauer (lichter Tag) 06:03 - 18:03 Uhr 04:58 - 18:56 Uhr 05:47 - 17:47 Uhr 06:50 - 16:56 Uhr

Siehe auch

Literatur

  • Christian Leitz: Studien zur ägyptischen Astronomie. Harrassowitz, Wiesbaden 1991, ISBN 3-447-03157-3
  • Christian Leitz: Altägyptische Sternuhren. Peeters, Leuven 1995, ISBN 9-0683-1669-9
  • Jean Meeus: Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth Leipzig 2.Aufl. 2000, ISBN 3-335-00400-0
  • Jean Meeus: Astronomical Tables of the Sun, Moon and Planets. 2. Auflage. Willmann-Bell, Richmond 1995, ISBN 0-943-39602-6.
  • Richard Anthony Parker, Otto Neugebauer: Egyptian Astronomical Texts (EAT), Bd. III: Decans, Planets, Constellations and Zodiacs. Brown University Press, Rhode Island 1969
  • Siegfried Schott: Altägyptische Festdaten. Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz/Wiesbaden 1950
  • Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das sogenannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (u. a.), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5
  • Alexandra von Lieven: Der Himmel über Esna – Eine Fallstudie zur religiösen Astronomie in Ägypten am Beispiel der kosmologischen Decken- und Architravinschriften im Tempel von Esna. Harrassowitz, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04324-5

Einzelnachweise

  1. Siegfried Schott: Altägyptische Festdaten. S. 20.
  2. Werte gemäß Southern Stars Systems SkyChart III, Saratoga, California 95070, United States of America.