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Priesterbruderschaft St. Pius X.

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Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX, von lat.: Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.) sieht sich als eine "Priestervereinigung mit Gemeinschaftsleben ohne Gelübde" der Römisch-Katholischen Kirche, besitzt allerdings keine Anerkennung durch die Kirche. Die FSSPX lehnt Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere die Überarbeitung des Römischen Messbuches und die Verwendung von Volkssprachen als Liturgiesprache ab. Sie entstand unter der Führung des 1988 exkommunizierten Erzbischofs Marcel Lefebvre. Seit 1991 wird die Bruderschaft vom exkommunizierten Bischof Bernard Fellay geleitet.

Zielsetzung, Gründung und Entwicklung

Die FSSPX sieht ihr Ziel in der Erneuerung des Priestertums und betreibt ohne Erlaubnis der Römisch-Katholischen Kirche Priesterseminare. Weiterhin betreibt sie Priorate und Kapellen. Theologisch nimmt sie einen traditionalistischen Standpunkt ein und lehnt das 2. Vatikanische Konzil, die Liturgiereform sowie die Ökumene ab.

Die Priesterbruderschaft wurde 1970 vom Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet. Kurz nach seinem Rücktritt als Generalober der Väter vom Heiligen Geist wurde Lefebvre von Seminaristen des Französischen Seminars in Rom angesprochen, die laut Lefebvre wegen ihres Festhaltens an traditionellen Glaubensvorstellungen und Doktrinen belangt wurden. Diese suchten ein konservatives Seminar, um ihre Studien zu beenden. Er verwies sie an die Universität Freiburg in der Schweiz.

Nachdem Lefebvre 1970 gebeten worden war, diese Seminaristen persönlich zu unterrichten, wandte er sich an den Diözesanbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, François Charrière, welcher die Gründung der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) als "pia unio" genehmigte, einen vorläufigen Status in Richtung eines offiziell anerkannten religiösen Institutes oder einer Gemeinschaft apostolischen Lebens. François Charrière genehmigte den Status "pia unio" zunächst für sechs Jahre ad experimentum.

Als Spannungen zwischen Erzbischof Lefebvre und verschiedenen europäischen Bischöfen entstanden und mit der Zeit größer wurden, berief Papst Paul VI. eine Kommision ein, die den Auftrag erhielt, die Angelegenheit zu untersuchen. In Folge veröffentlichte Lefebvre eine Erklärung, in der er schrieb, die FSSPX lehne es ab und werde es immer ablehnen, dem Rom der neo-modernistischen und neo-protestantistischen Tendenzen zu folgen.

Am 24. Januar 1975 schrieb Bischof Mamie, der Nachfolger von Bischof Charrière, an die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens, dass er nach der sorgfältigen Studie der Erklärung Mgr. Lefebvres die traurige aber dringliche Notwendigkeit sehe, der FSSPX die von seinem Vorgänger gewährte Anerkennung wieder zu entziehen. Kardinal Tabera, Präfekt der Kongregation, antwortet am 25. April. In dem Schreiben drängt er Bischof Mamie dazu, der FSSPX die Anerkennung mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Bischof Mamie informierte Erzbischof Lefebvre am 6. Mai in diesem Sinne. Der FSSPX fehlte nun insbesondere die kirchenrechtliche Grundlage, um ein Priesterseminar zu betreiben.

Lefebvre ignorierte sowohl die Weisungen des Diözesanbischofes als auch die Weisungen Roms und schloss das Priesterseminar in Ecône nicht. Nachdem er am 29. Juni 1976 ohne Erlaubnis FSSPX-Seminaristen zu Priestern weihte wurde er von Papst Paul VI. suspendiert.

In den folgenden Jahren wurden weitere ungenehmigte Weihen von FSSPX-Seminaristen durchgeführt.

Die Bischofsweihen von 1988

Im Jahr 1987 verkündete der fast 82-jährige Lefebvre seine Absicht, einen Nachfolger zu weihen, um sicherzustellen, dass Seminaristen geweiht werden könnten und seinen Anhängern das Sakrament der Firmung gespendet werden könne. Der Heilige Stuhl missbilligte den Plan, begann aber mit Verhandlungen, die am 5. Mai 1988 zur Unterzeichnung einer Vereinbarung führten, die aus zwei Teilen besteht.

Im ersten Teil, der doktrinalen Charakter hat,

  • verpflichtet sich Erzbischof Lefebvre als Vertreter der Priesterbruderschaft St. Pius X. der katholischen Kirche sowie dem Papst und seinem Primat als Oberhaupt der Gesamtheit der Bischöfe immer treu zu sein
  • erklärt, die in Sektion 25 der von Papst Paul IV. promulgierten Dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) ethaltene Lehre über das kirchliche Lehramt und die ihm geschuldete Zustimmung anzunehmen
  • verpflichtet sich, hinsichtlich vom Zweiten Vatikanischen Konzil gelehrten Punkte und nach dem Konzil erfolgten Reformen der Liturgie und des Kultes, bei deren Studium und einem Vorbringen beim Heiligen Stuhl eine positive Haltung einzunehmen und jede Polemik zu vermeiden.
  • erklärt, die Gültigkeit des Meßopfers und der Sakramente anzuerkennen, die in den von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. promulgierten offiziellen Ausgaben des römischen Meßbuches und den Ritualen für die Sakramente enthalten sind.
  • und verspricht, die allgemeine Disziplin der Kirche und die kirchlichen Gesetze zu achten, insbesondere die Gesetze des von Papst Johannes Paul II. promulgierten Kirchlichen Gesetzbuches.

Der zweite (juristische) Teil des Dokumentes, sah vor dass

  • die Priesterbruderschaft eine Gesellschaft Apostolischen Lebens wird
  • Erzbischof Lefebvre oder ein von ihm gebilligter anderer Bischof autorisiert werden, FSSPX Seminaristen zu Priestern zu weihen
  • dem Papst aus praktischen und psychologischen Gründen vorgeschlagen wird, im Rahmen der doktrinalen und kanonistischen Lösung der Wiederversöhnung dem Papst, einen Priester der Brunderschaft zum Bischof zu ernennen, der dann in Zukunft die Aufgabe übernimmt, innerhalb der FSSPX Priesterweihen vorzunehmen
  • eine Kommission eingesetzt wird, die die Aufgabe hat, bestehende Probleme und Konflikte zu lösen sowie den Prozess der Wiederversöhnung zu überwachen
  • der suspensio a divinis von Erzbischof Marcel Lefebvre aufgehoben wird
  • es zu einer „Amnestie“ und einer Genehmigung für die Häuser und Kultstätten, die die Bruderschaft ohne Autorisierung der zuständigen Bischöfe errichtet und benutzt hatte, kommt.

Das Dokument wurde Erzbischof Lefebvre und Kardinal Joseph Ratzinger unterzeichnet und an Papst Johannes Paul II. mit der Bitte um Zustimmung gesandt. Trotzdem verkündete Erzbischof Lefebvre schon am nächsten Tag, sein Gewissen würde ihn dazu verpflichten, die geplante Bischofsweihe am 30. Juni durchzuführen, mit oder ohne päpstliche Erlaubnis.

Am 24. Mai wurde Erzbischof Lefebvre unter der Bedingung, dass er auf der Basis des von ihm unterzeichneten Dokumentes um Versöhnung bitte, versprochen, dass der Heilige Vater einen Priester aus den Reihen der Bruderschaft zum Bischof ernennen würde. Die Weihe würde am 15. August stattfinden. Erzbischof Lefebvre stellte nun drei Bedingungen:

  • die Weihe müsste am 30. Juni stattfinden
  • nicht einer, sondern drei Bischöfe müssten geweiht werden
  • die Mehrheit der einzusetzenden Kommission müsse aus Mitgliedern der Bruderschaft bestehen

Auf Anweisung von Papst Johannes Paul II. schrieb Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof Lefebvre am 30. Mai 1988, dass der Heilige Stuhl die von ihm gestellten Bedingungen als inakzeptabel ansehe.

Am 3. Juni 1988 antwortete Lefebvre aus Ecône, er würde am 30. Juni die von ihm geplanten Bischofsweihen auch ohne Erlaubnis durchführen.

Papst Johannes Paul II. schrieb am 9. Juni 1988 einen persönlichen Brief an Lefebvre, in dem er ihn an die von ihm am 5. Mai unterzeichnete Vereinbarung erinnert und an ihn appelliert, nicht mit seinem Plan fortzufahren, der als nichts anderes als ein schismatischer Akt gesehen würde, und dessen theologischen und kanonischen Konsequenzen Lefebvre kenne. Als Lefebvre auf diesen Brief nicht antwortete, wurde der Brief am 16. Juni 1988 öffentlich gemacht.

Am 30. Juni 1988 weihte Erzbischof Lefebvre nicht wie bereits von ihm angekündigt drei, sondern vier FSSPX-Priester (Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta) unerlaubt zum Bischof.

Als Reaktion auf die unerlaubten Bischofsweihen erließ die Kongregation für die Bischöfe am 1. Juli 1988 ein Dekret [1], in dem Lefebvre als exkommuniziert erklärt wird. Am folgenden Tag bestätigte Papst Johannes Paul II. dieses Dekret mit dem Apostolischen Brief Ecclesia Dei. Der Vollzug illegitimer Bischofsweihen durch Lefebvre im Ungehorsam gegenüber dem Papst sei ein schismatischer Akt. (siehe auch: Codex des Kanonischen Rechtes, Canon 1382 [2])

Gegenbewegung

Einige Priester verließen unmittelbar nach den unerlaubten Bischofsweihen die FSSPX. Sie gründeten noch 1988 die päpstlich anerkannte Priesterbruderschaft St. Petrus. Hinsichtlich ihres theologischen Standpunkts unterscheidet sie sich in mehreren Punkten, insbesondere werden alle Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils anerkannt, unter anderem auch die Ergebnisse der Liturgiereform.

Die FSSPX heute

Die FSSPX betreibt Priesterseminare in Ecône (Schweiz), Zaitzkofen (Deutschland), Flavigny, Goulburn und Winona. Sie ist weltweit tätig: neben Europa (Frankreich, Deutschland, Österreich, Polen und andere) ist sie in Nord- und Südamerika, Asien, Australien und Afrika vertreten. Im Jahr 2005 gehören ca. 455 Priester, 75 Brüder, 115 Schwestern und 70 Oblatinen der Priesterbruderschaft an. Weltweit besitzt die Bruderschaft 175 Priorate und Kapellen und betreut ca. 75 Schulen, 3 Universitäten und 4 Altersheime.

Die Bruderschaft sieht insbesondere die von ihr betreuten Schulen, die "nicht nur Wissen vermitteln, sondern ebenso auf die Erziehung und Charakterbildung der Schüler Wert legen" als "große Hoffnungsträger für die Zukunft". Im Mitteilungsblatt der FSSPX vom Juli 2005 ist zu lesen, der "katholische Lehrer" müsse die "Hauptirrlehren unserer Zeit" erkären, allerdings müsse dabei vermieden werden, diese "zu loben" oder sie "anzunehmen". Schüler müssten sich mit Luther, Descartes, Hume, Kant, Hegel und Sartre in der Weise beschäftigen, wie sich Medizinstudenten mit Krankheiten beschäftigen, mit dem Ziel, diese Krankheiten dann bekämpfen zu können.

In Deutschland begann die FSSPX Mitte der 1990er eigene Privatschulen zu gründen. Im Juni 2005 unterhält sie zwei Gymnasien in Nordrhein-Westfalen sowie eine Grund-, Haupt- und Realschule in Saarbrücken. Seit April 2005 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die die Lehrer und die Leitung der Herz-Jesu-Schule in Saarbrücken wegen Körperverletzung. Einige Eltern und ehemalige Schüler werfen der Schule Misshandlungen vor, ausserdem wird ein Fall von Exorzismus in den 1990er Jahren berichtet. Laut Kultusministerium hat die Schule Übergriffe "in Einzelfällen" eingeräumt.

Unregelmäßig stattfindene Gespräche zwischen Rom, derzeit vertreten durch den Präsidenten der päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, Kardinal Darío Castrillón Hoyos, und der Priesterbruderschaft führten bisher zu keinen wesentlichen Ergebnissen. An der Basis kommt es gelegentlich zu einer Zusammenarbeit zwischen der FSSPX und der Amtskirche.

Kirchenrechtlicher Status der FSSPX

Die katholische Kirche sieht die FSSPX nicht als schismatische Kirche an, sondern beurteilt nur das Verhalten verschiedener Mitglieder der Priesterbruderschaft als schismatisch. Rom hat die Priester der FSSPX von priesterlichen Funktionen entbunden (suspendiert) und ihnen somit verboten, Messen zu feiern und Sakramente zu spenden. Aus diesem Grund und wegen des Risikos der Verbreitung schismatischen Gedankengutes beurteilt die katholische Kirche es unter normalen Umständen als moralisch unerlaubt (morally illicit), wenn Katholiken Gottesdienste der Bruderschaft besuchen.

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