Henri II. de Lorraine, duc de Guise

Henri II. de Lorraine (* 4. April 1614 in Blois; † 2. Juni 1664 Paris) war von 1629 bis 1641 Erzbischof von Reims und ab 1640 bis zu seinem Tod vierter Herzog von Guise, dessen Rang mit einer Pairschaft verbunden war. Zusätzlich trug er die Titel eines Fürsten von Joinville sowie Graf von Eu und bekleidete ab 1655 unter dem französischen König Ludwig XIV. das Amt des Großkammerherrs von Frankreich.
Leben
Kirchliche Laufbahn
Henri II. de Lorraine kam als vierter Sohn[1] von Charles de Lorraine, Herzog von Guise, und dessen Frau Henriette Catherine de Joyeuse in Blois zur Welt. Schon im Babyalter hatten seine Eltern für ihn eine kirchliche Laufbahn vorgesehen, und so wurde er 1615 im Alter von gerade einmal einem Jahr Kommendatarabt von Mont-Saint-Michel ernannt, allerdings gegen den anfänglichen Widerstand des Papstes Paul V. Im selben Jahr wurde er zudem auch Kommendantarabt von Saint-Martin in Pontoise und des Klosters von Fécamp. Nach dem Tod seines Onkel Louis III. de Lorraine-Guise im Jahr 1621 folgte er ihm als Abt von sechs Klöstern, darunter Saint-Remi in Reims, Corbie und im Oktober 1622 Saint-Denis in Paris. Im Mai 1626 kam unter anderem die Abtei Saint-Nicaise hinzu. Im Alter von neun Jahren war er bereits Abt von zwölf Klöstern, mit 14 Jahren besaß er ein Einkommen von 100.000 Livres aus seinen Pfründen[2]. Obwohl nie dem geistlichen Stand beigetreten,[3] wurde er mit 15 Jahren im Mai 1629[4] zum Erzbischof von Reims ernannt und konnte durch seine zahlreichen Kirchenämter auf ein Einkommen von 400.000 Livres[5] zurückgreifen. Während seiner Amtszeit förderte er die Gründung zahlreicher Klöster und Ordensniederlassungen in seinem Bistum. Auf Bitte der Königin Anna von Österreich genehmigte Henri die Ansiedelung von Karmeliten in Reims, ehe er im Juli 1634 die Erlaubnis zur Gründung eines Annuntiatinnenklosters in Mézières gab und im Oktober 1638 in Réthel eine Ordensniederlassung der Kongregation von Notre-Dame genehmigte. Zudem förderte er Charles und Claude Dorigny, die 1631 in Reims ein Hospital gründeten. In Saint-Denis führte er 1633 die reformierte Kongregation der Mauriner ein.
Herzog von Guise
Trotz seiner Erziehung, die ihn von Kindesbeinen an auf eine kirchliche Karriere vorbereitete, und seiner zahlreichen religiösen Ämter, ließ Henri de Lorraine keinen Zweifel daran, dass ihm seine Kirchenkarriere verhasst war. Der frühe Tod seines älteren Bruders Francois 1639 und der seines Vaters nur ein Jahr später, machten ihn zum vierten Herzog von Guise und erlaubten ihm, 1641[6] von all seinen ungeliebten Ämtern zurückzutreten. Gutaussehend, ritterlich, charmant und abenteuerlustig wie der Herzog war, machten seine zahlreichen Galanterien am Königshof alsbald von sich reden. Madame de Motteville beschrieb ihn in ihren Memoiren als das „wahrhaftige Abbild unserer alten Helden“ („véritable portrait de nos anciens paladins“)[7] Henri wollte schon seit geraumer Zeit Anna Gonzaga, Tochter von Carlo I., Herzog von Mantua, heiraten und hatte ihr bereits am 29. Juni 1636 ein schriftliches Eheversprechen gegeben,[8] weshalb sie sich seitdem selbst „Madame de Guise“ nannte.[9] Aber der mächtige erste Minister Richelieu war gegen die Verbindung und durchkreuzte Henris Pläne, weshalb er sich damit den Herzog zum Feind machte. Henri opponierte gemeinsam mit anderen Adeligen wie zum Beispiel Louis de Bourbon-Condé, comte de Soissons und Frédéric-Maurice de La Tour d’Auvergne gegen Richelieus absolutistische Politik und musste deshalb aus Frankreich nach Köln fliehen. Im Juli 1641 in der Schlacht von La Marfée und ging anschließend ins flandriche Brüssel, wo er zum kommandierenden General der kaiserlichen Truppen gegen Frankreich ernannt wurde. Dort machte er auf einem Empfang bei seiner ebenfalls aus Frankreich geflohenen Tante Marie de Rohan-Montbazon,[10] der Herzogin von Chevreuse, die Bekanntschaft Honorine de Glymes' (auch Honorée de Glymes oder Honorée de Berghes genannt), Witwe von Albert Maximilien de Hénin, Graf von Boussu, und heiratete sie am 11. November 1641, ohne zuvor das Einverständnis seiner Mutter einzuholen[11]. Zuvor war er in Abwesenheit am 6. September vom Pariser Parlement der Majetätsbeleidigung für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden. Seine Exekution wurde stellvertretend an einem gemalten Bildnis Henris auf dem Place de Grève am 11. September vorgenommen.[3]
Die Zeit in Brüssel finanzierte der Herzog durch das Vermögen seiner Frau. Als er nach dem Tod Richelieus und Ludwigs XIII. am 25. Juli 1643[12] durch Anna von Österreich begnadigt wurde, hatte er 5.000 Écu durchgebracht und war seiner Frau bereits überdrüssig. Er kehrte im August 1643 nach Frankreich zurück, wo ihm seine bei der Verurteilung konfiszierten Besitzungen wieder zurückgegeben wurden. In den Jahren 1644 und 1645 nahm Henri an den königlichen Kriegszügen teil, indem er den Herzog von Orléans bei dessen militärischen Unternehmungen begleitete. So nahm er zum Beispiel an der Belagerung von Gravelines teil. Als er 1645 nach Paris zurückgekehrt war, nahm er wieder am galanten, aber auch intriganten Hofleben teil und galt als einer der Vertrauten von Marie d’Avaugour, Herzogin von Montbazon. Diese intrigierte gegen Anne Geneviève de Bourbon-Condé, die Herzogin von Longueville, und unterstellte ihr eine Affäre mit Maurice de Coligny, einem Enkel des berühmten Admirals Gaspard de Coligny. Nachdem die Intrige aufgedeckt worden war, wurde sie des Hofes verwiesen und auf ihre Ländereien verbannt. Coligny forderte Henri Henri am 12. Dezember 1643[13] zum Duell auf dem Place Royale (heute Place des Vosges), weil der Herzog von Guise ebenfalls in die Intrige verstrickt gewesen war. Henri besiegte Coligny und festigte so seinen Ruf als Glücksritter. Während dieser Zeit verliebte er sich auch in eine Ehrendame der Königin, Suzanne de Pons, kurz Mademoiselle de Pons genannt, und plante, sie zu heiraten. Am Hof „sprach man von seinen Heiratsplänen, als sei er nicht schon verheiratet gewesen“ („[…] parloit de ce mariage aussi bien que s'il n'eut point été marié“).[14] Da dies aber nicht der Realität entsprach, wandte sich Henri II. an die Römische Rota, um die Auflösung seiner Ehe zu erreichen. Da eine Entscheidung in seinem Sinne aber zu lange auf sich warten ließ, reiste der Herzog selbst nach Rom, um die Sache zu beschleunigen; jedoch vergebens.[15]
Literatur
Hauptliteratur
- René de Bouillé: Histoire des ducs de Guise. Band 4. Amyot, Paris 1850, S. 423–495 (online).
- Jean Baptiste Pierre Jullien de Courcelles: Dictionnaire historique et biographique des généraux français, depuis le onzième siècle jusqu’en 1820. Band 7. Bertrand, Paris 1823, S. 231–233 (online)
- Honoré Jean Pierre Fisquet: La France pontificale (Gallia christiana), histoire chronologique et biographique des archevêques et évêques de tous les diocèses de France depuis l’établissement du christianisme jusqu’à nos jours, divisée en 17 provinces ecclésiastique. Reims. E. Repos, Paris 1864.
- Henri Forneron: Les ducs de Guise et leur époque. Étude historique sur le seizième siècle. Band 2. E. Plon et Cie., Paris 1877, S. 430–445 (online).
- Louis Lacour: Guise (Henri II de Lorraine, cinquième duc de). In: Jean Chrétien Ferdinand Hoefer (Hrsg.): Nouvelle biographie générale depuis les temps les plus reculés jusqu’à nos jours. Band 22. Firmin Didot, Paris 1843, Spalte 792–795 (online).
- Hippolyte de Laporte: Guise (Henri de Lorraine II, duc de). In: Eugène Ernest Desplaces, Joseph François Michaud, Louis Gabriel Michaud (Hrsg.) Biographie universelle, ancienne et moderne. Nouvelle Édition. Band 18. C. Desplaces, Paris 1857, S. 232–233 (online).
- Paul de Musset: Le dernier duc de Guise. Hauman, Brüssel 1839 (online).
- Hugh Noel Williams: The brood of false Lorraine. Band 2. Hutchinson, London [1918], S. 563–572 (online).
Weiterführende Literatur
- Mémoires du duc de Guise. Band 1 und 2. In: Alexandre Petitot, Louis Jean Nicolas Monmerqué (Hrsg.): Collection des mémoires relatifs à l’histoire de France. Band 55 und 56, Foucault, Paris 1826 (Bd. 1 online, Bd. 2 online)
- Jules Loiseleur: Mazarin et le duc de Guise. In: Questions historiques de XVIIe siècle. Didier et Cie., Paris 1873 (online).
- Jules Loiseleur, Gustave Baguenault de Puchesse: L’Expédition du Duc de Guise a Naples. Lettres et instructions diplomatiques de la cour de France (1647-1648). Didier et Cie., Paris 1875 (online).
- Amédée de Pastoret: Le duc de Guise à Naples, ou Mémoires sur les révolutions de ce royaume en 1647 et 1648. Ladvocat, Paris 1825 (online).
- Gédéon Tallemant des Réaux: Les historiettes de Tallemant des Reaux. Band 4. Techener, Paris 1856, S. 334–347 (online)
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Einige Publikationen geben an, dass Henri der zweite Sohn seiner Eltern gewesen sei, und lassen dabei außer Acht, dass zwei seiner älteren Brüder schon vor Henris Geburt starben.
- ↑ H. Forneron: Les ducs de Guise et leur époque, S. 430.
- ↑ a b H. J. P. Fisquet: La France pontificale.
- ↑ J. B. P. J. de Courcelles: Dictionnaire historique et biographique des généraux français, S. 231.
- ↑ H. N. Williams: The brood of false Lorraine, S. 563 (online).
- ↑ Armand Jean: Les évêques et les archevêques de France depuis 1682 jusqu’à 1801. Picard, Paris 1891, S. 305 (online)
- ↑ Françoise Bertaut de Motteville: Mémoires de Madame de Motteville, pour servir à l’histoire d’Anne d’Autriche. In: Joseph-François Michaud, Jean-Joseph-François Poujoulat: Nouvelle collection des mémoires pour servir à l’histoire de France. Band 10. Firmin Didot, Paris 1838, S. 141 (online).
- ↑ H. Forneron: Les ducs de Guise et leur époque, S. 431.
- ↑ H. Forneron: Les ducs de Guise et leur époque, S. 432.
- ↑ Marriage of the Duke of Guise. – A true Story. In: The Edinburgh Magazine, or, Literary Miscellany. Band 7. Edinburgh 1788, S. 224 (online).
- ↑ A. Petitot, L. J. N. Monmerqué: Collection des mémoires relatifs à l’histoire de France, S.10.
- ↑ Angabe gem. H. Forneron: Les ducs de Guise et leur époque, S. 433. Petitot gibt in seinem Vorwort zu den Memoiren des Herzogs als Begnadigungsdatum den 3. September 1644 an. Vgl. A. Petitot, L. J. N. Monmerqué: Collection des mémoires relatifs à l’histoire de France, S. 9.
- ↑ H. N. Williams: The brood of false Lorraine, S. 565 (online).
- ↑ Françoise Bertaut de Motteville: Mémoires de Madame de Motteville, pour servir à l’histoire d’Anne d’Autriche. In: Joseph-François Michaud, Jean-Joseph-François Poujoulat: Nouvelle collection des mémoires pour servir à l’histoire de France. Band 10. Firmin Didot, Paris 1838, S. 64 (online).
- ↑ Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, wann die Ehe annulliert wurde. Laporte gibt in seinem Beitrag das Jahr 1650 an (vgl. H. de Laporte: Guise (Henri de Lorraine II, duc de), S. 232, online), während andere Veröffentlichungen behaupten, die Ehe habe bis zum Tod des Herzogs angedauert. Es existiert aber ein nicht datierter Beschluss des Pariser Parlements, der die Ehe für nichtig erklärt. Vgl. Centre historique des archives nationales: Série K, Monuments historiques. Titre IV: Princes du sang. (K 531 à K 578). 2000, S. 99 (PDF; 536 KB).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Guillaume de Gifford | Erzbischof von Reims 1629-1664 | Léonor d'Estampes de Valençay |
Personendaten | |
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NAME | Lorraine, Henri II. de |
ALTERNATIVNAMEN | Guise, Henri II. de; Lorraine-Guise, Henri II. de; Guise, Heinrich II. von |
KURZBESCHREIBUNG | Erzbischof von Reims, Herzog von Guise |
GEBURTSDATUM | 4. April 1614 |
GEBURTSORT | Blois |
STERBEDATUM | 2. Juni 1664 |
STERBEORT | Paris |