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Kurt Tucholsky

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Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in Göteborg), deutscher Journalist und Schriftsteller.

Tucholsky zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber der Wochenzeitung Weltbühne war er zugleich , geistvoll-witziger Kabarettautor, Liedtexter und Dichter, bissiger Satiriker und hellsichtiger Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines. Er verstand sich selbst als entschiedener Demokrat, Pazifist und Antimilitarist und warnte eindringlich vor antidemokratischen Tendenzen - v.a. in Politik, Militär und Justiz - und vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus.

Pseudonyme: Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel


Biographie

Jugend, Schulzeit, Studium

Das Geburtshaus, in dem Kurt Tucholsky am 9. Januar 1890 zur Welt kam, stand in in der Lübecker Straße 13 in Berlin-Moabit. Seine frühe Kindheit verbrachte er jedoch in Stettin, wohin sein Vater aus beruflichen Gründen versetzt worden war. Der Bankkaufmann Alex Tucholsky hatte 1887 seine Cousine Doris Tucholski geheiratet, die ihm nach Kurt noch zwei weitere Kinder schenkte.

Nachdem die Familie 1899 nach Berlin zurückgekehrt war, wurde Kurt Tucholsky im Französischen Gymnasium eingeschult. 1903 wechselte er auf das Königliche Wilhelms-Gymnasium, das er aber 1907 verließ, um sich mit einem Privatlehrer auf das Abitur vorzubereiten. Nach dem Externen-Abitur im Jahre 1909 begann er ein Jurastudium in Berlin.

Sein Hauptinteresse galt jedoch schon damals der Literatur. So reiste er mit einem Freund nach Prag, um den von ihm geschätzten Schriftsteller und Kafka-Freund Max Brod zu besuchen. Nach einer Begegnung mit Franz Kafka schrieb dieser über Tucholsky: " ... ein ganz einheitlicher Mensch von 21 Jahren. Vom gemäßigten und starken Schwingen des Spazierstocks, das die Schulter jugendlich hebt, angefangen bis zum überlegten Vergnügen und Mißachten seiner eigenen schriftstellerischen Arbeiten. Will Verteidiger werden".

Erste Erfolge als Schriftsteller

Dazu kam es aber nie. Die Neigung zur Literatur und zum Journalismus war stärker. Bereits während seiner Zeit als Schüler hatte Tucholsky seine ersten journalistischen Arbeiten verfasst. Der Ulk hatte 1907 den kurzen Text "Märchen" gedruckt, in dem sich der 17-Jährige über den Kunstgeschmack Kaiser Wilhelms II. lustig gemacht hatte. Während des Studiums intensivierte er seine journalistische Tätigkeit, u.a. für das sozialdemokratische Parteiorgan Vorwärts. Für die SPD zog er 1911 in den Wahlkampf.

Mit Rheinsberg - ein Bilderbuch für Verliebte veröffentlichte Tucholsky 1912 eine Erzählung, in der er einen für die damalige Zeit ungewohnt frischen, verspielten Ton anschlug und die ihn erstmals einem größeren Publikum bekannt machte. Im Jahr darauf erschien sein erster Artikel in der Schaubühne, des später in Weltbühne umbenannten Blatts des Publizisten Siegfried Jacobsohn, der bis zu seinem Tod Tucholskys Mentor und Freund war.

Als Soldat im 1. Weltkrieg

Der hoffnungsvolle Beginn einer journalistischen Karriere wurde durch den 1. Weltkrieg unterbrochen. Nach seiner Promotion zum Dr. iur. an der Universität Jena wurde Tucholsky 1915 eingezogen. Er erlebte schwere Stellungskämpfe mit und diente an der Ostfront zunächst als Armierungssoldat, dann als Kompanieschreiber. Später brachte er die Feldzeitung Der Flieger heraus. In der Verwaltung der Artillerie-Fliegerschule in Alt-Autz in Kurland lernte er seine spätere Frau Mary Gerold kennen.

Die Begegnung mit dem Juristen Erich Danehl führte dazu, dass er 1918 als er Vizefeldwebel und Feldpolizeikomissar nach Rumänien versetzt wurde. (Tucholskys Freund Danehl tauchte später als "Karlchen" in mehreren Texten auf, z.B. in Wirtshaus im Spessart. Im rumänischen Turn-Severin ließ Tucholsky sich im Sommer 1918 protestantisch taufen. Aus der jüdischen Gemeinde war er bereits am 1. Juli 1914 ausgetreten.

Zwar beteiligt er sich noch im August 1918 an einem Preisausschreiben zur 9. Kriegsanleihe. Im Herbst 1918 kehrte Tucholsky jedoch als überzeugter Pazifist und Gegner des Militärs aus dem Krieg zurück.

Nachkriegs- und Inflationszeit

Schon im Dezember 1918 übernahm Tucholsky die Redaktion des Ulk. Im Januar 1919 startet er eine anti-militaristische Artikelserie in der Weltbühne, für die er nun wieder regelmäßig arbeitete. Um das linksdemokratische Wochenblatt nicht allzu "Tucholsky-lastig" erscheinen zu lassen, hatte er sich bereits 1913 drei Pseudonyme zugelegt, die er bis zum Ende seines publizistischen Wirkens beibehielt: Ignaz Wrobel, Theobald Tiger und Peter Panther.

Denn es gab kaum eine Rubrik, zu der Tucholsky nichts beizutragen hatte: von Gedichten und Buchbesprechungen über politische Artikel und Gerichtsreportagen bis zu Glossen und Satiren. Zudem dichtete er Lieder und Couplets für die Kabarettbühne "Schall und Rauch". Im Oktober 1919 kam seine Gedichtsammlung Fromme Gesänge heraus. Da sein Pseudonym Theobald Tiger zeitweise für den "Ulk" reserviert war, erschienen in der "Weltbühne" im Dezember 1918 erstmals Gedichte unter einem vierten Pseudonym: Kaspar Hauser.

Bei all dem fand Tucholsky noch die Zeit, an der Gründung des "Friedensbundes der Kriegsteilnehmer" mitzuwirken und sich in der USPD, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, zu engagieren, der er 1920 beitrat. Wenig rühmlich war dagegen seine Mitarbeit bei dem Propaganda-Blatt Piero, mit dem die Reichsregierung vor der Volksabstimmung über die deutsch-polnische Grenzziehung in Oberschlesien antipolnische Stimmung machen wollte.

Nachdem die Beziehung zu Mary Gerold zunächst gescheitert war, heiratete Tucholsky im Mai des selben Jahres die Ärztin Else Weil, das vorbild für "Claire Pimbusch" aus Rheinsberg.

In der Hochphase der Inflation sah Tucholsky sich gezwungen, seine publizistische Arbeit zugunsten einer Tätigkeit in der Wirtschaft zurückzustellen. 1923 trat er in das Berliner Bankhaus Bett, Simon & Co. ein, schloss aber schon am 15. Februar wieder einen Mitarbeitervertrag mit Siegfried Jacobsohn. Tags zuvor hatte er sich von seiner ersten Frau scheiden lassen. Als Korrespondent der Weltbühne und der angesehenen Vossischen Zeitung ging er im Frühjahr nach Paris. Am 30.August heiratete er Mary Gerold.

Abschied von Deutschland

Seit 1924 lebte Tucholsky überwiegend im Ausland und kehrte nur sporadisch nach Deutschland zurück. Die Distanz schärfte aber eher noch sein Wahrnehmungsvermögen für die deutschen Dinge. Er beteiligte sich über die Weltbühne weiter an den politische Debatten in der Heimat. Darüber hinaus versuchte er, wie Heinrich Heine im 19. Jahrhundert, das gegenseitige Verständnis von Deutschen und Franzosen zu fördern.

Als Siegfried Jacobsohn im Dezember 1926 starb, erklärte sich Kurt Tucholsky sofort bereit, die Leitung der Weltbühne zu übernehmen. Da ihm die Arbeit als "Oberschriftleitungsherausgeber" aber nicht dauerhaft behagte, übergab er das Blatt schon bald seinem Kollegen und Freund Carl von Ossietzky, blieb aber Mitherausgeber.

In den Jahren 1927 und 1928 erschienen seine essayistische Reisebeschreibung Ein Pyrenäenbuch, die Textsammlung Mit 5 PS (womit sein Name und die 4 Pseudonyme gemeint sind) und Das Lächeln der Mona Lisa. Mit den literarischen Figuren des "Herrn Wendriner" und des "Lottchen" schuf er typische Charaktere seiner Zeit.

Auch während seiner Zeit im Ausland, musste sich Tucholsky in Prozessen mit politischen Gegnern auseinandersetzen, die sich von seinen Äußerungen beleidigt oder attackiert fühlten. Wegen des Gedichts Gesang der englischen Chorknaben wurde 1928 gar ein Prozess wegen Gotteslästerung gegen ihn eingeleitet.

Im gleichen Jahr trennten sich Kurt und Mary Tucholsky endgültig. Tucholsky hatte bereits 1927 Lisa Matthias kennen gelernt, mit der er 1929 einen Urlaub in Schweden verbrachte. Dieser Aufenthalt inspirierte ihn zu der 1931 bei Rowohlt erschienenen Kurzroman Schloß Gripsholm, in dem noch einmal die jugendliche Unbeschwertheit und Leichtigkeit von Rheinsberg anklang.

Der Kontrast könnte kaum größer sein zu dem 1929 gemeinsam mit John Heartfield veröffentlichten, gesellschaftskritischen Werk Deutschland, Deutschland über alles. Darin bringt Tucholsky das Kunststück fertig, die schärfsten Attacken auf alles, was er am Deutschland seiner Zeit hasst, mit einer Liebeserklärung an das Land zu verbinden. Zitat: "Und nun will ich euch mal etwas sagen: Es ist ja nicht wahr, dass jene, die sich 'national' nennen und nichts sind als bürgerlich-nationalistisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben. Wir sind auch noch da." Und weiter: "Wir pfeifen auf die Fahnen - aber wir lieben dieses Land (...) wir, die wir besser deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel..."

Verstummen

Es traf Tucholsky tief, als ihm zu Beginn der 30er Jahre klar wurde, dass alle seine Warnungen ungehört verhallten und sein Eintreten für die Republik, für Demokratie und Menschenrechte offenbar ohne jede Wirkung blieb. Als einer der klarsichtigsten Beobachter der deutschen Politik erkannte er die mit Hitler heraufziehnden Gefahren. "Sie rüsten für die Reise ins Dritte Reich", schrieb er schon Jahre vor der Machtergreifung, und er machte sich keine Illusionen, wohin eine Kanzlerschaft Hitlers das Land führen würde. Das bezeugte Erich Kästner rückblickend im Jahre 1946, als den Schriftsteller in Begegnung mit Tucho wie folgt charakterisierte: "Ein kleiner, dicker Berliner wollte mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten."

1930 verlegte Tucholsky schließlich seinen Wohnsitz dauerhaft ins schwedische Hindås bei Göteborg. Im Jahr darauf wurde er zusammen mit Carl von Ossietzky des Landesverrats angeklagt, da die Weltbühne in dem Artikel Windiges aus der Luftfahrt die verbotene fliegerische Aufrüstung der Reichswehr offengelegt hatte. Tucholsky weigerte sich jedoch, zu dem Prozess nach Deutschland zu kommen. So entging er, anders als Ossietzky, einer Haftstrafe und der Gefahr, nach der Machtergreifung den Nazis in die Hände zu fallen. Seinen berühmt gewordenen Satz "Soldaten sind Mörder" wertete ein Gericht im Juli 1932 jedoch nicht als Verunglimpfung der Reichswehr.

Seit 1931 verstummte Tucholsky publizistisch zusehends. Das Ende seiner Beziehung zu Lisa Matthias, der Tod eines engen Freundes und ein chronisches Nasenleiden verstärkten seine resignative Stimung. Tucholskys letzter zu Lebzeiten veröffentlichter Text erschien am 8. November 1932 in der Weltbühne. Es waren nur noch Schnipsel, wie er seine Aphorismen nannte. Zu größeren literarischen Formen fehlte ihm zusehends die Kraft. Zwar legte er dem Rowohlt-Verlag ein Exposé für einen Roman vor. Die politische Entwicklung in Deutschland verhinderten jedoch dessen Realisierung. 1933 verboten die Nazis die Weltbühne, verbrannten Tucholskys Bücher und bürgerten ihn aus. In den erhalten gebliebenen Briefen an Freunde wie Walter Hasenclever oder seine letzte Geliebte, die Zürcher Ärztin Hedwig Müller, sprach Tucholsky nun davon, dass ihn Deutschland nichts mehr angehe. Er bezeichnete sich als "aufgehörten Deutschen" und "aufgehörten Dichter".

Tatsächlich nahm er aber sehr wohl Anteil an den Entwicklungen in Deutschland und Europa. Er lehnte es aber strikt ab, sich an der entstehenden Exil-Presse zu beteiligen. Kurz vor seinem Tod wollte er aber wieder an die Öffentlichkeit treten. Er plante in einem scharfen Artikel mit dem einst von ihm verehrten norwegischen Dichter Knut Hamsun abzurechnen, der sich offen für das Hitler-Regime ausgesprochen hatten. Hinter den Kulissen unterstützte Tucholsky auch die Verleihung des Friedensnobelpreises für 1935 an den im Konzentrationslager Papenburg-Esterwegen eingesperrten Carl von Ossietzky. Dieser erhielt die Auszeichnung tatsächlich im folgenden Jahr rückwirkend für 1935. Den Erfolg seiner Bemühungen hat Kurt Tucholsky jedoch nicht mehr erlebt.

Grab in Mariefred. Inschrift: Alles Vergängliche Ist Nur Ein Gleichnis

Von der lang anhaltenden Krankheit geschwächt, nahm er am Abend des 20. Dezember 1935 in seinem Haus in Hindås eine Überdosis Schlaftabletten ein. Tags darauf wurde er, schon im Koma liegend, gefunden und ins Sahlgrensche Krankenhaus nach Göteborg gebracht. Dort verstarb Kurt Tucholsky am Abend des 21. Dezember. Die These vom Selbstmord wird in jüngster Zeit von Tucholskys Biographen Michael Hepp (s.u.) angezweifelt. Seiner Meinung nach ist auch ein Selbstmord aus Versehen möglich.

Die Asche Kurt Tucholskys wurde im Sommer 1936 unter einer Eiche nahe Schloss Gripsholm im schwedischen Mariefred beigesetzt.


Werke

  • 1912 - Rheinsberg: ein Bilderbuch für Verliebte
  • 1914 - Der Zeitsparer (Ignaz Wrobel)
  • 1919 - Fromme Gesänge (Theobald Tiger)
  • 1920 - Träumereien an preußischen Kaminen (Peter Panter)
  • 1927 - Ein Pyrenäenbuch (Peter Panter)
  • 1928 - Mit 5 PS
  • 1929 - Deutschland, Deutschland über alles
  • 1929 - Das Lächeln der Mona Lisa
  • 1931 - Lerne lachen ohne zu weinen
  • 1931 - Schloß Gripsholm

Literatur

  • M. Hepp: Kurt Tucholsky. Biographische Annäherungen, Reinbek 1993
  • ders.: Kurt Tucholsky, Rowohlt Monographie, Reinbek 1998
  • Helga Bemmann: Kurt Tucholsky. Ein Lebensbild, Berlin 1990
  • dies.: In mein' Verein bin ich hineingetreten. Kurt Tucholsky als Chanson- und Liederdichter, Berlin 1989
  • F. J. Raddatz: Tucholsky. Ein Pseudonym, Reinbek 1989
  • R. v. Soldenhoff (Hg.): Kurt Tucholsky - 1890-1935. Ein Lebensbild, Weinheim u. Berlin 1987
  • G. Zwerenz: Kurt Tucholsky. Biographie eines guten Deutschen, München 1979