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Zölibat

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Der/Das Zölibat (von lat. caelebs "allein, unvermählt lebend") bezeichnet - insbesondere innerhalb der römisch-katholischen Kirche - das durch ein rein kirchliches Disziplinargesetz (im heutigen Gesetzbuch der röm.-kath. Kirche, dem Codex Iuris Canonici, in Canon 277 formuliert) vor der Weihe zum Diakon vorgeschriebene Versprechen, für das weitere Leben die Verpflichtung zur Ehelosigkeit und mithin zur vollkommenen sexuellen Enthaltsamkeit (Keuschheit) zu übernehmen. Es handelt sich formal um keine "auferlegte" Verpflichtung, sondern um eine "freiwillig gewählte", diese stellt jedoch eine Vorbedingung für die Priesterweihe dar. Der Zölibat, der auch als Evangelischer Rat verstanden wird, ist zu unterscheiden von der völlig frei gewählten Lebensform der Ehelosigkeit "um des Himmelreiches willen", von der Mt 19,12 spricht und wie sie etwa von Ordensleuten gelebt wird. Die römisch-katholische Kirche kennt zudem den verheirateten Diakon (Ständiges Diakonat), der sich aber vor seiner Diakonenweihe für die Ehe oder für ein zölibatäres Leben entscheiden muss. Eine erneute Eheschließung nach der Weihe (etwa beim Tod der Frau oder Annullierung der Ehe) ist nicht möglich.

In der lateinischen Teilkirche der katholischen Kirche ist für Bischöfe und Priester der Zölibat in der Regel verpflichtend, in den orientalischen Teilkirchen der katholischen Kirche wie auch in den Orthodoxen Kirchen gilt er nur für Bischöfe, die meist dem Mönchsstand entstammen (wobei hin und wieder auch verwitwete Priester zum Bischof geweiht werden). Priester müssen hier ebenfalls vor ihrer Diakonatsweihe entscheiden, ob sie verheiratet oder zölibatär in den Weihestand treten wollen. Nach dem Tod der Frau ist eine neue Heirat auch hier nicht mehr möglich.

Zölibat in den Weltreligionen

Neben der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche kennt auch der Buddhismus für Mönche und Nonnen die Zölibatsverpflichtung.

Geschichte des Zölibats in der römisch-katholischen Kirche

In der römisch-katholischen Kirche stellt der Zölibat seit dem 2. Laterankonzil 1139 eine unabdingbare Zugangsvoraussetzung (conditio sine qua non) für den Empfang der Priesterweihe dar. Der Papst kann allerdings ohne nähere Begründung Dispens von der Ehelosigkeit erteilen (can 1049 CIC), wovon er aber nur in seltenen Fällen Gebrauch macht - derzeit ausschließlich bei zur römisch-katholischen Kirche konvertierten verheirateten evangelischen oder anglikanischen Geistlichen, die von einem Bischof zur Priesterweihe zugelassen werden.

Im Jahre 1022 ordnete Papst Benedikt VIII. auf der Synode zu Pavia gemeinsam mit Kaiser Heinrich II. an, dass alle Geistlichen nicht mehr heiraten durften. Vor allem die kultische Reinheit der Priester (tägliche Zelebration der Heiligen Messe) spielte dabei eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass der Kirchenbesitz sonst an die Kinder von Geistlichen vererbt würde. Verstöße gegen den Zölibat wurden mit Kirchenstrafen belegt und bereits verheirateten Geistlichen wurden Amt und Besitz entzogen.

Bis zum 2. Laterankonzil 1139 gab es auch in der römischen Kirche sowohl verheiratete als auch unverheiratete Priester, die mit ihrer Weihe zur sexuellen Enthaltsamkeit aufgerufen waren. Bei jenem Konzil wurde festgelegt, dass "höhere Kleriker, die geheiratet haben oder eine Konkubine halten, [...] Amt und Benefizium [verlieren]" (in Kanon 6) und die Messen von Priestern, die eine Ehefrau oder Konkubine haben, "nicht mehr gehört werden" dürfen (in Kanon 7). Im gleichen Zuge wurde die Priesterweihe im Rechtsverständnis der römisch-katholischen Kirche zu einem trennenden Ehehindernis - was sie bis heute ist.

Bereits 1520 fordert Martin Luther in einer seiner drei reformatorischen Hauptschriften, dass der Zölibat abgeschafft werden soll. Er selbst gab sein Priester- und Mönchtum (Augustiner) auf und heiratete 1525 die ehemalige Nonne Katharina von Bora.

Bis zum Konzil von Trient (1545 - 1563) kam es jedoch vor, dass Priester mit Konkubinen zusammenlebten. Ihnen wurde dafür in der Regel eine hohe Geldstrafe auferlegt; oft machten die zu zahlenden Beträge mehr als ein Jahresgehalt aus. So wuchs etwa der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli bei einem Onkel auf, der als Priester im Bistum Konstanz mit Konkubine und Kindern zusammenwohnte. Auch Zwingli selbst lebte während seines priesterlichen Dienstes in Zürich in einer festen Beziehung. Später heiratete er dann seine Konkubine.

Die Einführung des priesterlichen Zölibats wurde im Mittelalter jedoch nicht nur von der kirchlichen Obrigkeit gefordert und durchgesetzt: Auch das einfache Volk forderte unverheiratete Priester. Diese Forderung durch Laien war Teil einer innerkirchlichen Reform-Bewegung, die gleichfalls gegen Missstände wie Machtmissbrauch, Korruption (Simonie und Vetternwirtschaft) in der Kirche kämpfte.

Seit der Trullanischen Synode 691 gingen die Teilkirchen im Osten im Hinblick auf die Priesterehe einen anderen Weg als die des Westens, wo sich die Entwicklung hin zu einer allgemeinen Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit, wie sie denn auch 1139 tatsächlich kam, immer weiter verfestigte. So kommt es, dass bis heute in der Orthodoxen Kirche und in den katholischen Ostkirchen nur Bischöfe zum Zölibat verpflichtet sind - Priester jedoch nur, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Priesterweihe unverheiratet waren. In der Regel treten diese dann dem Mönchsstand bei.

Begründungen

Die Begründungen für die Einführung des Zölibatsgesetzes damals und das Festhalten daran bis zur Gegenwart waren und sind vielfältig. Die gegenwärtige kirchliche Sichtweise findet sich vor allem in den Stellungnahmen des 2. Vatikanischen Konzils: LG 29 und LG 42, OT 10 und PO 16.

Kultische Reinheit

Zunächst ist hier der Aspekt der kultischen Reinheit zu nennen, der bereits im Alten Testament bei den jüdischen Priestern in Bezug auf ihren Tempeldienst eine Rolle spielte. Diese war jedoch für Jesus nicht sonderlich relevant (siehe Mk 7,1-23) - er betonte vielmehr die Reinheit des Herzens / der Gesinnung als das entscheidende Kriterium für das Handeln. So hat sich das Argument der kultischen Reinheit wegen der täglichen Zelebration des Heiligen Messopfers zwar seit der frühen Kirche bis hin zum 2. Vatikanischen Konzil als Aspekt offizieller Denk- und Lesart vatikanischer Verlautbarungen erhalten, wurde aber letztlich unter dem Eindruck der Rückbesinnung dieses Konzils auf die biblischen Aussagen fallengelassen.

Ökonomische Gründe

Einen weiteren Beweggrund, der zur Festschreibung des verpflichtenden Zölibats im 11. Jahrhundert führte, sieht man in dem Versuch der römischen Kirche, die Reduzierung der von Priestern verwalteten kirchlichen Pfründe zu verhindern. Diese Pfründe wurden durch den notwendigen Lebensunterhalt der Familie verheirateter Priester sowie durch Erbschaft dezimiert. Die in der mittelalterlichen Gesellschaft übliche Vererbung der Ämter des Vaters auf den Sohn führte zu Konflikten mit dem zentralistischen Selbstverständnis der Kirche. Durch die Einführung der Zölibatsverpflichtung für Priester wurde verhindert, dass legitime Söhne das Priester- oder Bischofsamt übernehmen konnten.

Gesellschaftliche Stellung

Ein weiterer Aspekt ist die gesellschaftliche Stellung des Priesters, verbunden mit entsprechendem Prestige. Im Christentum bildete sich alsbald die unter anderem noch heute im römisch-katholischen Bereich faktisch bestehende Zwei-Stände-Kirche (Klerus und Laien) heraus, innerhalb derer der Klerus die gesellschaftlich höhere Position sowie (über viele Jahrhunderte damit verbunden) Macht und Besitz innehatte. Hinzu kam die höhere Bildung der Kleriker und ihr damaliges Ansehen als "bessere Christen", das durch das Zölibat noch untermauert werden sollte.

Einsatzfähigkeit

Als eine weitere Begründung wird die völlige Einsatzfähigkeit und Verfügbarkeit für die Tätigkeiten im priesterlichen Dienst genannt. Ehelose Priester können sich mehr für ihre Gemeinde einsetzen und brauchen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keine Rücksicht auf eine Ehefrau oder gemeinsame Kinder zu nehmen. Dies gilt insbesondere für die Konfrontation mit anti-klerikalen Staaten, aber auch für das Spannungsfeld beispielsweise zwischen Familie und Beichtgeheimnis in familienrelevanten Angelegenheiten. Ausserdem soll durch die Ehelosigkeit die nicht genuin befriedigte Sexualität sublimiert und in seelsorgliche Energie umgewandelt werden. Kritiker des Zölibats meinen jedoch, dass es wiederum Kraft braucht, die von Priestern in die Aufrechterhaltung der zölibatären Lebensform und das Sublimieren der darin nicht erwünschten Gefühle und Gedanken investiert werden muss, die ihrerseits dem pastoralen Engagement abhanden kommt. Von seiten der kirchlichen Laien kommt eine Kritik, die eine andere Form der Beschränkung zölibatär-priesterlichen Wirkens anspricht: ehelos lebende Priester besitzen demnach nicht genügend Empathie für die Sorgen und Nöte der Laien, weil sie die Erfahrungen eines Ehelebens nicht machen können/dürfen.

Zeichenhaftigkeit

Als entscheidend wird von der römisch-katholischen Kirche die Zeichenhaftigkeit des Zölibats als Verweis auf das Reich Gottes angesehen, wo es nach kirchlicher Lehre jedenfalls die Gottes- und Nächstenliebe geben wird, jedoch nicht mehr die Ehe und die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau (vgl. Mt 22,30). Wer ehelos und jungfräulich lebt, legt dadurch Zeugnis ab für die im Glauben erwartete zukünftige Welt, in der die menschliche Liebe für Frauen und Männer ihre definitive Erfüllung finden wird. Zugleich wird gegenüber einem einseitig spiritualistischen oder dualistischen Verständnis betont, dass in diesem künftigen Lebensstand auch die eheliche Liebe ihre Vollendung erfährt und in diese Vollendung mit der Auferstehung auch die leibliche Herrlichkeit eingeschlossen ist. Zölibat und Ehe werden so jeweils zu einem Zeichen der alles übersteigenden Liebe Gottes zu den Menschen.

Charisma

Unter den theologischen Argumenten spielt insbesondere das Verständnis des Zölibats als Charisma, als Geschenk Gottes eine Rolle. Gegner des Zölibats meinen jedoch, dass denjenigen, denen die charismatische Ehelosigkeit tatsächlich gegeben worden ist, keine Verpflichtung bräuchten, da sie freiwillig diese Lebensform wählten. Außerdem betonen sie, dass die Berufung zum Priestertum von der Berufung zur Ehelosigkeit zu trennen sei, und verweisen unter anderem auf das Zweite Vatikanische Konzil, welches die Ehelosigkeit für das Priestertum zwar nicht als notwendig, jedoch als "angemessen" bezeichnet und für den Bereich der lateinischen Kirche daran festhält: "Die Kirche hat die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, die von Christus dem Herrn empfohlen, in allen Jahrhunderten bis heute von nicht wenigen Gläubigen gern angenommen und lobenswert geübt worden ist, besonders im Hinblick auf das priesterliche Leben immer hoch eingeschätzt. Ist sie doch ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt. Zwar ist sie nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche und die Tradition der Ostkirchen zeigt, wo es neben solchen, die aus gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose Leben erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt." (2. Vaticanum, Presbyterorum Ordinis, 16).

Diskussion um den Zölibat

Die gesetzliche Regelung der verpflichtenden Ehelosigkeit wurde durch die gesamte Kirchengeschichte hindurch kontrovers diskutiert, und in der Gegenwart werden die Stimmen - auch von kirchlichen Amtsträgern - lauter, die eine Abschaffung des Zölibatsgesetzes fordern. Man betont, dass es biblisch keine Verankerung der Ehelosigkeitsverpflichtung für Priester gibt. Die Frage, inwieweit sexueller Missbrauch durch Priester mit der Zölibatsverpflichtung oder aber mit der affektiven Unreife der betroffenen Priester zusammenhängen, heizt die Diskussion um den Zölibat gelegentlich an.

Siehe auch

Literatur

  • Denzler, Georg: Die Geschichte des Zölibats. Herder, Freiburg 2002. ISBN 3451041464
  • Sipe, A.W. Richard: Sexualität und Zölibat, Schönigh, Paderborn - München - Wien - Zürich 1992. ISBN 3-506-78559-1
  • Vogels, Heinz-Jürgen: Priester dürfen heiraten. Biblische, geschichtliche und rechtliche Gründe gegen den Pflichtzölibat. Köllen, Bonn 1992. ISBN 3-88579-060-2
  • Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen e. V. (Hsg): Lebenswege - Hoffnungswege. Pro Business, Berlin 2004. ISBN 3-937343-41-5 (Pro Business)
  • Herrmann, Horst: Die Heiligen Väter. Päpste und ihre Kinder (Berlin 2004). ISBN 3746681103
  • Herrmann, Horst, Sex und Folter in der Kirche (München 1998). ISBN 3572100100
  • Zander, Hans Conrad: Zehn Argumente für den Zölibat. Ein Schwarzbuch, Patmos, Düsseldorf 1997. ISBN 3-491-72375-2

Zölibat in der römisch-katholischen Kirche

Zölibat im Buddhismus