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Multicopter

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„Flug-Jeep“ Curtiss-Wright VZ-7AP

Ein Quadrocopter (von lateinisch quadrum, Viereck; auch Quadricopter) ist ein Luftfahrzeug, das vier in einer Ebene angeordnete, senkrecht nach unten wirkende Rotoren oder Propeller benutzt, um Auftrieb und durch Neigung der Rotorebene auch Vortrieb zu erzeugen. Es gehört zu den Hubschraubern und kann wie diese oder auch wie VTOL-Flugzeuge senkrecht starten und landen. Andere Bezeichnungen sind Quadrotor oder Schwebeplattform.

Technik

Der Vorteil dieser Bauweise liegt darin, dass alle drei Achsen allein durch Variation von Schub und damit Drehmoment der vier Propeller angesteuert werden können, wenn die Drehrichtungen geeignet angeordnet sind. Aufwändige Taumelscheiben wie bei einem Hubschrauber oder andere Aktuatoren sind damit nicht notwendig. Auch entsteht keine Drift wie bei der Heckrotor-Konfiguration und bei der Steuerung treten kaum asymmetrische Artefakte aus Kreisel-Effekten des Rotors auf.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schub durch Drehzahlunterschiede oder durch Pitch, also Veränderung des Anstellwinkels des jeweiligen Propellers, geregelt wird. Die Schubänderung muss nur schnell genug reagieren, bei Drehzahlsteuerung etwa durch stufenlose Getriebe oder Elektromotoren.

Antriebsschema eines Quadrocopter

Anhand der Grafik wird das Zusammenwirken der Rotoren deutlich (A in Flugrichtung):

  • Kippen nach vorn/hinten um die Querachse, das heißt Beschleunigen/Bremsen (Nick):
Schubverhältnis zwischen A und C verschieben.
  • Kippen um die Längsachse, seitliche Bewegung (Roll):
Schubverhältnis zwischen B und D verschieben.
  • Drehen um die Hochachse (Gier oder Yaw):
Schubverhältnis paarweise zwischen A-C und B-D verschieben.

Durch Mischung der Steuerbefehle kann jeder Schubvektor im Raum erreicht werden. Bei der H-Konfiguration sind die Rotoren nicht wie hier rautenförmig, sondern rechtwinklig zur Flugrichtung angebracht; die Ansteuerung erfolgt dann um 45 Grad versetzt.

Bei den Flugleistungen reichen die bekannten Quadrocopter nicht an vergleichbar motorisierte Hubschrauber heran, sind aber meist auch nicht auf hohe Geschwindigkeit ausgelegt (Ausnahmen sind Wandelflugzeuge in dieser Bauweise). Bei der Konzentration der Massen im Zentrum und durch den schnell veränderlichen Schubvektor sind aber grundsätzlich hohe Beschleunigungen möglich.

Stabilisierung elektrischer Drohnen

Ferngesteuerter Modell-Quadrocopter, mittig das mechanische Gyroskop zur Stabilisierung.

Grundlage für die Weiterentwicklung der Modell- und UAV-Quadrocopter sind Fortschritte in der Elektronik und Sensorik, die auf dem Markt ab etwa 2000 verfügbar waren und ab 2004 in Serienmodellen erschienen: Durch Gyroskope können Kippmomente – die höher und plötzlicher auftreten als bei Hubschraubern, da der Schwerpunkt meist in der Rotorebene liegt – automatisch ausgeregelt werden. Dabei kommen Gyroskopsensoren auf Piezo-Basis zur Messung der Winkelgeschwindigkeit zum Einsatz, manchmal auch ergänzt durch Beschleunigungssensoren, die mit Hilfe einer Sensordatenfusion mit den Gyroskopen direkt den Neigungswinkel zur Vertikalen ermitteln. Andere Bauweisen benutzen einen mechanischen Kreisel, dessen Abweichungen zur vertikalen Ausgangslage etwa über Hall-Sensoren aufgenommen werden (vgl. Inertiales Navigationssystem).

Weiterhin hat die Verfügbarkeit von kleinen, leistungsfähigen Mikrocontrollern sowie Brushless-Motoren und Lithium-Polymer-Akkus mit deutlich besserem Leistungsgewicht als die Vorgänger-Technologie die Entwicklung gefördert und ermöglicht Flugzeiten bis zu 30 Minuten mit elektrischem Antrieb.

Über den Mikrocontroller wird die Drehzahl der Elektromotoren nachgeregelt, um die Fluglage zu stabilisieren oder in die Waagerechte zu bringen; teils ermöglichen GPS-Sensoren auch eine exakte Positionierung über Grund. Da außer den Motoren keine mechanischen Teile wie Servomotoren, Gestänge und Rotorköpfe notwendig sind, ist diese Bauweise einfacher zu realisieren und zu reparieren als ein Hubschrauber. Neben der verbreiteten Konfiguration mit vier Rotoren existieren auch Konstruktionen mit sechs, acht oder zwölf Rotoren [1], wobei bei manchen Konfigurationen der Ausfall eines Antriebs automatisch erkannt und ausgeregelt werden kann.

Entwicklung

Oehmichen No.2 1922

Zu Beginn der Entwicklung von Hubschraubern wurden häufig eine Vielzahl von Rotoren eingesetzt, da man sich etwa eine Steuerung mittels Taumelscheibe noch nicht praktisch vorstellen konnte. Der französische Luftfahrtpionier Étienne Oehmichen hatte schon seit 1920 mit Drehflügeln experimentiert, bevor sich am 11. November 1922 erstmals sein Oehmichen No. 2 in die Luft hob. Bei diesem frühen Quadrocopter waren die vier Rotoren elastisch und ihr Anstellwinkel konnte durch Verschränkung über Seilzüge verändert werden. Daneben wurden weitere acht waagerecht wirkende Propeller für Stabilisierung und Vortrieb eingesetzt, da die Rotoren noch nicht präzise genug steuerbar waren. Das Oehmichen No. 2 war wohl der erste zuverlässige Senkrechtstarter, absolvierte mehr als 1.000 Flüge und erreichte am 4. Mai 1924 Rekorde mit einer Flugzeit von 14 Minuten und einem Kilometer Kreisflug.

Mit der Entwicklung von Taumelscheibe und Heckrotor-, Tandem- oder Koaxial-Bauweise verschwand die Quadrocopter-Bauweise aus dem Blickfeld der Entwickler. Erst mit dem allgemeinen Interesse für VTOL-Fahrzeuge in den 1950er Jahren flogen wieder neue Quadrocopter:

  • Convertawings A von 1956, für die US-Armee, mit Gitterrohrrahmen, zwei Motoren und Riemenantrieb.
  • Der technisch bewusst einfach aufgebaute "Flug-Jeep" Curtiss-Wright VZ-7AP von 1958.
  • Der für schnellen Personentransport vorgesehene Curtiss-Wright X-19 mit Schwenkrotoren (1963).
  • Das in Deutschland ab 1963 entwickelte Transportflugzeug VC 400, das jedoch nicht über das Planungsstadium hinauskam.
  • Das experimentelle Schwenkrotor-Flugzeug Bell X-22 (1966).
  • Die einsitzige Aerotechnik WGM 21, die 1969 in Deutschland als Prototyp flog.

Einsatz

Drohne AirRobot, am Stand der Bundeswehr auf der CeBIT 2006, eine Kamera tragend.

Aktuell werden keine personentragenden Quadrocopter mehr eingesetzt. Die Bauweise tritt aber häufiger bei Drohnen oder UAVs sowie bei Modellhubschraubern auf.

Verbreitete Anwendung findet der Quadrocopter in der Luftbildfotografie und -Videografie. Neben den kommerziell angebotenen Geräten mit Fernbetrieb entstehen auch vermehrt Privatprojekte und Eigenentwicklungen. Eine weitere Anwendung neben der Luftbildfotografie ist das Spaß- und Kunstfliegen. Fluggeräte hierfür basieren auf den gleichen Grundkomponenten, sind aber in Masse und Leistung anders konfiguriert.

Auch beschäftigen sich verschiedene Hochschulen mit dem Konzept, um robuste und kostengünstige Versuchsobjekte zur Verfügung zu haben, etwa für die Forschung im Bereich des Schwarmverhaltens.

Einzelnachweise

  1. Mikrokopter.de: Octokopter