Zum Inhalt springen

G-Strophanthin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Juli 2005 um 15:26 Uhr durch Thorbjoern (Diskussion | Beiträge) (typos). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Strophanthin (von griechisch στροφή, strofí - die Strophe, hier im Sinne von die Wendung, Schlängelung bezogen auf die Strophanthin enthaltenden Pflanzen; auch in verbreiteter Falschschreibung ohne das zweite th als Strophantin) ist eine Substanz, die zur Behandlung von Herzkrankheiten eingesetzt wird. Sie kommt in verschiedenen afrikanischen Pflanzen der Gattung Strophanthus aus der Familie der Hundsgiftgewächse vor.

Nomenklatur

Die Bezeichnung g-Strophanthin leitet sich von der Strophanthus-Art Strophanthus gratus ab, k-Strophanthin von der Strophanthus-Art Strophanthus kombé. Quabain, die angelsächsische Bezeichnung für g-Strophanthin, hat seinen Namen vom afrikanischen Quabaio-Baum, dessen Rinde das g-Strophanthin enthält.

Entwicklung

Die Eingeborenen Afrikas verwendeten die Samen der Strophanthus-Arten (Klettersträucher) als Pfeilgift.

1859 wurde die Herzwirkung des Strophanthus-Samens entdeckt, als während der Livingstone-Expedition in Afrika die Zahnbürste des Biologen Dr. Kirk von diesem unbemerkt in Kontakt mit dem Strophanthus-Pfeilgift kam und unmittelbar darauf dessen Herzbeschwerden verschwanden. 1862 gelang es dem schottischen Pharmakologen und Kliniker Thomas Fraser, aus dem Samen des Strophanthus kombé k-Strophanthin zu isolieren. 1885 wurde der Gesamtextrakt von Strophanthus kombé als "Tinctura strophanthia" in die Herztherapie eingeführt und 1893 ins deutsche Arzneibuch aufgenommen. 1888 isolierte der französische Chemiker Arnaud das g-Strophanthin aus Strophanthus gratus und Acokanthera ouabaio, welches ab 1904 als Reinsubstanz zur oralen Einnahme zur Verfügung stand.

Die therapeutische Weiterentwicklung und der Nachweis der schnellen und starken Wirkung bei intravenös verabreichtem k-Strophanthin geht auf den deutschen Arzt Albert Fraenkel zurück, der es ab 1905 bei Herzinsuffizienz anwandte. Ab 1906 war der Einsatz intravenösen Strophanthins allgemein anerkannt. Ernst Edens (1876 - 1944) setzte intravenöses Strophanthin ab 1928 erfolgreich auch bei Angina pectoris und Herzinfarkt ein, einer damals noch seltenen Erkrankung.

Der Stuttgarter Internist Berthold Kern führte 1947 oral verabreichtes g-Strophanthin als Herzmittel zur Vorbeugung und Behandlung von Angina pectoris und des als Krankheit zunehmend aufkommenden Myokardinfarkts ein.

Hamlyn et al. isolierten erstmals 1991 auch aus menschlichem Blutplasma ein Stereoisomer des g-Strophanthins (Quabain), das ihrer Ansicht nach eine Rolle als blutdrucksteuerndes Hormon spielt und aus der Nebenniere stammt. Der Gießener Biochemiker Wilhelm Schoner (emeritiert) vertritt ebenfalls die Ansicht, dass g-Strophanthin ein körpereigenes (endogenes) Kreislaufhormon sei, das bei körperlicher Belastung bedarfsgerecht bereitgestellt werde. D´Urso et al. berichten 2004, daß das Herz der Ratte während einer experimentellen Minderdurchblutung (durch koronare Einschnürung) g-Strophanthin produziert.

Wirkprinzip

In höheren Konzentrationen, die klinisch nur durch hohe Dosierungen intravenösen Strophanthins zu erreichen sind, hemmt g-Strophanthin die in Zellwänden lokalisierte Natrium-Kalium-Pumpe (Rezeptor für Herzglykoside). Diese Na-K-Pumpe (synonym: Na-K-ATPase), die besonders zahlreich (millionenfach) in Nerven- und Herzmuskelzellen vorkommt, pumpt Natriumionen aus der Zelle hinaus und Kaliumionen hinein, was für viele fundamentale Zell-Funktionen wichtig ist. Diese Hemmung der Na-K-Pumpe wird als die klassische Wirkung der Herzglykoside angesehen, die über den erhöhten zellulären Gehalt an Natrium und somit auch Calcium (via Natrium-Calcium-Austauscher) zu einer Steigerung der Kontraktionskraft der Herzmuskelzelle führt (sog. positiv inotroper Effekt), ein wichtiger Effekt bei Herzinsuffizienz, der klassischen Indikation für Herzglykoside.

In geringen, physiologischen Konzentrationen, wie sie als Hormon und auch nach oraler Gabe gemessen werden, wirkt Strophanthin hingegen stimulierend auf die Na-K-ATPase, was zur Senkung des zellulären Natrium- und Calciumgehalts führt. Die Stimulation der Na-K-Pumpe durch g-Strophanthin ist in über 50 Studien beobachtet worden (z.B. Gao et al. 2002, Saunders u. Scheiner-Bobis 2004).

Niedrige Konzentrationen an g-Strophanthin könnten aber dennoch einen positiv inotropen Effekt hervorrufen, also die Kraft steigern, mit der sich der Herzmuskel zusammenzieht, weil ein überhöhter Calciumgehalt, der bei Herzerkrankungen häufig ist, negativ inotrop wirkt. Zwei Drittel der Patienten mit schwerer Angina pectoris in der Studie von Dohrmann u. Schlief-Pflug 1986 zeigten einen positiv inotropen Effekt und die anderen einen negatv inotropen Effekt nach oraler Einnahme von 12 mg oralem g-Strophanthin. Belz et al. 2004 beobachteten bei gesunden Versuchspresonen jedoch durchweg einen negativ inotropen Effekt nach 12 mg oralem g-Strophanthin.

Alternativmedizin

Die Schulmedizin setzt Strophanthin nur noch selten, meist intravenös bei der Behandlung der akuten Herzinsuffizienz ein, gegen die es ebenso rasch wirkt wie das Digitalis-Glykosid mit dem schnellsten Wirkungseintritt, das Metildigoxin. Der unterschiedliche Abbau der beiden Substanzen im Körper des Patienten bietet dem Arzt beim kardialen Notfall die Alternative, einem Herzpatienten mit Störungen der Nierenfunktion Strophanthin zu injizieren, während er einem Herzpatienten mit gestörter Leberfunktion Metildigoxin verabreichen kann.

Sog. 'alternativ' denkende Mediziner setzen orales g-Strophanthin heute insbesondere in der Nachbehandlung von Herzinfarkten ein.