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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

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Pauly-Wissowa (abgekürzt P.-W.), auch Pauly-Wissowa-Kroll oder meist einfach nur RE sind die gebräuchlichen Kurzbezeichnungen für Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, einer umfangreichenden und umfassenden Enzyklopädie zur Antike.

Der "Ur"-Pauly

August Friedrich Pauly begündete 1837 begründete die Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft in alphabetischer Ordnung (6 Bände in 7 Teilbänden, bis 1852). Nach dem Tode Paulys setzten Christian Walz und Wilhelm Sigmund Teuffel dessen Arbeit fort. 1864-1866 begann Teuffel mit einer Neubearbeitung des ersten Bandes. Schon damals hatten sich viele neue Erkenntnisse angesammelt, so daß der erste Band in der Bearbeitung nun in 2 Teilbänden erschien. Jedoch wurde das Projekt erst mit der Neubearbeitung durch Georg Wissowa fortgesetzt. Am Ende bestand der "Ur"-Pauly aus 8 Teilbänden.

Neben der Arbeit eines Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen und Theodor Mommsen legte Pauly mit seinem Lexikon die Grundlage für die Vorrangstellung der deutschen Altertumswissenschften, die erst durch die Rassenpolitik der Nazis und den Zweiten Weltkrieg verloren ging. Der Pauly war schon in der ersten Form ein epochales Meisterwerk, das nicht nur Anstoss für die folgenden Bearbeitungen war, sondern auch für andere Lexika, wie Lübkers Reallexikon des klassischen Altertums.

Die RE

Auf Grundlage des Ur-Pauly's wurde von Georg Wissowa ab 1890 Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen herausgegeben von Georg Wissowa [später ...] fortgeführt von Wilhelm Kroll und Karl Mittelhaus neu herausgegeben. Die RE ist das umfassendste Nachschlagewerk der Altertumswissenschaften, der Geschichtswissenschaften und verwandter Wissenschaften.

Das Projekt sollte nach der ursprünglichen Planung innerhalb von zehn Jahren abgeschlossen sein; tatsächlich wurden es 78 Jahre, in denen vier weitere Herausgeber Wissowas Arbeit fortsetzten: Wilhelm Kroll (1906–1939), Karl Mittelhaus (1939–1946), Konrat Ziegler (1946–1974) und Hans Gärtner (1974–1980). Zunächst erschien das Lexikon im Verlag J.B. Metzler, später im Verlag Druckenmüller. Heute liegen alle Rechte wieder beim Metzler-Verlag.

Da schnell absehbar war, dass das Ziel nicht so schnell zu erreichen war, wie angenommen und man befürchtete, so das Werk in seiner Gesamtheit zu gefährden, wurde 1914 (dieser Band erschien parallel zum ersten Supplementband) mit einer zweiten Reihe begonnen, die mit dem Buchstaben R einsetzte.

Der Pauly-Wissowa besteht nach dem Abschluss der Neuausgabe, die 1978 erfolgte, aus 66 Halbbänden und 15 Supplementbänden; hinzu kommt ein Register der Nachträge und Supplementbände, das aus dem Jahr 1980 stammt (darin unter anderem eine Würdigung der Arbeit Konrat Zieglers von Hans Gärtner). Ebenfalls 1980 erschien in den USA ein Index von John P. Murphy. 1997 schließlich erschienen ein Gesamtregister in zwei Teilen (Alphabetischer- und Systematischer Teil), 2000 ein Systematisches Sach- und Suchregister auf CD-ROM.

Jeder Artikel der RE wurde von für dieses Thema anerkannten Experten geschrieben, wobei manche Artikel aufgrund der Länge beinahe schon den Charakter kleinerer Monographien haben (legendär ist etwa Matthias Gelzers Cicero als Politiker); manche Artikel erschienen denn auch als separater Sonderdruck. Allerdings sind eine Reihe von Artikel mittlerweise bereits wieder veraltet – was nicht überraschen kann angesichts einer Arbeit, die drei Generationen andauerte. Viele biographische Artikel über Personen der römischen Republik stammen etwa von Friedrich Münzer; für die Spätantike schrieben Otto Seeck, Wilhelm Enßlin und Adolf Lippold (der auch für den KlP mehrere Artikel verfasste) einige der wichtigsten Artikel.

Obwohl der Forschungsstand der RE in weiten Teilen nicht mehr für die moderne Forschung repräsentativ ist, ist die RE ein in ihrer Gesamtheit nicht überholtes Grundlagenwerk. Allerdings ist die Benutzung für den Laien etwas problematisch, wie etwa die Einordnung von römischen Persönlichkeiten unter ihren Gentilnamen. Grundsätzlich kann man sagen: Was beim alphabetisch fortlaufenden Abfassen der Bände der RE über die Antike bekannt war, ist auch dort zu finden. Man wird vergeblich nach Themen oder Personen suchen, es sei denn, sie wurden erst später entdeckt oder aktuell.

Bernard Kytzler schrieb am 2. Februar 1979 in Die Zeit: "Kein anderes Fach der Geisteswissenschaften hat eine annähernd gleichwertige generelle große Dokumentation vorzuweisen; kein anderes Land besitzt in seiner Sprache eine solche Summe seines Wissens über die Alte Welt. - Als lexikalische Leistung bleibt die monumentale Großausgabe ein einzigartiges Verdient. Sie bietet ein Zeugnis deutscher Gelehrsamkeit, das als ein vielleicht unwiederholbares Denkmal des Zusammenwirkens von Akribie und Ausdauer, Scharfsinn und Wissensfülle, Zähigkeit und Zielstrebigkeit auch von späteren Generationen zu bewundern sein wird". Oder mit den Worten Wolfgang Schullers: "Die RE [...] ist ein unerreicht vollständiges Werk, von dem es eigentlich ein Wunder ist, daß es trotz der Katastrophen des 20. Jahrhunderts beendet werden konnte." (in Einführung in die Geschichte des Altertums, Ulmer, Stuttgart 1994, Seite 140).

Der Kleine Pauly (KlP)

Auf der Grundlage des Pauly-Wissowa entstand in den Jahren 1964 bis 1975 Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf Grundlage von Pauly's Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Konrat Ziegler, Walther Sontheimer und Hans Gärtner in fünf Bänden. Die Artikel wurden von anerkannten Fachleuten (etwa Manfred Fuhrmann, Adolf Lippold, Michael von Albrecht, Heinz Bellen, Dietz Otto Edzard, Werner Eisenhut, Hans Georg Gundel, Otto Hiltbrunner, Ernst Meyer, Fritz Schachermeyr, Ernst Günther Schmidt, Walther Sontheimer u.v.a.) neugeschrieben und mit neueren Literaturangaben versehen (die freilich inzwischen auch teils überholt sind). Trotz des Alters hat sich der "kleine Pauly" einen guten Ruf als zuverlässiges Nachschlagewerk erworben, wobei allerdings der Forschungsstand teilweise veraltet ist; positiv ist auch die Quellennähe der meisten Artikel. Beachten muss man, dass es am Ende jedes Bandes Nachträge gibt.

Anders als der Große Bruder, die RE, widmet sich der Kleine Pauly weitaus intensiver Randgebieten der Klassischen Altertumswissenschaft, wie dem Christentum, der Altorientalistik oder der Byzantinistik.

Aufgrund der Verbreitung dieses Lexikas hat es sich in der Forschung bewährt, grundsätzlich das Abkürzungsverzeichnis des Kleinen Pauly zu nutzen. Außerdem sind Personen in diesem Lexikon anders als im Pauly-Wissowa unter dem Namen eingetragen, unter dem sie bekannt sind. So erschließt man über den kleinen Pauly die Namen antiker Persönlichkeiten, die man nicht kennt. Als Beispiel: Marcus Tullius Cicero steht im Kleinen Pauly unter seinem bekannten Namen Cicero, in der RE unter seinem Gentilnomen Tullius.

Im Deutschen Taschenbuch Verlag ist der KlP in einer preiswerten Paperbackausgabe erschienen.

Der Neue Pauly (DNP)

Datei:Der Neue Pauly.jpg
Der Neue Pauly
Der Neue Pauly - Supplemente

1996, nachdem man alle Rechte an der RE zurückerworben hatte, begann man im J.B. Metzler Verlag damit, eine neue Enzyklopädie zur Antike herauszugeben: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike war geboren.

Anders als seine Vorgänger stellte Der Neue Pauly zwar auch die klassische Antike in den Mittelpunkt, jedoch erweiterte man das Spektrum beträchtlich. Die Wurzeln und Grundlagen der griechisch-römischen Welt in den altorientalischen und der ägyptischen Kultur wurden nun eingehender miteinbezogen, wie auch Wechselwirkungen mit den Nachbarvölkern und Kulturen; ebenso wurde die Byzantinistik mitaufgenommen. Auch die Transformation der alten Welt im Rahmen der Spätantike wird stärker berücksichtigt, wobei die behandelte Zeit teils bis 600/800 ausgeweitet wurde.

Das Besondere am Neuen Pauly ist, dass hier nicht nur die Bearbeitung der Antike ihren Platz gefunden hat, sondern dass auch ganz speziell Bände zur Antikenrezeption konzipiert wurden (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Ganz typisch für die Herausgabe eines Paulys hat man sich in der Konzeption des Werkes übernommen. Ursprünglich war es geplant, 12 Bände Lexikon der Antike herauszugeben, 3 Bände zur Rezeption und einen Registerband. Jedoch wurden es am Ende statt 16 Bände 19. Und immernoch hatte man nicht alles erreicht, was man wollte. Deshalb erschien 2004 der erste Supplementband, weitere sind in Vorbereitung. Inzwischen wird auch an einer englischen Version des Neuen Pauly gearbeitet (Brill´s New Pauly), die seit 2002 erscheint.

Anders als seine Vorgänger, wurde der Neue Pauly dezentral herausgegeben. Das heißt, dass es neben den beiden Herausgebern Hubert Cancik und Helmut Schneider Fachgebietsherausgeber gibt, die ihre Fachgebiete mehr oder weniger unabhängig bearbeiten konnten. Das war ein durchaus gewolltes Ergebnis - anders als bei der RE, die noch im Titel nur eine Classische Altertumswissenschaft beschrieb, trug man der Aufsplitterung in viele verschiedene Teilgebiete der Altertumswissenschaften Rechnung. Die Fachrichtungen und deren Herausgeber sind:

Geschäftsführender Herausgeber der Rezeptionsbände: Manfred Landfester

In verschiedenen Rezensionen wurden einige Punkte bemängelt, wie etwa die teils nicht nachvollziehbare Auswahl der Literaturangaben und die Qualität mancher Beiträge. Positiv können die Abbildungen und Karten sowie „Dachartikeln“ (beispielsweise Architektur) vermerkt werden. Auch werden moderne Terminologien und moderne Forschungstrends stärker berücksichtigt. Dennoch sind durch den Neuen Pauly weder die RE noch der kleine Pauly ersetzt.

Literatur

  • Udo W. Scholz: Die Breslauer klassische Philologie und die Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Bd. 62–64 (2001–2003), S. 311–326