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Übertragungsfunktion

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Die Übertragungsfunktion beschreibt die Abhängigkeit des Ausgangssignals eines linearen, zeitinvarianten Systems (LZI-System) vom Einganssignal. Mathematisch wird ein solches System durch eine lineare, gewöhnliche Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten dargestellt. Durch Anwendung der Laplace-Transformation wird diese in eine, einfacher zu behandelnde, Algebraische Gleichung überführt.

Ein lineares Übertragungsglied mit dem Eingangssignal u und Ausgangssignal y.

Die Übertragungsfunktion ist das Verhältnis der Laplace-Transformierten des Ausgangsignals zur Laplace-Transformierten des Eingangssignals

Sie ist ausschließlich von den Eigenschaften und der Struktur des Systems abhängig und beschreibt das Verhalten des Systems vollständig.

Polynom-Darstellung

Zeitkontinuierliche lineare Systeme werden im Zeitbereich durch die lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung

beschrieben.

und sind Aus- und Eingangssignal als Funktion der Zeit.

Wenn die die Koeffizienten und konstant (also zeitunabhängig) sind, ist die Laplace-Transformation ausführbar.

Mit den vorgegebenen Anfangsbedingungen für das Ein- und Ausgangssignal (Werte zum Zeitpunkt )

für alle
für alle

lautet die Laplace-Transformierte der Ein- und Ausgangsgrößen

und sind die komplexe Eingangs- und Ausgangsfunktion in Abhängigkeit von der komplexen Variable im Bildbereich. Aus der Beziehung

folgt, wenn die Maßeinheit der Zeit hat, ist die Maßeinheit des komplexen Variablen die Frequenz. Aus der oben angegebenen Beziehung ist auch zu entnehmen, dass die Dämpfungskonstante und die Kreisfrequenz einer Schwingung darstellt. Der Bildbereich wird deshalb oft als „komplexer Frequenzbereich“ bezeichnet.

Die Laplace-Transformierte der Differenzialgleichung ist

.

Es handelt sich anstelle der Differenzialgleichung um eine algebraische Gleichung, deren Analyse mit Methoden der Algebra möglich ist.

Die Übertragungsfunktion ist das Verhältnis der Laplace-Transformierten der Wirkung (Ausgang) durch die Laplacetransformierte der Ursache (Eingang):

.

Alle, das Zeitverhalten bestimmenden, Koeffizienten der Differentialgleichung sind in ihr enthalten. Sie beschreibt das Verhalten des Systems vollständig. Damit ist es möglich Aussagen über das Verhalten des Systems ohne Lösung der Differenzialgleichung zu erhalten. Für beliebige Eingangssignale, deren Laplace-transformierte existiert, ist die Laplace-Transformierte des Ausgangssignals , also nur eine Multiplikation anstelle der Integration mittels des Faltungssatzes

mit der Gewichtsfunktion . Deren Laplace-Transformierte ist die Übertragungsfunktion.

Die Übertragungsfunktion ist eine Analytische Funktion. Da sie Funktion der komplexen Variablen ist, kann sie als

geschrieben werden. Das ist eine Abbildung der von aufgespannten s-Ebene in die von aufgespannte G-Ebene. Alle Methoden der Funktionentheorie können zu Analyse eingesetzt werden. Eine Graphik ist auf Grund der 4 Dimensionen nur in zwei 3-dimensionalen Graphiken z. B. als

möglich.

Pol-Nullstellen-Darstellung

Nach dem Fundamentalsatz der Algebra gilt für ein Polynom

mit dessen Nullstellen . Sie können einfach oder mehrfach, reel oder paarweise konjugiert komplex sein. Die Übertragungsfunktion in Pol-Nullstellen-Darstellung ist:

Mit den (Nullstellen) und den (Polen, Nullstellen des Nennerpolynoms) ist die Übertragungsfunktion vollständig bestimmt und mit der Polynom-Darstellung identisch.

Diese Darstellung ist für allgemeine Aussagen über das System, z. B. für Stabilitätsuntersuchungen, wichtig. Die Übertragungsfunktion kann durch Partialbruchzerlegung (unter der Voraussetzung, dass nur einfache Polstellen vorhanden sind) in

zerlegt werden. Sind mehrfache Nullstellen vorhanden, kommen noch weitere, für den zur Diskussion stehenden Sachverhalt unwesentliche, Summanden hinzu. Die Koeffizienten (mit Methoden der Partialbruchzerlegung bestimmt) sind

,

und nach Rücktransformation in den Zeitbereich gilt für die Gewichtsfunktion mit

.

Daraus sind folgende Schlussfolgerungen für das Zeitverhalten und die Stabilität des Systems ableitbar:

  1. Bedeutung des Realteils und Imaginärteils der Polstellen:
    • Ist mindestens ein , so schwingt das System.
    • Sind alle , so ist das System stabil. Der Eingangsimpuls klingt zeitlich ab.
    • Mit mindestens einem ist das System instabil. Der Eingangsimpuls wächst zeitlich unbegrenzt an.
    • Ist mindestens ein und alle anderen , so ist das System grenzstabil. Es geht asymptotisch in einen konstanten Wert oder eine ungdämpfte Schwingung über.
    • Je weiter links in der negativen Halbene von liegt, desto schneller klingt der entsprechende Anteil der Gewichtsfunktion ab.
    • Die Lage des Realteils der Polstellen bestimmt die Dynamik, und der Imaginärteil bestimmt die Frequenz der Schwingungen des Systems.
  2. Bedeutung der Nullstellen:
    • Je weiter die Nullstellen von der Polstelle in der s-Ebene liegen, desto stärker wird der Anteil an der Gewichtsfunktion.

Zusammenhang mit dem Frequenzgang

Die Übertragungsfunktion mit in der komplexen Variablen ist der Frequenzgang .

.

Er ist die Abbildung der imaginären Achse der s-Ebene in die komplexe G-Ebene. Er enthält weniger Informationen, als die Übertragungsfunktion (wegen ) und beschreibt das System nur im eingeschwungenen Zustand.

Experimentelle Ermittlung

Die Übertragungsfunktion ist im Gegensatz zum Frequenzgang nicht direkt messbar, kann aber mit Methoden der Systemidentifikation unter anderem aus der Sprungantwort bestimmt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Heinz Unbehauen: Regelungstechnik I. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, 1997, ISBN 3-528-83332-7.