Finanztransaktionssteuer
Eine Finanztransaktionssteuer bezeichnet eine Steuer auf börsliche und ausserbörsliche Finanztransaktionen. Sie gehört zu den sogenannten Verkehrsteuern und kann marktregulierend wirken. Ziele von Finanztransaktionssteuern sind die Stabilisierung von Finanzmärkten durch die Verringerung des spekulativen und technischen Handels insbesondere im Derivatemarkt durch höhere Transaktionskosten. Ferner ermöglicht eine Finanztransaktionssteuer erhebliche Steuereinnahmen ohne größere Verzerrungen in der realen Wirtschaft auszulösen.[1]
Geschichte

Einer der ersten Überlegungen zu einer Finanztransaktionssteuer in Bezug auf den Aktienmarkt geht auf John Maynard Keynes nach der Great Depression aus dem Jahre 1936 zurück.[2][3] Keynes argumentierte, dass durch die Verminderung der kurzfristigen Spekulation durch die Finanztransaktionssteuer sich Unternehmen mehr auf langfristige nachhaltige Gewinnmaximierung fokussieren könnten.
„Die Einführung einer nicht unerheblichen Verkehrssteuer auf alle Transaktionen könnte sich als die brauchbarste Reform im Hinblick auf die Abschwächung der Vorherrschaft der Spekulation über Unternehmen in den Vereinigten Staaten, die zur Verfügung steht, beweisen.“
Keynes sah aber auch gleichzeitig die bis ins 21. Jahrhundert anhaltende Diskussion und das von Gegnern der Finanztransaktionssteuer immer wieder angeführten Problem, dass eine Finanztransaktionssteuer zu geringeren Handelsvolumen und geringerer Liquidität führen kann.[1]
„Sollten einzelne Käufe von Investments [durch die Finanztransaktionssteuer (Anm.)] illiquide werden, könnte dies ernsthaft neue Investitionen behindern [...]. Dies ist das Dilemma.“
Ferner wird das Prinzip der Finanztransaktionssteuer häufig auch mit der von James Tobin vorgeschlagenen Tobin Steuer verbunden. Tobin war der Auffassung, dass eine Finanztransaktionssteuer auf Devisengeschäfte eine wirksame Möglichkeit wäre, die Auswirkungen, die das Finanzkapital und dessen gesteigerte Mobilität, insbesondere nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems, auf die realen wirtschaftlichen Kosten der Länder beziehungsweise Volkswirtschaften haben kann, durch die ungehemmte Möglichkeit der Verschiebung von Kapital hat, einzudämmen.[1]
Vor- und Nachteile
Die Vor- und Nachteile einer Finanztransaktionssteuer wird bis ins 21. Jahrhundert kontrovers diskutiert. Die einzelnen Argumente für die unterschiedlichen Positionen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Befürworter einer Finanztransaktionssteuer sind der Ansicht, dass in den heutigen Finanzmärkten eine Überschussliquidität besteht aufgrund von kurzfristigen Spekulationen.[6] Hierzu werden empirische Belege angeführt, wie zum Beispiel dass das Handelsvolumen in Devisentransaktionen mehr als 70mal größer ist als der Handel mit Wirtschaftsgütern und der Handel im Bereich mit Zinssicherungsinstrumenten und Zinsderivaten sogar 100mal größer ist als die Gesamtinvestitionen.[7] Dieses hohe auf spekulative Motive schliessende Handelsvolumen führe nach Meinung der Befürworter der Finanztransaktionssteuer zu einem "Overshooting", also einer Fehlbewertung, abseits des auf einen sonst auf Marktgleichgewicht beruhenden Preises.[8] Ferner wird postuliert, dass kurfristige Spekulation auch zu einer mittel- bis langfristigen Verfälschung des wirklichen Marktpreises führen kann und so volkswirtschaftliches Wachstum behindere und Arbeitslosigkeit fördere.[2] So könnte eine Finanztransaktionssteuer durch die Erhöhung der Transaktionskosten insbesondere bei kurzfristigen Investments eine stabilisiernde Wirkung auf die Preise des gehandelten Instrumentes oder Ware haben und zu einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Leistung beitragen. Die Steuereinnahmen aus der Finanztransaktionssteuer könnten für die Konsolidierung der Staatshaushalte verwendet werden oder politische Ziele, zum Beispiel Förderung des Umweltschutzes oder der Entwicklungshilfe verwendet werden. Der Einnahmeneffekt spielte anfänglich, so auch bei Tobin und der von ihm vorgeschlagenen Tobin Steuer nur eine sehr untergeordnete Rolle, wird aber in jüngeren politischen Diskussionen insbesondere auch im Zusammenhang mit der Finanzkrise ab 2007 öfter politisch instrumentalisiert.[7][9][10][11]
Die Gegner einer Finanztransaktionssteuer allerdings führen an, dass das hohe Volumen in modernen Finanzmärkten überwiegend auf die Aktivitäten von Market Maker zurückzuführen ist, die die entsprechende Liquidität in dem Finanzinstrument oder der Ware garantieren und somit dazu polypolistisch beitragen das der Marktpreis sich dem auf Fundamentaldaten beruhenden Gleichgewichtspreis annähert. Ein Großteil des Volumens sei auch auf Hedging und Risikotransfer zurückzuführen.[12]
Siehe auch
Literatur
- Schwert, G. W. and P. J. Seguin (1993): Security Transaction Taxes: An Overview of Costs and Benefits and Unresolved Questions, Financial Analysts Journal, 49(5), pp. 27- 35.
- Stiglitz, J. (1989): Using Tax Policy to Curb Speculative Short-term Trading, Journal of Financial Service Research, 3(2-3), pp. 101-115.
Weblinks
Fußnoten
- ↑ a b c Hemmelgarn, Thomas; Nicodeme, Gaetan: The 2008 Financial Crisis and Taxation Policy Januar 2010, CESifo Working Paper Series No. 2932
- ↑ a b John Maynard Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936, Seite 105. Online (pdf)
- ↑ Stephen Spratt: A Sterling Solution, 2006, S. 17. Online (pdf)
- ↑ "The introduction of a substantial government transfer tax on all transactions might prove the most serviceable reform available, with a view to mitigating the predominance of speculation over enterprise in the United States." Keynes, J. M. (1936): General Theory of Employment, Interest and Money. Atlantic Publishers & Distributors, 2006. Chapter 12, VI, S. 143
- ↑ "If individual purchases of investments were rendered illiquid, this might seriously impede new investment, so long as alternative ways in which to hold his savings are available to the individual. This is the dilemma. John Maynard Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money" Keynes, J. M. (1936): General Theory of Employment, Interest and Money. Atlantic Publishers & Distributors, 2006. Chapter 12, VI, S. 144).
- ↑ Vgl. Tobin, J.: "Proposal for International Monetary Reform", Eastern Economic Journal, 1978, 4, S. 153-159, hier S. 157
- ↑ a b Schulmeister, S., Schratzenstaller, M., Picek, O.,: A General Financial Transaction Tax. Motives, Revenues, Feasibility and Effects. 2008, Research Study by the Austrian Institute of Economic Research, Online (PDF)
- ↑ Erturk, Korkut: Macroeconomics of Speculation, 2005. The Levy Economics Institute Working Paper No. 424.
- ↑ Jetin, B., Denys, L.: Ready for implementation – Technical and legal aspects of a currency transaction tax and its implementation in the EU, World Economy, Ecology and Development (WEED), Berlin, November 2005.
- ↑ Vgl. Landau report on Innovative development funding solutions commissioned by President Jacques Chirac, Paris, 2004
- ↑ Richter, S.: Wirtschaftspolitische und standortpolitische Auswirkungen von Finanztransaktionssteuermodellen zur Finanzierung des EU-Haushalts, Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche, Wien, Mai 2006.
- ↑ Vgl. ECB – European Central Bank, Opinion of the European Central Bank of 4 November 2004 at the request of the Belgian Ministry of Finance on a draft law introducing a tax on exchange operations involving foreign exchange, banknotes and currency (CON/2004/34).