Pflege Coburg
Die Pflege Coburg ist der historische Name eines ostfränkischen Territoriums, das später im Wesentlichen dem Fürstentum Sachsen-Coburg entsprach. Es erstreckt sich über die heutigen Landkreise Coburg im Freistaat Bayern und Hildburghausen und Sonneberg im Freistaat Thüringen.
Geschichte
Vorgeschichte




Nach dem Ende des Thüringerreiches 531 blieb die einstige Grenzregion zwischen den frühen Thüringern und den Franken östlich des Grabfeldes und nördlich des Volkfeldgaues kaum bewohnt, dicht bewaldet und ohne den direkten Einfluss einer Zentralmacht. Zwar gab es ab etwa 560 auch hier eine slawische Einwanderung, doch konnten die wendischen und sorbischen Stämme bei Weitem nicht in dem Maße Fuß fassen, wie nördlich des Rennsteigs und östlich der Oberpfalz. Einige Dörfer gehen auf slawische Gründungen zurück. Doch fehlen in den Städten die in großen Teilen des Thüringens jener Zeit zwischen Saale und Unstrut typischen Wendenvorstädte und auch der slawische Einfluss auf die Sprache ist gering.
Es herrschten wohl regionale Stammesadelige, wie die Herren von Wildberg (Heldburg), bis eine ostfränkische Landnahme der Region begann. Die Anfänge der mainfränkischen Kolonisation der Region nördlich des Obermains liegen weitgehend im Dunkel. Doch deuten alle späteren Quellen, etwa eine nach 1295 entstandene Abhandlung über die Stiftung des Klosters Banz 1071, darauf hin, dass unter der Führung der Markgrafen von Schweinfurt eine systematische Besiedelung dieses Landes begann. Durch die Vermählung von Gisela von Schweinfurt, der Erbin der Güter um Kulmbach und Plassenburg, und dem Grafen Arnold von Dießen († 1098), übernahmen die Herzöge von Andechs-Meranien auch dieses Territorium und gliederten es als nordwestlichen Vorposten in ihr Herrschaftsgebiet in Franken ein.[1]
Ausgehend von der Benediktinerabtei Saalfeld begannen Mönche aus dem Erzbistum Köln, dessen Erzbischof Anno II. 1056 ausgedehntes ehemaliges Reichsdomänenland aus dem Erbe der Richeza, der Tochter des Pfalzgrafen Ezzo von Lothringen an sich gebracht hatte, 1075 mit der umfassenden Christianisierung der urthüringischen und slawischen Bevölkerung und der mainfränkischen Siedler.
Die Neue Herrschaft des Hermann I. von Henneberg-Coburg
Die hochadelige Grafschaft Henneberg gewann im 13. Jahrhundert durch Erbe, Kauf und Vermählung beträchtliche Besitzungen hinzu. Diese Zugewinne nutzte Graf Hermann I. von Henneberg (1224–1290), um eine eigene Erblinie zu begründen. Er residierte, wie schon zuvor sein Vater Poppo VII., der sich auch Graf von Strauf nannte, auf der alten Hennebergischen Burg Strauf. Als sein Vater 1245 starb, besaß Hermann I. bereits ausgedehnte Ländereien um Heldburg, die Herrschaft Callenberg, den Hof Steinach und einige unterfränkische Güter um Höchheim, Kissingen, Münnerstadt und Schweinfurt aus dem Erbe seines Onkels Otto von Botenlauben.
1248 kamen das ehemals Botenlaubener Hildburghausen, die meranischen Besitzungen um Coburg und der Königshof Rodach aus der Erbmasse des ausgestorbenen Hauses Andechs zu Henneberg. Zwischen beiden Häusern hatten verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Der Großvater Hermann I., Poppo VI. († 1190), war mit Sophie von Istrien verheiratet. Um die an das Herzogtum Meranien verliehenen Lehen für den Hochstift Bamberg einziehen zu können, warb der Bischof von Bamberg Heinrich I. von Bilversheim Graf Hermann I. als Befehlshaber in den Auseinandersetzungen mit Burggraf Friedrich III. von Nürnberg und Friedrich von Truhendingen an, deren Ehefrauen als Schwestern des verstorbenen Herzogs Otto II., wie auch dessen Erbtochter Beatrix, die Witwe des Grafen Hermann II. von Orlamünde, ebenfalls Ansprüche auf das Erbe erhoben. Dafür wurden Hermann I. nach dem Langenstadter Rechtsspruch 1260 neben Coburg noch Neustadt und die Burg Schaumburg zugesprochen.[2]
Vom Erbe der Ludowinger erhielt Hermann I. 1249 von seinem Stiefbruder, dem Markgrafen Heinrich III. von Meißen, ein Gebiet um Schmalkalden mit der Burg Brotterode und der Herrschaft Hallenberg als Ausgleich für seinen Verzicht auf eigene Ansprüche auf das Reichsfürstentum. Diese Abfindung bestätigte Heinrich III. 1260 gegen Ende des Thüringischen Erbfolgekrieges, obwohl Hermann I. die Gegenpartei unterstützt hatte. Außerdem erwarb er Königsberg. Graf Hermann I. bezeichnete seine Besitzungen als Neue Herrschaft, um sie von den angestammten hennebergischen Ländereien zu unterscheiden.
Otto V. von Brandenburg und die Pflege Coburg
Die Linie Henneberg-Coburg erlosch jedoch schon 1291, als der Sohn Hermann I., Poppo VIII. verstarb. Das Land verblieb als Erbe bei dessen Halbschwester Jutta[3] und fiel an ihren Gemahl, den askanischen Mitregenten Markgraf Otto den Langen von Brandenburg zu Salzwedel.[4] Dieser setzte während seiner Abwesenheit den Grafen Wolfgang von Barby zum Pfleger (Administrator) der Herrschaft ein, woraufhin die Bezeichnung Pflege Coburg für dieses Territorium entstand. Der Pfleger saß auf dem Schloss Coburg. Ottos und Juttas einziger Sohn Hermann folgte seinem Vater von 1298 bis 1308 sowohl in Brandenburg als auch in Coburg, weshalb er als Hermann II. auch den Titel eines Grafen von Henneberg oder eines Grafen von Franken führte.[5]
Rückerwerb der Neuen Herrschaft durch Henneberg-Schleusingen
Hermanns Tochter Jutta von Brandenburg heiratete auf Betreiben des Grafen Berthold VII. von Henneberg-Schleusingen 1312 dessen Sohn Heinrich VIII., womit die Neue Herrschaft wieder beim Stammhaus Henneberg war. Als Heinrich VIII. von Henneberg-Schleusingen 1347 starb, wurde der Besitz des Hauses Henneberg-Schleusingen zwischen seiner Witwe und Heinrichs jüngerem Bruder Johann aufgeteilt, wobei Jutta erneut die Neue Herrschaft zugesprochen bekam. Sechs Jahre später folgte die endgültige Aufteilung der Neuen Herrschaft unter drei ihrer Töchter. Ihre zweitälteste Tochter Katharina von Henneberg wurde mit Juttas Tod 1353 Erbin von Coburg, ihre Schwester Sophie, die schon 1372 verstarb, erbte Hildburghausen und Schmalkalden und die älteste Schwester Elisabeth von Henneberg-Schleusingen Schloss und Gemarkung Irmelshausen und die unterfränkischen Lande.
Bis dahin wurden der umfangreiche Allodialbesitz der Sterker-Wohlsbacher und die Herrschaften Eisfeld, Heldritt, Heßberg, Rosenau und Veilsdorf in die Neue Herrschaft eingegliedert. Das Schloss Hohenstein mit dem Zehnt Ahorn war schon 1306 im Besitz Juttas von Henneberg-Coburg. Zwei Jahre zuvor hatte Hermann von Brandenburg Hildburghausen vom Hochstift Würzburg zurückerworben. Aus dem benachbarten Schalkauer Land und der Burg Neuhaus hatten die Henneberger bis 1315 die Herren von Schaumberg auf das Rittergut Niederfüllbach verdrängt. 1317 erwarb das Haus Henneberg die Burg und den Besitz der Herren von Sonneberg und belehnte damit die Schaumberger. Im gleichen Jahr erhielten die Herren von Gauerstadt das gleichnamig Lehen, 1346 wurde Dietrich von Coburg bei Coburg, in Oeslau und in Waldsachsen begütert. Spätestens 1363 erkannten die Schenken von Siemau die mittlerweile an das Haus Wettin übergegangene Lehenshoheit an.
Die Pflege Coburg und das Haus Wettin
Katharina brachte den südöstlichen Teil der Neuen Herrschaft mit Coburg und dem zugewonnenen Umland durch ihre Vermählung mit Markgraf Friedrich dem Strengen von Meißen an das Haus Wettin. Durch die Ehe seines Bruders Balthasar mit Margaretha, der Tochter der Sophie von Henneberg und des Burggrafen Albrecht des Schönen von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern, gelangte Hildburghausen mit dem Heldburger Unterland und den Ländereien um Eisfeld 1374 ebenfalls an die Wettiner. Die nun wettinische Pflege Coburg grenzte sich in der Folgezeit mit der sächsischen Landwehr von der wesentlich verkleinerten Grafschaft Henneberg ab. Mit der Großen Sächsischen Landesteilung 1485 in eine albertinische und eine ernestinische Linie fiel das Land, nun erneut als Pflege Coburg oder auch als die Ortslande in Franken bezeichnet, an Ernst von Sachsen und wurde der ernestinischen Linie zugeteilt. Als Fürstentum Sachsen-Coburg blieb es ein weitgehend einheitliches Territorium. Erst nach dem Tod des Herzogs Albrecht von Sachsen-Coburg 1699 wurde das Gebiet nach jahrelangen Erbstreitigkeiten 1735 zwischen den Herzogtümern Sachsen-Saalfeld, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Hildburghausen geteilt. Als eine indirekte Spätfolge dieser Teilung verläuft heute die Landesgrenze zwischen Bayern und Thüringen, die 1949 – 1990 Staatsgrenze war, mitten durch dieses historische Territorium.
Schicksal der anderen Teile der Neuen Herrschaft
Der unterfränkische Teil der Neuen Herrschaft geriet nach und nach in den Einflussbereich der Bischöfe von Würzburg. Landgraf Heinrich II. von Hessen schloss 1360 mit Elisabeth von Leuchtenberg, der Witwe des Grafen Johann I. von Henneberg-Schleusingen, einen gegenseitigen Erbvertrag über die Herrschaft Schmalkalden, die beide gemeinsam vom Burggrafen Albrecht von Nürnberg, dem Gemahl der Sophie von Henneberg, erworben hatten. Die hessisch-hennebergische Doppelherrschaft endete mit dem Tod des letzten hennebergischen Fürstgrafen Georg Ernst im Jahre 1583. Mit dem Ende der Grafschaft Henneberg fiel die Herrschaft Schmalkalden endgültig an das Haus Hessen. Diese Territorien gehören nicht zu dem Gebiet, welches man heute gemeinhin als Pflege Coburg versteht.
Die verbliebene gefürstete Grafschaft Henneberg kam 1583 aufgrund einer ernestinisch-hennebergischen Erbverbrüderung zu Wettin. Auf ihrem Territorium entstand später das Herzogtum Sachsen-Meiningen. Die hennebergische Residenz Schleusingen wurde von Albertinern und Ernestinern gemeinsam verwaltet, fiel mit der Stadt Suhl an das Herzogtum Sachsen-Zeitz, schließlich an das Kurfürstentum Sachsen und später als Kreis Henneberg an das Königreich Preußen.
Itzgründisch
Die Grenzen der Pflege Coburg bezeichnen auch ein Sprachgebiet. Hier und im südlich anschließenden Raum Lichtenfels wird ein charakteristischer ursprünglicher mainfränkischer Dialekt, das Itzgründische, gesprochen. Im Westen, Norden und Osten des Gebietes deckt sich die Sprachgrenze sehr genau mit den historischen Territorialgrenzen. Südlich des Mains geht das Itzgründische in das oberfränkische Bambergische über. Innerhalb des Dialektgebietes hat jedes Dorf seine eigene spezifische Ausformung, anhand derer sich die Herkunft des Sprechers genau bestimmen lässt.
Literatur
- Georg Hassel: Allg. Europäisches Staats- u. Addreßhandbuch, 1816, Band 1–2. S. 330 f. (Digitalisat).
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der Deutschen Länder: die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, C. H. Beck, 2007, S. 592 f.
- Hermann Grote: Stammtafeln, Leipzig, 1877, S. 84.
- Ernst Julius Walch: Historische, statistische, geographische und topographische Beschreibung der Königlich- und Herzoglich-Sächsischen Häuser und Lande überhaupt und des Sachsen-Coburg-Meiningischen Hauses und dessen Lande insonderheit, Schneider u. Weigel, 1811, S. 350 f.
- Allgemeine Literatur-Zeitung, Band 4, 1821, S. 1009 ff. (Digitalisat).
- Wilderich Weick: Das herzogliche Haus Sachsen-Coburg-Gotha: Seine Geschichte und gegenwärtige Stellung in Europa, C. Macklot, 1842, S. 73.
- Allgemeine deutsche Bibliothek in: Deutsche Zeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts, Band 88, F. Nicolai, 1789, S. 14 f. (Digitalisat).
Weblinks
- http://www.gestungshausen.de/chronik_ges_07.html
- http://www1.landkreis-coburg.de/landkreis-coburg/geschichte/
Einzelnachweise
- ↑ http://www.maproom.org/00/08/present.php?m=0026
- ↑ http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45112
- ↑ auch Judith
- ↑ Ludwig Bechstein: Geschichte und Gedichte des Minnesängers Otto von Botenlauben, G. Wigand, 1845, S. 75.
- ↑ http://www.genealogie-mittelalter.de/henneberg_grafen_von/jutta_von_henneberg_markgraefin_von_brandenburg_+_1327.html