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KZ Natzweiler-Struthof

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Eingang ins Lager. Dahinter das dolchförmige Holocaust-Denkmal.

Das KZ Natzweiler-Struthof befand sich nahe dem Ort Natzwiller im Elsaß, etwa 55 km westlich von Straßburg, 8 km vom Bahnhof Rothau entfernt, auf einem Gipfel der Vogesen in 800 m Höhe. Das KZ hatte eine eigene Gaskammer, die jedoch etwas vom Lager entfernt lag. Es handelt sich dabei um ein unscheinbares weißes Häuschen, das von außen nicht besonders auffällt. Es steht heute noch. Nur der Wegweiser "Chambre à gaz" weist heute auf die grausamen Ereignisse in dem harmlos scheinenden Gebäude hin. Das eigentliche Konzentrationslager ist von doppelter Stacheldrahtumzäunung umgeben, deren innere Schicht mit 380V-Spannung belegt war. Eine Berührung war tödlich. Zwischen den Stacheldrahtzäunen patroulierten Hunde und Wachen. Außerdem wurde das Lager durch 5 Wachtürme bewacht. Am Eingangstor gibt es spezielle Draht-Konstruktionen, die eine Flucht unmöglich machten.

Es war das einzige Konzentrationslager, das während der Zeit des Dritten Reiches in Frankreich angelegt wurde. In der Nähe des Bauernhofs Struthof hatte der SS-Führer Blumberg das Vorkommen des seltenen roten Granits bemerkt. Er fasst die Idee zur Errichtung eines KZs. Die Planungen liefen seit September 1940, das Lager wurde von etwa 900 Häftlingen errichtet und am 21. Mai 1941 eröffnet. Das Lager war für ca. 1.500 Personen ausgelegt, Anfang 1944 erreichte die Zahl der Häftlinge 2.000, im September des selben Jahres waren 7.000 Personen dort inhaftiert. Insgesamt existierten 17 Baracken, in denen teilweise die Insassen untergebracht wurden. Statt 150 Personen pro Baracke wurden zeitweise bis zu 700 Menschen in die engen Häuschen gequetscht. Die Gesamtzahl der Häftlinge wird auf ca 40.000 Personen geschätzt, von denen ca. 12.000 - 25.000 Menschen im Lager starben (Angaben schwanken stark). Das Lager war ein eigentliches Arbeitslager, da dort keine maschinelle Massenvernichtung betrieben wurde. Von französischer Seite wird das Lager als "Ausrottungslager" bezeichnet. Bei allen Ereignissen ist dieser Ausdruck jedoch keinesfalls (politisch) korrekt. Arbeitslager trifft es da wohl eher. Die Gefangenen mussten, mit kargen Mahlzeiten bedient, in den umliegenden Steinbrüchen arbeiten. Wurden sie körperlich zu schwach, wurden sie hingerichtet und in einem Krematorium verbrannt. Es gab hierbei mehrere Arten der Hinrichtung: Tod durch Genickschuss (praktiziert in eigens dafür gebauten Räumlichkeiten) und Tod durch Erhängen. Beim Erhängen gab es wieder zwei Varianten: bei geheimen Hinrichtungen wurden die Personen auf einen Schemel gestellt, der dann weggestoßen wurde. Das Genick brach und die Betroffenen starben sofort. Bei öffentlichen Hinrichtungen, speziell zur Abschreckung, mussten sich die Todeskandidaten auf eine Falltür stellen. Der Strick um den Hals wurde vorher bereits angezogen, so dass das genick nicht durchbrach. Die sich langsam öffnende Falltür provozierte einen elenden Erstickungstod, der sich mehrere Minuten lang hinzog.

Zur Bestrafung wurden ungehorsame Häftlinge im lagereigenen Gefängnis festgehalten. Es wurde dabei zwischen drei Inhaftierungsstufen unterschieden: Erste Stufe: In einem hellen Raum mit Tageslicht bei Wasser und Brot, bis zu 10 Tage, mit bis zu 18 anderen Häftlingen zusammen im gleichen Raum (etwa 4m x 4m). Den Gefangenen wurde hier ein Eimer zum Stoffwechsel bereitgestellt (ein Eimer pro Zimmer, also für insgesamt 19 Personen). Zweite Stufe: In einem dunklen Raum mit Tageslicht, bei Wasser und Brot als Nahrung, bis zu 42 Tage, nur alle 4 Tage eine ordentliche Mahlzeit, ansonsten etwa ähnliche Bedingungen wie bei Stufe eins. Stufe drei: Es ist kein Insasse des Lager Struthof bekannt, der diese Prozedur überlebte. Bis zu 5 Gefangene wurden in eine kleine Nische gesperrt (Höhe etwa 1,50m, Breite etwa 0,8m, Tiefe etwa 1m), in der sie bis zu ihrer Hinrichtung verharren mussten (es starben alle bereits vor ihrer Hinrichtung). Es gab keine Möglichkeit für Stoffwechsel. Man konnte nicht stehen oder liegen. Über Nahrung sind mir keine genauen Fakten bekannt, vermutlich gab es wenig bis gar kein Essen. Wie alle Räume des Lagers ist diese Nische im Sommer extrem heiß, im Winter erfriert man schnell. Diese kleinen Kammern waren Tag und Nacht stockdunkel. Ursprünglich waren sie für Heizungsanlagen vorgesehen, aber im KZ Natzweiler-Struthof war nie auch nur eine einzige Heizung in Betrieb (geschweigedenn wurde sie überhaupt erst gebaut). Falls einer der 5 Insassen starb, mussten die anderen die Zeit mit der Leiche solange verbringen, bis einer der Wärter sie fand. Es konnte auch leicht vorkommen, dass in einer Kammer 4 Leichen und 1 Überlebender lagen (der dann auch bald starb).

Hier die Beschreibung zweier bekannter Fluchtversuche: Ein Häftling grub , während der Arbeit im Steinbruch, ungesehen ein Loch in die Erde und bedeckte sich mit Gras, um nicht gesehen zu werden. Nachdem die anderen Häftlinge am Abend wieder ins Lager zurück mussten, blieb er - die ganze Nacht über - in seinem Versteck. Tatsächlich war er der Flucht sehr nahe, denn am nächsten Morgen war noch niemandem etwas aufgefallen. Beim Morgenappell jedoch, der immer mit größter Sorgfältigkeit abgehalten wurde, fiel das fehlen des Mannes aus und Suchhunde wurden benutzt, um alle möglichen Aufenthaltsorte abzusuchen. Leider wurde der "Ausbrecher" durch die Hunde gestellt und verhaftet. Mit grausamen Bisswunden wurde er tagelang gefangengehalten, bis er dann ausnahmsweise wieder normal im Lager arbeiten "durfte" (normalerweise wurden Fluchtversuche mit dem Tod durch Erhängen bestraft). Bei einem späteren Transport in ein anderes KZ gelang ihm ein erneuter Fluchtversuch. Der einzige bekannte, erfolgreiche Fluchtversuch, wird wie folgt dargelegt: Einem Mann gelang es, sich die Uniform des Kommandanten anzueigen. Mit dessen Wagen konnte er unbemerkt aus dem Lager entschwinden. Die Wachposten salutierten dem perfekt gekleideten Kommandanten sogar noch. Da im Elsass die Résistance sehr präsent war, konnte der ehemalige Häftling innerhalb weniger Tage bis nach Algerien vordringen, ohne festgenommen zu werden. In Algerien hatte er dann nichts mehr zu befürchten.


Zum Lager gehörten 18 Außenkommandos im Mosel- und Neckartal mit etwa 14.000 Häftlingen (Schömberg, Frommern, Schörzingen u.a.), unter anderem zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs in Ölschieferwerken. Hauptsächlich war das KZ Natzweiler ein Arbeitslager für die Steinbrüche bei Natzwiller und berüchtigt für die im Lager stattfindenden medizinischen Versuche (insbesondere Gelb- und Fleckfieberversuche und Versuche mit Giftgas).

Das Lager wurde bis zum 22. September 1944 von der SS evakuiert. Die zu diesem Zeitpunkt inhaftierten Menschen wurden in das KZ Dachau verlegt. Die amerikanischen Truppen erreichten das KZ Natzweiler-Struthof am 23. November 1944.

Blick über das KZ. Die rechteckigen braunen Flächen auf dem terrassenförmigen Gelände sind die Grundrisse der Gefangenenunterkünfte.

Kommandant war der SS-Sturmbannführer Egon Zill aus Plauen, Erster Lagerführer SS-Hauptsturmführer Kramer aus Augsburg, der erste Lagerarzt der vom KZ Buchenwald dorthin beorderte Dr. Hans Eisele, sein Nachfolger der SS-Obersturmführer Blanke. An den medizinischen Versuchen beteiligt war ebenfalls Prof. Haagen. Im April 1941 wurde Josef Kramer Lagerkommandant in Natzweiler-Struthof, wo er bis Mai 1944 blieb und jüdische Gefangene vergasen ließ, um die berüchtigte "Schädel- und Skelettsammlung" des Anatomieprofessors August Hirt an der Reichsuniversität Straßburg zu vervollständigen.

Im August 1943 ermordete die SS in der Gaskammer 86 jüdische Frauen und Männer, die zuvor von den beiden Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im KZ Auschwitz-Birkenau herausgesucht worden waren. Auftraggeber des Verbrechens waren August Hirt und der Geschäftsführer der SS-Wissenschaftsorganisation "Ahnenerbe" Wolfram Sievers. Geplant war, die im Anatomischen Institut vorhandene Schädelsammlung in propagandistischer Absicht zu erweitern: Im Sinne der rassistischen NS-Ideologie sollten die Skelette in künftigen "judenfreien" Zeiten der Forschung und Lehre als Anschauungsobjekte dienen. Wegen technischer Probleme konnte die Ausstellung nicht verwirklicht werden.

Von den konservierten Leichen wurden 16 nach der Befreiung Straßburgs vollständig vorgefunden, die übrigen waren zerstückelt. Die Überreste sind auf dem jüdischen Friedhof in Strasbourg-Cronenbourg beigesetzt worden. Sie wurden 2004 identifiziert.

Heute ist es eine Gedenkstätte und Museum. Einzelne noch erhaltene Baracken - nämlich jene mit dem Krematorium und dem Hinrichtungsraum, sowie dem lagerinternen "Gefängnis" - vermitteln eine Ahnung von den grausamen Lebensbedingungen der damals Inhaftierten. Eine andere Baracke beherbergt das Museum, das jedoch momentan renoviert wird und noch bis Mitte-Ende 2005 geschlossen bleiben wird.

Siehe auch:

Literatur

  • Hans-Joachim Lang: Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren. Hamburg 2004.