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Psilocybinhaltige Pilze

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Frische spitzkegelige Kahlköpfe
Getrocknete spitzkegelige Kahlköpfe
Blauender Kahlkopf

Halluzinogene bzw. psychoaktive Pilze, umgangssprachlich oder im Jargon auch Zauberpilze, Narrische Schwammerl, Psilos, Wunderpilze, Magic Mushrooms und Shrooms sind Bezeichnungen für Pilze mit psychoaktiven Inhaltsstoffen. Meist handelt es sich dabei um die psilocybin- bzw. psilocinhaltigen Gattungen der Kahlköpfe (Psilocybe), Risspilze (Inocybe) und Düngerlinge (Panaeolus). Zu den halluzinogenen Pilzen gehören auch ibotensäurehaltige Arten der Wulstlinge (Amanita), wie der Fliegenpilz. Es sind weltweit mehr als 100 Arten mit psychoaktiven Inhaltsstoffen bekannt.

Ein bekannter Pilz ist der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata), der häufig auf nicht künstlich gedüngten mitteleuropäischen Weiden anzutreffen ist. Auch im Grünlichgrauen Dachpilz (Pluteus salicinus) wurden die psychoaktiven Substanzen Psilocybin und Psilocin nachgewiesen.[1] Zum Kauf (legal oder illegal) werden häufig Kubanische Träuschlinge (Psilocybe cubensis) angeboten.

Wirkung

Neben den hauptsächlich wirkenden Tryptaminen Psilocybin und Psilocin enthalten Psilocybin-Pilze oft auch Baeocystin und Norbaeocystin. Die halluzinogene Wirkung ähnelt derjenigen von LSD, ist aber von kürzerer Dauer. Sie tritt je nach Pilzart und -menge zwischen 10 und 120 Minuten nach der Einnahme auf. Der Rausch erreicht seinen Höhepunkt nach 1,5 bis 3 Stunden. Die Gesamtwirkungsdauer beträgt in etwa 4 Stunden. In seltenen Fällen kann die Wirkung deutlich länger (bis zu 9 Stunden) andauern.

In Kombination mit Monoaminooxidase-Hemmern (nurmehr selten eingesetzte Gruppe von Antidepressiva) kommt es zu einer Wechselwirkung, die die Aspekte Verstärkung und Verlängerung beinhaltet. MAO-Hemmer blockieren das Enzym Monoaminooxidase, welches Amine mittels oxidativer Desaminierung im Körper abbaut. Dadurch kommt es zu teilweise gefährlichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln sowie psychoaktiven Substanzen. Es gibt reversible und irreversible Hemmer. Reversible Hemmer wie Harmalin sind generell risikoärmer als irreversible, da erstgenannte die Monoaminooxidase nur blockieren und mit einer Halbwertszeit von einigen Stunden aus dem Körper ausgeschieden werden, während irreversible das Enzym zerstören, sodass es neu gebildet werden muss.

Geschichte

Die ersten Hinweise auf einen Gebrauch von psychoaktiven Pilze entstanden ca. 9000–7000 v. Chr. In der Tassiliebene im heutigen Algerien wurden Felszeichnungen entdeckt, die maskierte, mit Pilzen bedeckte „Götter“ zeigten. Das erste schriftliche Zeugnis einer Nutzung halluzinogener Pilze ist das Buch Historia general de las cosas de Nueva España von Bernardino de Sahagún.

Die in Mittelamerika vorkommenden Arten (beispielsweise Psilocybe cubensis oder Psilocybe mexicana) wurden und werden noch immer in schamanistischen Ritualen verwendet. Psilocybe cubensis wurde wahrscheinlich erst mit dem Dung der Haustiere der spanischen Eroberer eingeschleppt, was sich auch in der häufigen Ablehnung der Indianer hinsichtlich der Verwendung des Pilzes zeigt. Der Pilz wird indianisch "Teonanacatl" genannt, "Fleisch der Götter".

Am bekanntesten ist die schamanische Nutzung von Pilzen in Lateinamerika. Diese Nutzung wurde 1953 vom Ehepaar Valentina und R. Gordon Wasson in Mexiko entdeckt. Vorher wurde den Pilzen nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Wirkstoffe in den psychoaktiven Pilze (hauptsächlich Psilocybin und Psilocin) waren nicht bekannt und viele hielten die Existenz vieler psychoaktiver Pilzarten für unwahrscheinlich oder einen Mythos. Heute sind über 100 psychoaktive Arten rund um die Welt mit Ausnahme der Trockengebiete und der Eisgebiete bekannt. Ihre Erforschung ging von den Mykologen und Chemikern Wasson, Heim, Albert Hofmann, R. Singer und G. Guzman aus. In den letzten 20 Jahren publizierte J.Gartz die meisten Arbeiten zur Chemie der Pilze in führenden botanischen Zeitschriften. Weitere Publizisten zur Mykologie und Ethnobotanik sind P. Stamets, J. Ott sowie G. Samorini mit einer großen Anzahl Artikeln und mehreren Büchern.

Fliegenpilze wurden zum Beispiel bei germanischen Völkern und bei den Korjaken für Vorausdeutungen, die Kontaktaufnahme mit Ahnen und Geistern und das Reisen in fremde Welten benutzt. Auf Nordsumatra, rund um den Tobasee, werden halluzinogene Pilze von den Batak rituell verwendet.

Abhängigkeitspotential

Eine Sucht, die aus körperlichen Entzugsymptomen resultiert, ist nicht bekannt. Der Bewusstseinsforscher Ronald Siegel beschrieb 1981, als Sachverständiger der WHO, dass Konsumenten die Pilze im Durchschnitt höchstens zehnmal nahmen, und dies in Abständen von mehreren Wochen.[2]

Psilocybin-Konsum bildet beim Konsum von Pilzen an mehreren Tagen hintereinander eine Toleranz aus, diese verschwindet jedoch nach einigen Tagen wieder. Eine physische (körperliche) Abhängigkeit bei regelmäßigem Konsum von Psilocybin ist nicht beschrieben, eine psychische Abhängigkeit kann aber prinzipiell nicht ausgeschlossen werden.[3]

Gefahren

Aus der veränderten Wahrnehmung der Umwelt können während der Psilocybin-Wirkung für den Konsumenten Risiken entstehen, beispielsweise die falsche Einschätzung von Gefahren beim Überqueren stärker befahrener Straßen oder beim Lenken eines Fahrzeugs. Bei Aufnahme größerer Pilzmengen kann eine Verkennung der Umgebung mit Angst eintreten (sogenannter Horrortrip, teilweise auch länger anhaltend, Hallucinogen persisting perception disorder). Berichtet wurde von Gesamtzeiträumen wiederkehrender Flashbacks von mehreren Monaten, in einigen Fällen bis zu mehreren Jahren. Grundsätzlich besteht die Gefahr der Aktivierung einer latent vorhandenen Psychose. Bei gesunden Personen gilt der Konsum von Psilocybin allerdings als weitgehend ungefährlich: Der Schweizer Neurologe Roland Fischer fand vor 30 Jahren bei reinem Psilocybin bei seinen Versuchspersonen nur sehr seltene und milde Langzeitreaktionen, die keine Beeinträchtigungen im Alltag erzeugten.

In den Jahren ab 1980 und besonders nach 1995 sind in Mittel- und Süddeutschland mehrere irrtümliche Vergiftungen vorgekommen, bei denen besonders Psilocybe cyanescens spontan im Garten auf Holzresten wuchs und sowohl für den Hallimasch als auch für den Kulturträuschling gehalten wurde.

Rechtslage

Deutschland

In Deutschland sind die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel in Anlage 1[4] des Betäubungsmittelgesetzes erfasst. Besitz von und Handel mit diesen Pilzen sind daher, unabhängig von zum Beispiel ihrem Trocknungsgrad oder dem Zweck des Besitzes (mit eng begrenzten Ausnahmen, beispielsweise zum Zweck pilzkundlicher Sammlungen), in Deutschland strafbar.

Im Widerspruch dazu steht ein Spruch des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. März 2006, nach dem Pilze in keiner Form durch das BtMG erfasst und somit sowohl in trockenem als auch in frischem Zustand legal sind.[5] Dieses Urteil bezieht sich allerdings nur auf die Fassung des BtMG vor der letzten Änderung im Frühling 2005. Mit Urteil vom 25. Oktober 2006 hat der Bundesgerichtshof unter Az. 1 Str 384/ 06 das Revisionsurteil des Koblenzer Oberlandesgerichtes aufgehoben.

Der Fliegenpilz unterliegt in Deutschland nicht dem Betäubungsmittelgesetz.

Niederlande

Seit dem 1. Dezember 2008 sind u. a. Verkauf und Besitz von psychoaktiven Pilzen in den Niederlanden verboten. Nach mehreren (tödlichen) Zwischenfällen wurde eine Änderung des Gesetzes vollzogen.[6] Die verbotenen Pilzarten sind Teil der zweiten Liste der Opiumwet (niederl. Opiumgesetz), zu der auch Rauschmittel wie Haschisch gehören.[7]

Das Openbaar Ministerie (niederl. Staatsanwaltschaft) gab bekannt, dass es beim Besitz von bis zu 0,5 Gramm getrockneter Pilze oder 5 Gramm frischer Pilze nicht zur strafrechtlichen Verfolgung kommen werde.[8]

Verbreitung

Psychoaktive Pilze sind auf der ganzen Welt verbreitet. Im Spätsommer und Herbst sind sie auch in Deutschland und in den Nachbarländern zu finden. Am häufigsten kommen wahrscheinlich der Spitzkegelige Kahlkopf und der Fliegenpilz in Deutschland vor. Jedoch breitete sich die sehr potente und große Psilocybe cyanescens auf Holzresten in den letzten 15 Jahren stark aus und ist lokal in Massen zu finden, wie z. B. in Mitteldeutschland. Ihre starke Blauverfärbung bei Druck und im Alter ist für den Pilz sehr charakteristisch und sonst in Europa nur noch bei den Röhrlingen zu finden, die jedoch inaktiv sind. Psilocybe-Pilze können verhältnismäßig leicht mit anderen Arten verwechselt werden.

Besonders erwähnenswert ist der Mutterkorn-Pilz, der in vorindustriellen Zeiten zu vielen Todesfällen und Wahnwahrnehmungen führte, wenn die Getreideernte damit verunreinigt war. Mutterkorn enthält viele Lysergsäure-Derivate, vor allem Ergotamin, das für therapeutische Zwecke gewonnen wird, aber auch die Basis für die Herstellung des illegalen Halluzinogens LSD. Das vermehrte Auftreten von Mutterkorn in der Kleinen Eiszeit steht unter anderem in Verdacht, eine Rolle bei der Hexenverfolgung wie bei verschiedenen Hexenutensilien wie der Flugsalbe gespielt zu haben. Bei der modernen Landwirtschaft ist keine Vergiftungsgefahr gegeben.

Literatur

Einzelnachweise

  1. A. Gminder und T. Böhning: Kosmos Naturführer: Pilze, Franckh Kosmos Verlag, ISBN 3-440-10797-3
  2. Jochen Gartz: Narrenschwämme – Psychotrope Pilze in Europa, Nachtschatten-Verlag, Solothurn, 1999
  3. Uni Bonn
  4. Anlage I des BtMG von 1981
  5. OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006, Az. 1 Ss 341/05
  6. http://www.sueddeutsche.de/panorama/471/421233/text/
  7. Overheid.nl (01-12-2008). Wet- en regelgeving: Opiumwet. Aufgerufen am 2. Dezember 2008.
  8. Openbaar Ministerie (01-12-2008). Paddoverbod van kracht. Aufgerufen am 2. Dezember 2008.