Hohe Schule Herborn
Die Hohe Schule Herborn (Academia Nassauensis) ist eine universitätsähnliche deutsche Hochschule in Herborn, die von 1584 bis 1817 bestand. Die Universität ist in dem "Theologischen Seminar der evangelischen Landeskirche" aufgegangen.
Überblick
1584 wurde von Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg die Academia Nassauensis, die Hohe Schule Herborn, gegründet. Diese später reformierte universitätsähnliche Hochschule war mit vier Fakultäten ausgestattet. Trotz wiederholter Bemühungen lag noch um 1750 kein kaiserliches Privileg für die Führung der Bezeichnung "Universität" und die damit verbundenen Privilegien vor. Der Name Hohe Schule besteht aus dem Grund, dass sie eine reformierte bzw. calvinistische Gründung war und deshalb weder vom Kaiser noch vom Papst die offiziellen Rechte einer Universität erteilt wurden. Die Hohe Schule wurde auch aufgrund des in der Frühzeit recht hohen wissenschaftlichen Niveaus an dieser Einrichtung auch als Universität bezeichnet.
Herborn war die kleinste deutsche Hochschule mit nie mehr als 100 Studenten, was allerdings in ein Verhältnis mit der damaligen durchschnittlichen Hörerzahl von 300 bis 400 Studenten zu setzen ist. Weil der Kaiser, trotz der unbestritten hohen Qualität der Lehre, sich weigerte der Hohen Schule die Universitätsprivilegien zu verleihen hatte die Hochschule niemals ein Promotionsrecht.
Sie wurde bald eine der wichtigsten Bildungsstätten der kalvinistisch-Reformierten in Europa. Der bedeutendste Student war Johann Amos Comenius von 1611 bis 1613, ein bekannter Förderer der Pädagogik.
Die Universität wurde 1817 geschlossen; da sich das nassauische Herrschaftsgebiet um mehrere Universitäten vergrößert hatte und nicht alle gehalten werden konnten. Die ursprünglichen Gebäude werden noch als Hotel und Restaurant benutzt. Der Nachfolger der Universität Herborn ist das im Herborner Schloss angesiedelte Theologische Seminar der evangelischen Landeskirche.
Fakultäten
Bei ihrer Gründung hatte die Hohe Schule vier Fakultäten (Theologie, Philosophie, Medizin und Jura).
Diese Reihenfolge der Fakultäten spiegelt die damals übliche Prestigereihung der Fakultäten wider.
Berühmte Persönlichkeiten
An der Universität Herborn haben unter anderem studiert oder gelehrt:
- Caspar Olevian, ab 1584 Gründungsrektor, Dogmatiker und Theologieprofessor
- Johannes Piscator, von 1584 bis 1625 Professor der Theologie
- Georg Pasor, ab 1591 Student am Paedagogium und der Universität, später Professor für Griechisch am niederländischen Pendant zu Herborn, der Hochschule im friesischen Franeker
- Johannes Althusius bis 1603 Professor der Rechtswissenschaft
- Johann Heinrich Alsted, ab 1608 Student am Paedagogium, später bis 1628 Professor für Theologie und Philosophie
- Johann Amos Comenius, ab 1611 Student am Paedagogium und der Universität
- Johann Heinrich Bisterfeld, ab 1629 Professor der Philosophie
- Nikolaus Gürtler, ab 1685 Professor der Philosophie und Beredsamkeit, sowie Leiter des Pädagogiums der reformierten Hohe Schule
- Johann Henrich Horch, ab 1690 Professor für Kirchenrecht und Kirchenkritiker
Literatur
- Gottfried Zedler/ Hans Sommer: Die Matrikel der Hohen Schule und des Paedagogiums zu Herborn, Bergmann Verlag Wiesbaden 1908
- Heinrich Schlosser: "Die Hohe Schule Herborn und Caspar Olevian", Ritter Verlag Wiesbaden 1918
- Stadt Herborn u. Herborner Geschichtsverein e.V.: "Hohe Schule Herborn", 1972
- Gerhard Menk: Die Hohe Schule Herborn in ihrer Frühzeit (1584 - 1660). Ein Beitrag zum Hochschulwesen des dt. Kalvinismus im Zeitalter der Gegenreformation, Histor. Komm. für Nassau Wiesbaden 1981, ISBN 3922244424 und ISBN 3922244432
- Joh. Herm. Steubing: "Geschichte der Hohen Schule Herborn", Verlag Die Wielandschmiede Kreuztal 1984, (Nachdr. d. Ausg. Hadamar 1823)
- Hans Haering: "Die Spätzeit der Hohen Schule zu Herborn (1742 - 1817) : zwischen Orthodoxie und Aufklärung ", Lang Verlag Frankfurt2003, ISBN 3631476329 (in Europäische Hochschulschriften : Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften ; Bd 615)
- Dieter Wessinghage: "Die Hohe Schule zu Herborn und ihre Medizinische Fakultät", Schattauer Verlag 2003, ISBN 379451016X
- Wilhelm A. Eckhardt, Gerhard Menk: "Christian Wolff und die hessischen Universitäten", Trautvetter und Fischer 2004, ISBN 3878221185