Zum Inhalt springen

Europäischer Haftbefehl

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Juli 2005 um 17:47 Uhr durch Nalewajko (Diskussion | Beiträge) (Weiterführende Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Europäische Haftbefehl (EHB) stellt eine justizielle Entscheidung dar, die in einem EU-Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen EU-Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

Der Rat der Justiz- und Innenminister der Mitgliedstaaten der EU hat, gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Art. 31 lit. a und b, Art. 34 Abs. II lit. b, auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments am 13. Juni 2002 den Rahmenbeschluss „über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten“ (im Folgenden als Rahmenbeschluss über den EHB bezeichnet) verabschiedet.

Laut Definition des Art. 1 des Rahmenbeschlusses, ist unter dem Europäischen Haftbefehl (EHB) eine justizielle Entscheidung zu verstehen, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

Entstehungsgründe

  • Die Verwirklichung der Idee, einen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen“ (Art. 29 I EUV) insbesondere durch effektive Bekämpfung der s.g. organisierten Kriminalität,
  • Verstärkung und Vereinfachung internationaler Kooperation in Strafsachen,
  • Entstehung eines einheitlichen europäischen Rechtsraumes für Auslieferungen durch Abschaffung des förmlichen Auslieferungsverfahrens

Diese Ziele sollen durch eine bessere Vereinbarkeit, eine stärkere Konvergenz der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Entscheidungen in der gesamten Union erreicht werden.

Unterschiede zum bisherigen Auslieferungsrecht

  • direkte Zusammenarbeit der Justizbehörden ohne Inanspruchnahme des diplomatischen Weges und Verzicht auf das s.g. Bewilligungsverfahren,
  • verkürzte Übergabefristen,
  • Anwendung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen und außergerichtlichen Entscheidung führt dazu, dass ein EHB, der in einem (Anordnungs-)Mitgliedstaat erlassen wird, in jedem anderen (Vollstreckungs-)Mitgliedstaat, nur unter Vorbehalt der Ablehnungsgründe (z. B. Art. 3 des Rahmenbeschlusses), zu vollstrecken ist,
  • weitgehender Verzicht auf die Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit,
  • allgemeine Verpflichtung zur Auslieferung eigener Staatsangehörigen,
  • Einbindung von Hilfsinstrumenten und Organen (wie: Eurojust, Europäisches Justizielles Netz, SIS)

Kritikpunkte

  • weitgehende "Automatisierung" des Auslieferungsrechts durch die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung,
  • Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit und somit Schwächung der Rechtsstellung von Beschuldigten,
  • nicht ausreichende Regelung der Rechte der beschuldigten Personen im Text des Rahmenbeschlusses über den EHB,

Inkrafttreten

Dieses neue Instrument der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sollte bis zum 31. 12. 2003 durch die Vornahme aller notwendigen Durchführungsmaßnahmen in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten der EU implementiert werden (Art. 34 Abs. 1). Die Frist zur Inkorporierung des EHB in das nationale Recht bezüglich der 10 neuen Beitrittskandidaten lief gem. Beitrittsvertrag (Art. 2) am 01. 05. 2004 aus.


Weiterführende Literatur

  • Rohlff, D. "Europäischer Haftbefehl", Europäische Hohschulschriften, Frankfurt am Main 2003, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften
  • v. Heintschel-Heinegg, B/ Rohlff, D. "Der Europäische Haftbefehl", GA 2003, S. 44
  • Schünemann, B. "Europäischer Haftbefehl und EU-Verfassungsentwurf auf schiefer Ebene", ZRP 2003, 185
  • Seitz, H. "Das Europäische Haftbefehlgesetz", NStZ 2004, S. 546
  • Wegner, C. "Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Europäischen Haftbefehl", StV 2003, S. 105

(bearbeitet von: Pawel Nalewajko)