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Panpsychismus

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Panpsychismus (von altgriech. Vorlage:Polytonisch „alles“ und Vorlage:Polytonisch „Geist, Seele“) ist eine Theorie, derzufolge allen fundamentalen Dingen des Universums mentale Eigenschaften innewohnen.

Als Position innerhalb der Philosophie des Geistes geht der Panpsychismus davon aus, dass die Eigenschaften des Geistes, des Bewusstseins und der Qualia Eigenschaften physikalischer Dinge sind. Demnach sind mentale Eigenschaften weder emergent (nichtreduktiver Materialismus) noch eine eigenständige Substanz (Substanz-Dualismus) oder gar auf rein physikalische Gesetzmäßigkeiten reduzierbar (Physikalismus). So aufgefasst impliziert die Sicht des Panpsychismus nicht zwangsläufig einen Idealismus, ist mit diesem aber kombinierbar (wie z. B. bei Arthur Schopenhauer oder Timothy Sprigge). In den meisten Versionen des Panpsychismus wird jedoch die Sicht vertreten, dass die klassische Konzeption des Physikalischen zwar in sich schlüssig ist, aber darüber hinaus um den Aspekt des Mentalen erweitert werden muss.

Abgrenzung

Entgegen dem gängigen Vorurteil impliziert der Panpsychismus nicht zwangsläufig, dass auch Steine oder Bäume Gefühle empfinden, die denen des Menschen gleichen. Vielmehr geht der Panpsychismus davon aus, dass mentale Eigenschaften ein nicht zu reduzierender, fundamentaler Aspekt des Physikalischen sind, der sich graduell verwirklichen kann. Bei Bakterien z. B. lässt sich aufgrund ihres Verhaltens darauf schließen, dass sie äußerst primitive mentale Zustände haben; was aber noch nicht bedeutet, dass sie ein Bewusstsein ihrer selbst besitzen oder die Qualia von Schmerzen erleben können. Da Bakterien oder gar Elementarteilchen sicherlich keine Gefühle oder Gedanken zugesprochen werden können, wurde von dem englischen Philosophen Alfred North Whitehead für deren postulierte „Empfindungsfähigkeit“ der Begriff Proto-Bewusstsein bzw. Prehension verwendet und von seinem „Schüler“ David R. Griffin der Begriff Panexperientialismus als treffenderes Synonym für Panpsychismus vorgeschlagen.

Geschichte des Panppsychismus

Erste panpsychistische Theorien finden sich bereits bei den Vorsokratikern. Insbesondere die milesischen Naturphilosophen Thales, Anaximenes, Anaxagoras und Pythagoras gehen davon aus, dass geistige Eigenschaften als universelles Lebensprinzip und als ordnendes Element des Kosmos überall ihre Wirkung entfalten. Demgegenüber vertritt Empedokles die Ansicht, dass alle Eigenschaften - und damit auch die des Geistigen - aus den vier Elementen hervorgehen (Emergenz).

Im Anschluss sind panpsychistische Auffassungen (die sich in ihrer Konzeption jedoch teilweise markant unterscheiden) u.a. von folgenden Denkern vertreten und entwickelt worden: Platon, den Stoikern, Plotin, Giordano Bruno, Baruch de Spinoza, Gottfried Leibniz, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Gustav Fechner, William James, Charles Peirce, Henri Bergson, Alfred North Whitehead, Bertrand Russell, Ernst Haeckel, Arthur Eddington, Carl Gustav Jung, Bernhard Rensch, Albert Einstein und David Bohm.

In jüngerer Zeit sind Spielarten des Panpsychismus z.B. bei Charles Hartshorne, David Ray Griffin, Christian De Quincey, Ken Wilber, Ervin László, Freeman Dyson, Jean Charon, Stuart Hameroff, Thomas Nagel, David Chalmers, Gregg Rosenberg, Timothy Sprigge[1] und Galen Strawson zu finden.

Verknüpfungsmöglichkeiten und unterschiedliche Auffassungen

Der Panpsychismus kann mit fast allen zeitgenössischen Theorien der Philosophie des Geistes verknüpft werden – keinesfalls jedoch mit einem eliminativen Materialismus wie ihn etwa Daniel Dennett vertritt oder mit der Auffassung, dass Qualia usw. eine Emergenz des rein Physikalischen darstellen.

William James, Ernst Mach und Bertrand Russell werden gelegentlich auch dem Neutralem Monismus zugerechnet. Diese Position kann man als eine Spielart des Panpsychismus betrachten - insofern der Neutrale Monismus davon ausgeht, dass die fundamentalste Ebene der Wirklichkeit die Existenz geistiger Eigenschaften ermöglicht.


Kritik

Als wichtigsten Einwand gegen den Panpsychismus nannten John Searle und David Chalmers das sogenannte Kombinationsproblem, das erstmals von William James formuliert wurde. Es bezieht sich auf die Frage, wie aus der Kombination der elementaren Einzelbewusstseine der einfachen Bestandteile (etwa der Atome oder Zellen) das einheitliche, höhere Bewusstsein eines Organismus gebildet werden solle, anstatt nur einer unzusammenhängenden Ansammlung von primitiven Proto-Empfindungen. Mögliche Lösungen für das Kombinationsproblem wurden von Alfred North Whitehead mit der Prozessphilosophie und von Ken Wilber mit dem AQAL-Modell der Integralen Philosophie vorgeschlagen.

Siehe auch

Literatur

  • Whitehead, Alfred North: Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008 (zuerst erschienen als "Process and Reality" 1929).
  • Griffin, David: Unsnarling the World Knot: Consciousness, Freedom and the Mind-Body Problem. Berkeley: University of California Press 1998.
  • Skrbina, David: Panpsychism in the West. Cambridge: MIT Press 2005.
  • Skrbina, David (Hrsg.). Mind that Abides. Panpsychism in the New Millennium. Amsterdam: John Benjamins 2009.
  • Spät, Patrick: „Der Panpsychismus: Eine Zukunft für mentale Ereignisse?“, in: P. Spät (Hrsg.): Zur Zukunft der Philosophie des Geistes. Paderborn: mentis 2008, S. 141–162.
  • Spät, Patrick: „Enactivism, leibhaftige Qualia und Panpsychismus“, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, 33(3), 2008, S. 237–262.

Einzelnachweise

  1. T.L.S. Sprigge et al.: Pantheism - La Salle, Illinois: Hegeler Institute, 1997. (in: The Monist, Vol. 80, Nr. 2 (April 1997)