Raubdruck
Raubdruck ist der Nachdruck eines Titels durch einen Konkurrenzverlag, der in der Regel dabei seine eigene Identität verschleiert. Geschädigter war im frühen Buchdruck der Originalverlag, nicht der Autor, der seinen Lohn für das Manuskript erhielt. Für den Autor war der Raubdruck tatsächlich vermutlich öfter ein heimlicher Vorteil - er steigerte seine Verbreitung, und erlaubte ihm höhere Honorare auszuhandeln für Manuskripte die demnächst sofort in höheren Auflagen gedruckt würden. Übersetzungen zählten nicht als Raubdruck, auch wenn für sie keine Tantiemen an den Erstverlag gingen. Erst die Einführung des Begriffs "geistigen Eigentums" und die fotlaufende Beteiligung des Autors am Verkauserlös veränderten die Interessenlage. Als illegale Form des Nachdrucks stellt der Raubdruck von nun an eine Missachtung des Konzepts geistigen Eigentums dar, wie es sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Schnittpunkt ästhetischer, juristischer und ökonomischer Diskurse entwickelte und schließlich zur Durchsetzung des Urheberrechts führte. Der Raubdruck wurde nun zur unautorisierten Vervielfältigung eines bereits gedruckten und urheberrechtlich geschützten Werks.
Privilegien als Schutz und der Druck unter fingierten Imprints als Usus, Einblicke in die Praxis, 1500-1750
Im frühen Buchdruck war die wirksamste Maßname gegen den Raubdruck das Privileg. Im Falle kostspieliger Verlagswerke erwirkte das Unternehmen die landesherrliche oder kaiserliche Protektion: "Mit Königl. Pohln. und Churf. Sächs. Privilegio" notierte die Titelseite dann in der letzten Zeile. Der Landesherr drohte hier mit der Verfolgung jedes Raubdrucks. Im Regelfall erschienen Bücher ohne diesen kostspieligen Schutz. Innerhalb der Verlagsbranche, die sich jährlich auf den Messen traf, machte sich selbst unmöglich, wer Werke von Kollegen nachdruckte - noch war jeder Verleger, in der Regel gleichzeitig mit eigenem Laden Buchhändler, darauf angewiesen, daß die Kollegenschaft mit ihm Bücher tauschte, die er dann im eigenen Sortiment neben der eigenen Ware anbieten konnte.
Raubdrucke erschienen darum in der Regel ohne Verlagsangabe oder mit offensichtlich fingiertem Imprint - "A Cologne, chez Pierre Marteau", "Cölln, bey Peter Marteau" war hier die beliebteste, offenkundig irreführende Angabe. Der Verleger, in dessen Geschäft Bücher solcher Provenienz angeboten wurden, behauptete im Ernstfall gegenüber den Behörden, ein ihm unbekannter Konkurrent habe sie gedruckt, er verkaufe sie nur.
Dreist war der Raubdruck unter Verlagsangabe des Bestohlenen - er ermöglichte einem Verlag, der mit einem Werk in Konflikt mit der Zensur erhielt indes im Ausnahmefall auch die willkommene Entschuldigung, es sei das beanstandete Werk nicht von ihm selbst gedruckt worden. Die von Christian Friedrich Hunold alias Menantes zusammengestellte erste Gedichtsammlung führte 1702 ein Gedicht, das ein Rivale als politisch untragbares vor dem Stadtrat anschwärzte. Der Verleger und der Autor bekamen kurz vor der Konfiskation Wind von der bevorstehenden Einziehung der Restexemplare, man tauschte die Seiten mit dem inkriminierten Gedicht aus, band die Restexemplare und teilte sie zuvorkommend unter den Ratsherren aus. Der Drucker verteidigte sich nun vor der Stadt: Es böten die Orginalexemplare, wie man sähe, das Gedicht nicht. Nur ein Raubdruck, der ihm untergeschoben worden sei, weise sie auf - der schwarze Peter lag damit bei den Klägern, die ihre Klage indirekt lanciert hatten und die sich nun des Raubdrucks schuldig zu machen drohten, wenn sie ihre Klage offen führen sollten. Die Geschichte ist eine Ausnahme, sie ist auf der anderen Seite typisch für den Umgang mit Raubdrucken vor dem mittleren 18. Jahrhundert. Verleger begegneten sich (ähnlich wie heute Autoren im Internet) mit eigener Ruppigkeit auf dem Markt, der keinen besonderen Schutz gewährte. Man klagte laut über Mißbrauch ohne dem dieselbe Bedeutung zu geben, die man ihm seit Mitte des 18. Jahrhunderts im Blick auf Persönlichkeitsrechte und kompensable finanzielle Schädigungen gibt. Wer druckte wußte was ihm geschehen konnte und arbeitete mit entsprechender Risikobereitschaft.
(Eine Darstellung zur Raubdruckpraxis -"Sozialisierte Drucke und proletarische Reprints"- im Umfeld der 68er Jugendrevolte folgt.)
In der Biologie bezeichnet "Raubdruck" die Häufigkeit der Angriffe von Beutegreifern auf wildlebende Tiere. Literaturgeschichte