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Britische Unterhauswahl 2010

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Die britischen Unterhauswahlen 2010 fanden am 6. Mai statt, seit 1945 traditionell an einem Donnerstag, und fast auf den Tag genau fünf Jahre nach den Wahlen von 2005 vom 5. Mai 2005. Diesen Wahltermin legte der britische Premierminister Gordon Brown am 6. April 2010 fest. Für die Labour Party, die seit drei Wahlperioden führende Regierungspartei ist, trat der seit 2007 amtierende Premierminister Gordon Brown an, für die Conservative Party („Tories“) David Cameron. Die Liberal Democrats wurden von ihrem Spitzenkandidaten Nick Clegg vertreten. Im Ergebnis gewannen die Konservativen an Wählerstimmen und Wahlkreismandaten stark hinzu und wurden stärkste Kraft im Unterhaus. Sie verfehlten jedoch die angestrebte absolute Mehrheit an Sitzen.

Wahlmodus

Die Wahlen fanden am 6. Mai 2010 wie auch die vorangegangenen Wahlen nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in 649 einzelnen Wahlkreisen statt. Im englischen Wahlkreis Thirsk and Malton findet die Wahl erst am 27. Mai 2010 statt, da der dortige Kandidat derUK Independence Party kurz vor dem Wahltermin verstorben ist.[1] Seit der letzten Wahl sind vier Wahlkreise hinzugekommen, die alle in England liegen. Der Kandidat mit der höchsten Wählerstimmenzahl gewinnt, einen zweiten Wahlgang gibt es nicht. Dieses Wahlrecht begünstigt große Massenparteien wie die Konservativen und Labour und Regionalparteien wie die Scottish National Party und Plaid Cymru. Mittelgroße Massenparteien wie die Liberal Democrats oder kleinere Parteien ohne ausgesprochene regionale Schwerpunkte waren in den letzten Wahlen dagegen benachteiligt.

Neufestsetzung der Wahlkreisgrenzen

Seit der letzten Wahl 2005 wurden die Wahlkreise nach Vorschlägen der Boundary Commissions in England, Wales und Nordirland neu abgegrenzt, um Bevölkerungsveränderungen Rechnung zu tragen. Insgesamt kommen vier Wahlkreise hinzu, die Anzahl der Sitze erhöht sich von 646 auf 650. Alle vier neuen Wahlkreise liegen in England, das damit nun auf 533 Wahlkreise kommt.[2] Nordirland behielt weiter 18 Wahlkreise, deren Grenzen zum Teil aber geringfügig geändert wurden.[3] Die Zahl der walisischen Wahlkreise blieb unverändert bei 40, allerdings bei zum Teil erheblich veränderten Wahlkreisgrenzen.[4] Die Grenzen der 59 schottischen Wahlkreise waren schon 2004 neu festgelegt worden, so dass jetzt keine Änderung erfolgte. Die 533 englischen Wahlkreise weisen im Mittel 69.400 Wähler auf (Minimum: 56.000 im Wahlkreis Wirral West, Maximum: 103.500 Wähler im Wahlkreis Isle of Wight), die 18 nordirischen Wahlkreise haben im Mittel 61.300 Wähler (Minimum: 55.000 im Wahlkreis Belfast West, Maximum: 72.800 Wähler im Wahlkreis North Antrim), die 59 schottischen Wahkreise haben im Mittel 67.700 Wähler (Minimum: 21.800 im Wahlkreis Na h-Eileanan an Iar, Maximum: 78.700 Wähler im Wahlkreis Linlithgow and East Falkirk) und die 40 walisischen Wahlkreise haben im Mittel 55.600 Wähler (Minimum: 43.000 im Wahlkreis Arfon, Maximum: 68.200 Wähler im Wahlkreis Vale of Glamorgan). Damit sind die „Randgebiete“ Schottland, Wales und Nordirland insgesamt etwas überrepräsentiert.

Wahlkreise der Spitzenkandidaten

Gordon Brown trat in seinem schottischen Heimatwahlkreis Kirkcaldy and Cowdenbeath (Fife) an. Auch David Cameron und Nick Clegg gingen in ihren angestammten Wahlkreisen (seit 2001 bzw. 2005) ins Rennen: Cameron in Witney (Oxfordshire), Clegg in Sheffield Hallam (südwestliches Sheffield, South Yorkshire).

Prognosen vor der Wahl

Umfrageergebnisse in den Jahren 2005–2010:
                     Konservative                      Labour                      Liberal Democrats                      Andere
Umfrageergebnisse seit dem 6. April 2010

In praktisch allen Wahlumfragen seit dem Jahr 2008 lagen die Konservativen vor Labour. Seit der Bekanntgabe des Wahltermins hat sich ein deutlicher Zugewinn der Liberal Democrats in den Meinungsumfragen abgezeichnet, so dass diese mittlerweile etwa gleichauf zumindest mit Labour liegen.[5] Das relative Mehrheitswahlrecht macht genaue Prognosen der Mehrheitsverhältnisse im zukünftigen Unterhaus besonders schwierig, da schon kleine Mehrheitsänderungen in den Wahlkreisen gravierende Sitzverschiebungen im Parlament zur Folge haben können.

Wahlkampf

Sowohl die Konservativen als auch Labour strebten eine deutliche Sitzmehrheit im Unterhaus an. Falls die Sitzmehrheit nur knapp ist, ist es wahrscheinlich, dass die Regierung im Laufe der Legislaturperiode allmählich die Mehrheit verliert, da im Laufe der Zeit immer wieder Nachwahlen in einzelnen Wahlkreisen (byelections) aufgrund des Ausscheidens eines Sitzinhabers stattfinden, die häufig dann zugunsten der Oppositionskandidaten ausgehen. Der Logik des einfachen Mehrheitswahlrechts folgend konzentrierten sich die großen Parteien stark auf die Wahlkreise, in denen bei der letzten Unterhauswahl der Stimmenabstand zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten gering war. Bei der letzten Wahl gab es insgesamt 31 Wahlkreise, in denen der relative Stimmenabstand zwischen den ersten beiden Kandidaten weniger als 1 % betrug.

Einige Parteien traten nur in bestimmten Regionen an, so die Scottish National Party nur in Schottland, Plaid Cymru nur in Wales und Sinn Féin, die Social Democratic and Labour Party (SDLP), die Alliance Party of Northern Ireland und die Ulster Unionist Party nur in Nordirland. Die Respect Party, eine linkgerichtete Abspaltung von Labour, die bei den letzten Wahlen einen Londoner Wahlkreis gewonnen hatte, trat nur in England und Wales an. In insgesamt drei großen öffentlichen Debatten[6] traten die drei Kandidaten Gordon Brown, David Cameron und Nick Clegg gegeneinander an. Bei allen Kandidaten stand die Wirtschaftskrise und deren Überwindung im Mittelpunkt. Premierminister Brown betonte dabei seine ökonomische Kompetenz und sein entschlossenes Handeln, die es ermöglicht hätten, dass die Bankenkrise nicht in eine allgemeine Rezession übergegangen sei. David Cameron wies darauf hin, dass eine verfehlte Wirtschaftspolitik mit zur Krise geführt hätte, warf der Labour-Regierung Verschwendung öffentlicher Gelder vor und betonte, dass Großbritannien unter seiner Führung nie der Eurozone beitreten würde. Nick Clegg forderte einen grundlegenden Umbau des Bankensystems und des Steuersystems, zu dem Labour nicht in der Lage gewesen sei und die Konservativen nicht willens seien.

Ergebnisse

Ergebnisse nach Wahlkreisen (die Farbgebung entspricht der der nebenstehenden Tabelle).
Partei Stimmen Sitze +/− Stimmen
in %
+/− Sitze
in %
+/−
  Conservative Party
  Labour Party
  Liberal Democrats
  Democratic Unionist Party
  Scottish National Party
  Sinn Féin
  Plaid Cymru 3 0 0,5% 0%
  Social Democratic and Labour Party (SDLP)
  Parteiunabhängige Kandidaten
  Ulster Unionist Party
  Alliance Party of Northern Ireland 1 1 0,2% 0,2%
  Respect
  Independent Kidderminster Hospital and Health Concern
  United Kingdom Independence Party
  Green Party of England and Wales 1 1 0,2% 0,2%
  British National Party
  Scottish Socialist Party
  Scottish Green Party
  Liberal Party
  Weitere Parteien
  Gesamt 650 100,0%

Ablauf der Wahlen und erste Reaktionen

Die Wahlen verliefen weitgehend planmäßig ohne größere Zwischenfälle. Als Skandal wurde allerdings empfunden, dass etliche 100 Wahlberechtigte in verschiedenen Wahlkreisen nicht dazu kamen ihre Stimme abzugeben, da sie sich in lange Schlangen vor den Wahllokalen einreihen mussten und die Wahllokale pünktlich schlossen, bevor sie an der Reihe gewesen waren.[7] Im Wahlkreis Liverpool Wavertree fehlten in einigen Wahllokalen Stimmzettel, nachdem die Wahlbeteiligung unerwartet hoch ausfiel, so dass mindestens ein Wahllokal zeitweilig geschlossen werden musste, bis neue Stimmzettel herangeschafft worden waren.[8]

Nach Bekanntwerden der ersten vorläufigen Ergebnisse gab es erste Reaktionen der Parteiführer. Nick Clegg bezeichnete das Ergebnis als "Enttäuschung"[9], David Cameron sprach davon, dass Labour das Mandat verloren habe[10] und kündigte eine Regierungsbildung unter seiner Führung an. Premierminister Gordon Brown bekundete seinen Stolz, dass er den schottischen Wahlkreis Fife zum siebten Mal in Folge gewonnen habe und zeigte sich stolz auf die Leistung von Labour[11]. Führende Labourpolitiker wie Peter Mandelson und Chris Grayling lehnten den Rücktritt Browns ab mit dem Hinweis, dass Cameron "kein Mandat" erhalten habe.
Erste Spekulationen über mögliche Koalitionen zeigten zwei Szenarien: eine Koalitionsregierung aus Konservativen, Democratic Unionist Party und Independent Unionists unter Cameron auf der einen Seite oder eine Koalition aus Labour, Liberal Democrats und nordirischer SDLP und Alliance Party unter Brown auf der anderen Seite.[12]

Einzelnachweise

  1. Thirsk and Malton election postponed after candidate John Boakes dies, The Press, Meldung vom 23. April 2010
  2. The Parliamentary Constituencies (England) Order 2007
  3. The Parliamentary Constituencies (Northern Ireland) Order 2008
  4. The Parliamentary Constituencies and Assembly Electoral Regions (Wales) Order 2006
  5. Poll tracker: Interactive guide to the opinion polls, BBC News
  6. Final TV debate: Key moments in text and video, BBC video
  7. Election 2010: Voters turned away as polls close, BBC News vom 7. Mai 2010
  8. Liverpool polling station runs out of ballots, BBC News vom 7. Mai 2010
  9. Election 2010: Clegg 'disappointed' at Lib Dem results, BBC News vom 7. Mai 2010
  10. Election 2010: Cameron says Labour have 'lost mandate', BBC News vom 7. Mai 2010
  11. Election 2010: Gordon Brown 'proud of Labour's record', BBC News vom 7. Mai 2010
  12. Nick Robinson's Newsblog: Two possible blocs, BBC News vom 7. Mai 2010
Commons: Britische Unterhauswahl 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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