Vergiftung
| Klassifikation nach ICD-10 | |
|---|---|
| T36 | Vergiftung durch systemisch wirkende Antibiotika |
| T37 | Vergiftung durch sonstige systemisch wirkende Antiinfektiva und Antiparasitika |
| T38 | Vergiftung durch Hormone und deren synthetische Ersatzstoffe und Antagonisten, anderenorts nicht klassifiziert |
| T39 | Vergiftung durch nichtopioidhaltige Analgetika, Antipyretika und Antirheumatika |
| T40 | Vergiftung durch Betäubungsmittel und Psychodysleptika [Halluzinogene] |
| T41 | Vergiftung durch Anästhetika und therapeutische Gase |
| T42 | Vergiftung durch Antiepileptika, Sedativa, Hypnotika und Antiparkinsonmittel |
| T43 | Vergiftung durch psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert |
| T44 | Vergiftung durch primär auf das autonome Nervensystem wirkende Arzneimittel |
| T45 | Vergiftung durch primär systemisch und auf das Blut wirkende Mittel, anderenorts nicht klassifiziert |
| T46 | Vergiftung durch primär auf das Herz-Kreislaufsystem wirkende Mittel |
| T47 | Vergiftung durch primär auf den Magen-Darmtrakt wirkende Mittel |
| T48 | Vergiftung durch primär auf die glatte Muskulatur, die Skelettmuskulatur und das Atmungssystem wirkende Mittel |
| T49 | Vergiftung durch primär auf Haut und Schleimhäute wirkende und in der Augen-, der Hals-Nasen-Ohren- und der Zahnheilkunde angewendete Mittel zur topischen Anwendung |
| T50 | Vergiftung durch Diuretika und sonstige und nicht näher bezeichnete Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanze |
| T51 | Toxische Wirkung von Alkohol |
| T52 | Toxische Wirkung von organischen Lösungsmitteln |
| T53 | Toxische Wirkung von halogenierten aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen |
| T54 | Toxische Wirkung von ätzenden Substanzen |
| T55 | Toxische Wirkung von Seifen und Detergenzien |
| ICD-10 online (WHO-Version 2019) | |
Die Vergiftung (als lateinisch-griechisches Kompositum auch die Intoxikation) ist ein pathophysiologischer Zustand, der als Folge der Einbringung von Toxinen (Giften) in den Körper auftritt.
Das Krankheitsbild wird Toxikose (griechisch τοξίκωση, toxíkosi „Vergiftung“) genannt. Vergiftungen mit mehreren Stoffen bezeichnet man als Misch- oder Polyintoxikationen.
Bei Verdacht auf Vergiftung sollte man sich an den Giftnotruf wenden.
Formen von Vergiftung
Toxine sind Stoffe häufig bakterieller Herkunft, zum Beispiel bei vielen Lebensmittelvergiftungen.
Angeborene Vergiftungen
Atopische Vergiftungen durch körpereigene Stoffe (Beispiel: Urämie) sind dadurch gekennzeichnet, dass der Körper eine Fehlfunktion hat. Hier ist der Gang zum Facharzt zwingend erforderlich.
Akute (erworbene) Vergiftung
Ursache akuter Vergiftungen ist meist die versehentliche (akzidentelle) oder beabsichtigte Einnahme bzw. Inkaufnahme von Intoxikation.
Chronische Vergiftung
Von einer chronischen Vergiftung spricht man bei langdauernder Einwirkung (Exposition) eines Giftes. Dies ist ein wichtiges Problem der Arbeitsmedizin. Auch langfristige Einnahme von Medikamenten kann zu chronischen Vergiftungserscheinungen führen. Berühmte Beispiele sind die Bleikinder und die Gressenicher Krankheit, aber auch der Alkoholismus bzw. das Rauchen.
Giftinformation
Solche Informationen geben Vergiftungsberatungsstellen (beispielsweise in Deutschland, Schweiz, Österreich). Sie geben schnelle Hilfe in Vergiftungsverdachtsfällen für die Bevölkerung und für medizinisches Fachpersonal. Für den Normalverbraucher die Giftnotrufzentralen für Fragen zu inländischen Fällen und das Tropeninstitut bei Fernreisen.
Giftnachweis
Der Giftnachweis erfolgt meist durch laborchemische Tests oder Gaschromatographie. Bei akuter Vergiftung mit äußerst toxischen Substanzen können diese Verfahren in manchen Fällen nicht ausreichend schnell Ergebnisse liefern, in diesen Fällen kann das Umfeld des Vergifteten oder die Symptomatik der Vergiftungserscheinungen Hinweise auf die Art der Intoxikation geben.
Behandlung von Vergiftungen
Bei jeglicher Form von Vergiftung ist ärztliche Hilfe notwendig. Der Giftnotruf stellt darüber hinaus sowohl Betroffenen als auch Fachpersonal Informationen zur Einschätzung der Gefährdungslage und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zielsetzung der Ersten Hilfe bei Vergiftungen ist die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen. Eine unspezifische Giftentfernung erfolgt über Spülungen mit Wasser (Auge, Haut) bzw. über eine Verdünnung oral aufgenommener Substanzen mit anschließenden Erbrechen durch Emetika (Brechmittel). Eine akut vergiftete Person sollte jedoch nicht ohne weiteres zum Erbrechen gebracht werden, denn dies kann die Situation auch verschlimmern, da es bei bestimmten Vergiftungen (so z. B. Säuren, Laugen, Lösungsmitteln) und Situationen (Bewusstlosigkeit) absolut kontraindiziert ist. Manche Vergiftungen können mit spezifischen Gegengiften (Antidot) behandelt werden.
Eine Sicherstellung von Giftprobe erleichtert über deren Analyse die Behandlung des Verletzten.
Rechtsmedizinische Gesichtspunkte
Eine wichtige rechtsmedizinische Aufgabe in Vergiftungsfällen ist die Beweissicherung und Dokumentation. Es sollten Giftproben, Urin-, Blut- oder Gewebeproben sichergestellt werden.
Bei manchen Vergiftungen erlauben bereits äußerliche Zeichen eine Diagnose des Toxins. Beispielsweise werden handelsübliche Präparate des Pflanzenschutzmittels E 605 intensiv hellblau gefärbt. Damit sind manchmal Vergiftungen an der blauen Farbe am Mund des Patienten zu erkennen.
Differenzialdiagnose
Die Möglichkeit einer Vergiftung sollte in Betracht gezogen werden bei
- unerwarteten Todesfällen bei jungen, bis dahin gesunden Menschen
- bei plötzlichen Erkrankungen von Kindern ohne bekannte Vorerkrankungen
- bei gleichzeitiger Erkrankung mehrerer Personen
- bei Rauschgiftabhängigen
- bei Personen mit erleichtertem Zugang zu Giften
Vergiftungsursachen
Vergiftungsursachen sind stark von Altersgruppe und Vergiftungsorten abhängig. Die häufigsten Vergiftungsfälle geschehen z. B. bei Kindern im Alter von 1-4 Jahren durch Arzneimittel, chemische Produkte und Pflanzen und bei Säuglingen häufiger als bei über 70 Jahre alten Leuten.
Meist sind sie aufgrund von Verwechslungen unter dem Einfluss unsachgemäßer Aufbewahrung zurückzuführen (z. B. in Getränkeflaschen). Weitere häufige Vergiftungsursachen sind Kosmetika, Pestizide, Pilze, Nahrungs- und Genussmittel o. a.. Die meisten Vergiftungen finden im Haushalt statt, gefolgt vom Arbeitsplatz, Kindergärten und Krankenhäusern.
Die Vergiftungsursachen sind anhand der Symptome möglichst frühzeitig aufzudecken und durch die entsprechende Therapie zu behandeln.
Epidemiologie
1995 wurden (in Deutschland) 2.944 Todesfälle durch akute Intoxikationen gezählt. Häufigster Stoff bei diesen Intoxikationen sind das Kohlenstoffmonoxid (CO), die Opioide (Heroin, Morphin usw.) gefolgt von den Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Hypnotika). Danach folgen die Alkoholvergiftungen (Ethanol, Methanol und Ethylenglykol).
Laut der Kriminalstatistik des BKA 2004[1] steht an erster Stelle Ethanol. Auch 1995 betrug laut BKA der Anteil der nicht verkehrsfähigen Medikamente und Gifte bei tödlichen Vergiftungen etwa ein Drittel. Alkohol und legale Genussmittel hätten laut dem Bundeskriminalamt dagegen eine 2/3-Valenz an Intoxikationen.
Rechtslage
Deutschland
Im Strafgesetzbuch war die Vergiftung bis 1998 als eigenständiger Tatbestand eines Verbrechens in § 229 StGB aF geregelt. Durch das 6. Strafrechtsreformgesetz wurde er in den § 224 (gefährliche Körperverletzung) überführt. Dadurch wurde der Tatbestand zu einem Vergehen herabgestuft, dessen Qualifikationen sich nunmehr nach den Regeln der Körperverletzung richten. Eine Verurteilung wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung oder Mordes durch Einsatz von Gift ist jedoch weiterhin möglich. Dabei umfasst die rechtliche Regelung auch das äußerliche Vergiften durch Kontaktgifte.
Im Zusammenhang mit der Rechtsprechung ist die Vergiftung auch eine Hinrichtungsart bei der Vollstreckung von Todesstrafen. Durchgeführt wird sie durch Verabreichung von Nervengiften durch Applikation mittels Kanüle (Todesspritze) oder durch Vergasung (Gaskammer). In Deutschland abgeschafft.
Rechtliche Grundlagen im Bereich der Toxikologie sind folgende Gesetze:
- Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)
- Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG)
- Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV)
- Verordnung über die Nachweisführung bei der Entsorgung von Abfällen (Nachweisverordnung - NachwV)
Berühmte Vergiftungsfälle
Bekannt sind Vergiftungfälle sowohl als Todesstrafe, als Selbstmord, als Giftmord wie auch durch schleichende Vergiftung:
- Sokrates starb nach einer Verurteilung zum Tode durch einen Trank aus dem Schierlingsbecher.
- Ludwig van Beethoven litt fast sein ganzes Leben an Bleivergiftung, an der er auch starb.
- Eva Hitler vergiftete sich durch das Zerbeißen einer Zyankaliampulle, Joseph Goebbels und seine Frau Magda töteten sich mit Blausäure, Hermann Göring beging vor seiner Hinrichtung mit einer Zyankalikapsel Selbstmord.
- Der bulgarische Journalist und Dissident Georgi Markow fiel 1978 einem Regenschirmattentat mit einer mit 40 µg Rizin präparierten sehr kleinen Kugel zum Opfer.
- Der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko, der seit September 2004 an einer lebensgefährlichen Krankheit leidet, wurde mit Dioxin vergiftet.
- Der Fall Litwinenko, eine Polonium-Vergiftung im Herbst 2006
Nicht bestätigte, populäre Vergiftungsfälle:
- Kleopatra ließ sich der Sage zufolge zwecks Selbsttötung von einer Kobra beißen, um der Gefangennahme durch Octavian zu entgehen.
- Wolfgang Amadeus Mozart ging selbst davon aus, vergiftet worden zu sein. Diese These tauchte immer wieder auf. Seine Todesursache ist jedoch nicht geklärt.
- Von Napoléon Bonaparte wurde lange behauptet, er sei an einer Arsenvergiftung gestorben. Es wurden auch zahlreiche Theorien dazu aufgestellt. Napoleon starb jedoch an Magenkrebs.
Siehe auch
- Toxikologie
- Lebensmittelvergiftung
- Giftspritze, Hinrichtung durch Gift
- Überdosis
- Alkoholvergiftung
Einzelnachweise
Weblinks
- Wikibooks: Erste Hilfe bei Vergiftung – Lern- und Lehrmaterialien
- kindergesundheit-info.de – Vergiftungen; Vergiftungsunfälle; Schutz vor Vergiftungen; Risikofaktoren: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)