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Big Week

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Emblem der Mighty Eighth

Mit „Big Week“ (dt.: Große Woche) wurde eine Reihe alliierter Luftangriffe während des Zweiten Weltkrieges auf speziell ausgewählte Ziele der deutschen Rüstungsindustrie zwischen dem 20. und dem 25. Februar 1944 bezeichnet. Dafür setzten Amerikaner und Briten ca. 6.000 Bomber und 3.670 Begleitjäger ein. Die Big Week war der Beginn des entscheidenden Abschnitts des alliierten strategischen Luftkriegs gegen Deutschland. Amerikaner und Briten beabsichtigten, die deutsche Luftwaffe planmäßig durch Abnutzung zu vernichten.

Ziel

Eines der Hauptziele dieses großangelegten Bombardements war die dauerhafte Zerschlagung der deutschen Produktionsstätten für Jagdflugzeuge, durch Zerstörung insbesondere der Endmontagewerke.

Die Vorbereitungen für die „Big Week“ begannen bereits Ende 1943 unter dem Codenamen „Argument“.

Dem britischen RAF Bomber Command war es bis dahin nämlich trotz erheblicher Anstrengungen nicht gelungen, die Fabriken, die sich größtenteils in oder nahe bei deutschen Großstädten befanden, nachhaltig zu zerstören oder aber ihren Ausstoß signifikant zu verringern.

Aus diesem Grund wurden die in Großbritannien stationierte 8. US Luftflotte („Mighty Eighth“), die in Italien stationierte 15. US Luftflotte sowie die RAF für Präzisionsangriffe auserkoren, um entsprechende Angriffe täglich über eine ganze Woche hinweg auch bei größten Risiken und zu erwartenden schwersten Verlusten an Mensch und Material auszuführen. Die Amerikaner bombardierten bei Tage, die Briten bei Nacht.

Durchführung

B-17 bei einem Angriff über Europa
B-24 Liberator
P51 Mustang
Bombardierte deutsche Stadt

Der 20. Februar 1944, ein Sonntag, wurde wegen der prognostizierten günstigen Großwetterlage als Startdatum gewählt. Major-General Anderson vom Hauptquartier der United States Strategic Air Forces (USSAF) gab den Angriffsbefehl und der zu diesem Zeitpunkt bereits berühmte US-General Doolittle sandte fast 1.000 schwere US-Bomber (die meisten vom Typ B-17 Flying Fortress und B-24 Liberator), unterstützt von Hunderten Begleitjägern (hauptsächlich P-51 Mustang) gegen zwölf Ziele in Deutschland und besetzten Gebieten.

So griffen mehrere Hundert Bomber und Hunderte Jagdflugzeuge an diesem ersten Tag der „Großen Woche“ zunächst Flugzeugfabriken und Eisenbahnanlagen in Braunschweig, Oschersleben und Leipzig an. Anschließend folgten Tutow und Posen im besetzten Polen. Der Einsatz vom 20. Februar 1944 war die bis dahin größte strategische Angriffsoperation der US Airforce in Europa. Weitere Angriffsziele waren Magdeburg, Berlin, Dresden und Hamburg.

Die Ziele in Braunschweig waren zwei Fabriken der MIAG, in denen Teile für raketenfeuernde Messerschmitt Me 110 produziert wurden. 76 US-Maschinen vom Typ B-24 Liberator machten sich auf den Weg, ihren Auftrag auszuführen und die Ziele zu vernichten. Gegen 13:30 Uhr waren sie über Braunschweig; allerdings war die Wolkendecke über der Stadt zu tief, sodass der größte Teil der Bombenlast auf Wohngebiete in der Stadt, auf die Luther- und Wilke-Werke sowie die Maschinenfabrik Karges-Hammer, aber fast gar nicht auf die MIAG-Werke nieder ging. Der Angriff kostet 110 Menschen in Braunschweig das Leben, 2.000 wurden obdachlos.

Zum ersten Mal im Luftkrieg meldeten dabei amerikanische P-51-Besatzungen, sie seien von deutschen Düsenjägern vom Typ Messerschmitt Me 262 angegriffen worden. Das erscheint allerdings wenig glaubwürdig, da die deutsche Luftwaffe erst ca. einen Monat später mit dieser neuen Waffe ausgerüstet wurde.

Am 21. Februar, war neben anderen auch wiederum Braunschweig Angriffsziel. Diesmal sollten verschiedene Flugplätze zerstört werden sowie die Niedersächsischen Motorenwerke (Nimo) in Querum, damals ein Vorort Braunschweigs. Die Nimo bauten BMW-Flugzeugmotoren in Lizenz: 1944 allein 6.000 Stück. Die Nimo wurden gegen 15.30 Uhr von 81 Bombern angegriffen, die ca. 500 Sprengbomben mittleren Kalibers abwarfen. Auch hier verhinderte die Bewölkung wieder genaues Zielen, was zum Ergebnis hatte, dass die Nimo kaum, dafür aber wieder Wohngebiete und Äcker getroffen wurden. An diesem Tage wurden 26 Tote in Braunschweig registriert.

Des Weiteren wurden zahlreiche Startplätze deutscher Jäger in Norddeutschland angegriffen.

Am 24. Februar lagen die Tagziele der Amerikaner weiter im Osten: Gotha, Kreising und wiederum Posen. Die Briten bombardierten in der Nacht Kugellagerfabriken in Schweinfurt.

Am nächsten Tag folgten zwei weitere Angriffe auf die Stadt: Die Amerikaner am Tage, die Briten wieder nachts. Diese Taktik wurde von den Alliierten als double blow (dt.: Doppelschlag) bezeichnet und erwies sich als recht effektiv.

Ebenfalls am 25. wurde Fürth zum Ziel alliierter Angriffe. Das gleiche Schicksal teilte Regensburg, wo Messerschmitt-Werke durch einen Angriff von ca. 600 Bombern zerstört werden sollten.

Fazit

Insgesamt flog die Mighty Eighth in der Big Week 3.300 Kampfeinsätze; die 15. US-Flotte flog 500 und die RAF unterstützte durch fünf Nachtangriffe.

Die 8. und die 15. US Luftflotte verloren in dieser einen Woche 226 Bomber und 28 Jäger mit zusammen 2.600 Mann Besatzung. Die britischen Verluste beliefen sich auf 157 Flugzeuge.

Vor allem am letzten Tag und bei den Angriffen auf Regensburg (Amerikaner) und auf Nürnberg (Briten bei Nacht) waren die Verluste der Alliierten groß – größer als erwartet und zu verkraften war. So verlor die 15. US Luftflotte, die aus Italien anflog, 19% ihrer Flugzeuge und die RAF über Nürnberg 6,6% bei Nacht. Die Gesamtverlustrate war damit bei den Briten zum ersten Mal nachts höher als die der Amerikaner bei Tagangriffen. Das Ergebnis war, dass Angriffe auf die deutsche Flugzeugindustrie bis auf weiteres nicht mehr durchgeführt wurden.

Zuverlässige Zahlen über die Verluste der deutschen Luftwaffe liegen nicht vor; verfügbare Zahlen schwanken je nach Quelle zwischen 355 abgeschossenen, plus 155 beschädigten Maschinen und 225 getöteten Piloten, bis hin zu 1.500 Maschinen Gesamtverlust und 366 Toten.

Über exakte Verluste der deutschen Zivilbevölkerung gibt es auch kaum verlässliches Material, da von deutscher Seite kein direkter Zusammenhang mit der Big Week hergestellt werden konnte. Verluste unter Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen liegen überhaupt nicht vor, da über sie so gut wie nie Statistiken geführt wurden.

Die deutsche Flugzeugproduktion wurde zwar durch die Angriffe um etwa zwei Monate zurückgeworfen, sie sank von 2.077 (Januar 1944) auf 1.671 im Februar, was aber bei weitem nicht den Erwartungen der Alliierten entsprach. Im März 1944 war sie bereits wieder bei 200 Maschinen mehr als im Januar und im Juni 1944 wurden doppelt so viele Kampfflugzeuge wie im Februar produziert. Schlimmer als die materiellen Verluste war für Deutschland aber der Verlust an kampferfahrenen Piloten.

Zudem führte die Big Week dazu, dass die deutsche Flugzeugproduktion noch mehr (als bis dahin bereits geschehen) dezentralisiert bzw. ausgelagert wurde, so dass 1944 auf deutscher Seite der höchste Ausstoß an Jagdflugzeugen während des gesamten Krieges erreicht wurde.

Literatur

  • Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Der Luftkrieg über Deutschland 1939 – 1945. Deutsche Berichte und Pressestimmen des neutralen Auslands, dtv dokumente, München 1964
  • Roger Freeman: The Mighty Eighty War Diary, London 1981
  • Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940 – 1945, München 2002
  • Werner Girbig: 1000 Tage über Deutschland. Die 8. amerikanische Luftflotte im 2. Weltkrieg, München 1964
  • Eckart Grote: Target Brunswick 1943 – 1945. Luftangriffsziel Braunschweig – Dokumente der Zerstörung, Braunschweig 1994
  • Rudolf Prescher: Der rote Hahn über Braunschweig. Luftschutzmaßnahmen und Luftkriegsereignisse in der Stadt Braunschweig 1927 bis 1945, Braunschweig 1955