Heinrich Heine
Heinrich Heine (eigentlich: Harry Heine) (* 13. Dezember 1797 in Düsseldorf; † 17. Februar 1856 in Paris) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten.
Heine war zugleich romantischer Dichter und Überwinder der Romantik. Er machte die Alltagssprache "lyrikfähig", erhob das Feuilleton und den Reisebericht zur Kunstform und verlieh der deutschen Sprache eine selten gekannte, stilistische Leichtigkeit und Eleganz. Als kritischer, politisch engagierter Journalist, Essayist, Satiriker und Polemiker war er ebenso bewundert wie gefürchtet. Er gehört zu den meistübersetzten Dichtern deutscher Sprache.
Biographie
Harry Heine ist das älteste von vier Kindern des Tuchhändlers Samson Heine und seiner Frau Betty (eigentlich: Peira), geborene van Geldern. Er wächst in einem aufgeklärten, weitgehend assimilierten jüdischen Elternhaus auf und besucht das von spätaufklärerischem Geist geprägte Düsseldorfer Lyzeum. Schon als Schüler schreibt Harry erste Gedichte. 1814 verlässt er ohne Abgangszeugnis das Lyzeum. Der Familientradition folgend soll er sich an einer Handelsschule auf einen kaufmännischen Beruf vorbereiten, obwohl er keinerlei merkantile Neigung verspürt.
Nicht zuletzt deshalb scheitert Harry Heine sowohl mit einer Banklehre als auch mit einem Tuchgeschäft, das ihm sein wohlhabender Onkel Salomon Heine in Hamburg eingerichtet hat und das er innerhalb kürzester Zeit in den Bankrott wirtschaftet. Obendrein verliebt sich Harry in Hamburg unglücklich in seine Cousine Amalie. Die verschmähte Liebe verarbeitet er später in zahlreichen teils romantischen, teils ironischen Gedichten .
Obwohl Heine sich auch für die Rechtswissenschaft nicht sonderlich interessiert, nimmt er 1819 ein Jurastudium auf. Zunächst schreibt er sich in Bonn ein, im Wintersemester 1820 dann an der Universität Göttingen, von der er aber bald darauf wegen eines Duells verwiesen wird. Von 1821-1823 studiert er in Berlin. Dort hört er Vorlesungen bei Hegel und besucht die literarischen Zirkel der Stadt; u.a. schließt er Bekanntschaft mit Varnhagen von Ense. Wieder in Göttingen, promoviert er 1825 zum Doktor der Rechte. Kurz zuvor lässt er sich protestantisch taufen und nimmt den Vornamen Heinrich an.
Religiös eher indifferent, bezeichnet Heine den Taufschein spöttisch als "Entreebillet zur europäischen Kultur". Doch trotz seines Übertritts zum Christentum gelingt es ihm in den Folgejahren nicht, eine Anstellung im Staatsdienst zu finden, so dass er, für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich, beschließt, seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen.
Heines erste Gedichte sind bereits 1822 erschienen. 1823 folgt Lyrisches Intermezzo bei Julius Campe in Hamburg - der bis zu Heines Tod sein Verleger bleiben wird - und 1824 die Sammlung Dreiunddreißig Gedichte, darunter sein in Deutschland wohl bekanntestes: Die Loreley. Im Jahr 1826 veröffentlicht Heine den Reisebericht Harzreise, im Oktober 1827 seinen bis heute populären Gedichtband Buch der Lieder und von 1826-1831 weitere Reisebilder, darunter den Zyklus Nordsee und das Werk Ideen. Das Buch Le Grand, ein Bekenntnis zu Napoleon und den Errungenschaften der Französischen Revolution. Nach einer weiteren Harzreise besucht Heine 1829 den von ihm verehrten Johann Wolfgang von Goethe in Weimar. Der Geheimrat gibt sich jedoch höflich-dessinteressiert an einem Band mit Gedichten Heines, den dieser ihm schenkt.
Wegen seiner politischen Ansichten zunehmend angefeindet und der Zensur in Deutschland überdrüssig, geht Heinrich Heine 1831, nach dem Ausbruch der Julirevolution in Frankreich, als Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung nach Paris. Hier beginnt seine zweite Lebens- und Schaffensphase. Obwohl er sich Zeit seines Lebens nach Deutschland sehnt, kehrt er nur noch zweimal dorthin zurück. Ohnehin sind seine Bücher und die der Dichtergruppe Junges Deutschland, seit 1835 auf Beschluss der Frankfurter Bundestages in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes verboten.
Die Weltstadt Paris inspiriert Heine in den folgenden Jahren zu einer Flut von Essays, politischen Artikeln, Polemiken, Denkschriften, Gedichten und Prosawerken. In Schriften wie Französische Zustände (1832) und Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (1834) versucht er, den Deutschen Frankreich und den Franzosen Deutschland zu erklären. Weitere wichtige Werke dieser Zeit sind Die romantische Schule (1836), Über Ludwig Börne (1840) und das Romanfragment Der Rabbi von Bacharach (1840).
Im Jahr 1841 heiratet Heine die Verkäuferin Eugenie Crescentia Mirat, mit der er seit 1834 zusammenlebt und die er liebevoll Mathilde nennt. 1843 und 1844 unternimmt er zwei Reisen nach Deutschland auf denen er Karl Marx und Ferdinand Lassalle kennenlernt. In diesen Jahren entstehen seine großen Versepen Atta Troll und - angeregt durch seine zweite Reise - Deutschland. Ein Wintermärchen. Darüber hinaus erscheint die Lyriksammlung Neue Gedichte.
In den 1840er Jahren radikalisiert sich Heines Ton zunehmend. Er gehört zu den ersten deutschen Dichtern, die die Folgen der einsetzenden Industrialisierung zur Kenntnis nehmen und das Elend der neu entstandenen Arbeiterklasse in ihren Werken aufgreifen. Beispielhaft dafür ist sein Gedicht Die armen Weber von 1844, das als Flugblatt weite Verbreitung unter den Arbeitern findet. Zitat:
- "Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
- den unser Elend nicht konnte erweichen,
- der uns den letzten Groschen erpresst
- und uns wie Hunde erschießen lässt!"
Als überzeugter Demokrat begrüßt Heine 1848 die Revolutionen in ganz Europa, wendet sich aber von der Entwicklung der deutschen Verhältnisse bald enttäuscht ab
- "Gelegt hat sich der starke Wind
- und wieder wirds stille daheime.
- Germania, das große Kind
- erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume",
schreibt er resigniert in dem Gedicht Im Oktober 1849.
Zudem wirft im Revolutionsjahr ein schon länger bestehendes Nervenleiden Heinrich Heine aufs Krankenlager, das er bis zu seinem Tod 8 Jahre später nicht mehr verlassen sollte. Doch selbst in seiner "Matratzengruft" verlässt ihn die Schaffenskraft nicht. Im Oktober 1851 veröffentlicht er seinen Gedichtband Romanzero und 1854 sein politisches Vermächtnis Lutetia.
Trotz seines schweren Leidens vergeht Heine auch der Humor nicht. Dass er das Leben liebt, dem Tod aber gleichwohl tapfer ins Auge blickt, zeigt sein Gedicht Epilog:
- "Unser Grab erwärmt der Ruhm.
- Torenworte! Narrentum!
- Eine bessre Wärme gibt
- eine Kuhmagd, die verliebt
- uns mit dicken Lippen küsst
- und beträchtlich riecht nach Mist ..."
Am 17. Februar 1856 hat Heinrich Heine ausgeküsst und ausgesungen. Drei Tage später wird er auf dem Friedhof Montmartre beerdigt. Den Grabstein ziert eine Büste Heines und sein Gedicht Wo?:
- "Wo wird einst des Wandermüden
- letzte Ruhestätte sein?
- Unter Palmen in dem Süden?
- Unter Linden an dem Rhein?
- Werd ich wo in einer Wüste
- eingescharrt von fremder Hand?
- Oder ruh ich an der Küste
- eines Meeres in dem Sand?
- Immerhin, mich wird umgeben
- Gotteshimmel, dort wie hier.
- Und als Totenlampen schweben
- nachts die Sterne über mir."
Lebenschronik
- 1803 - 1814 Schüler, Abgang ohne Abitur; Lehre erfolglos
- 1816 "Traumbilder "Romanzen"
- 1817 Lehrling im Bankhaus des Onkels Salomon Heine in Hamburg;
- 1819 - 1825 Jurastudium in Bonn, Göttingen und Berlin
- Beginn des Studiums in Bonn WS 1819/20
- 1820: Wechsel nach Göttingen
- 27.01.1821: "consilium abeundi" (Verweis von der Uni für ein halbes Jahr wegen eines Duells)
- ab 1821: Studium in Berlin, Teilnahme am literarischen Leben
- 1820 erste Prosaarbeit Romantik im "Rheinisch-Westfälischen Anzeiger"
- 1821 Berlin, erster Gedichtband
- 1822 Mitglied im Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden
- 1824 Harzreise
- 1825 evangelisch-lutherische Taufe in Heiligenstadt; Namensänderung zu Heinrich Heine Promotion in Göttingen über Straf- und Zivilrecht
- 1826 "Harzreise" bei Campe
- 1828 Italienreise,
- 1831 Übersiedlung nach Paris; arbeitet für die Augsburger "Allgemeine Zeitung"
- 1832 Beginnendes Nervenleiden
- 1834 Beginn der Beziehung zu Eugenie Crescentia Mirat (genannt Mathilde)
- 1835 Verbot von Heines Schriften im Deutschen Bund
- 1836 "Die romantische Schule".
- 1837 "Florentinische Nächten", "Elementargeister".
- 1840 "Ludwig Börne", "Der Rabbi von Bacherach"
- 1841 Heirat mit Eugenie Crescentia Mirat nach katholischem Ritus; Duell
- 1841 verstärkte Hinwendung zur politischen Schriftstellerei und Poesie; Radikalisierung
- 1843 Reise nach Hamburg; Bekanntschaft mit Karl Marx
- 1844 Erneute Reise nach Hamburg. "Neue Gedichte", Deutschland. Ein Wintermärchen.
- 1845 Krankheit (Zentralnervenleiden, teilweise Lähmung)
- 1847 Atta Troll, Ein Sommernachtstraum
- 1848 andauerndes Krankenlager (Matratzengruft);
- 1850 Romanzero
- 1851 Doktor Faust in Preußen und Österreich verboten

Werke (Auswahl)
- Gedichte, 1821
- Tragödien, nebst einem lyrischen Intermezzo, 1823
- Reisebilder, 1826-31
- Die Harzreise, 1826
- Ideen, das Buch le Grand, 1827
- Englische Fragmente, 1827
- Buch der Lieder, 1827
- Französische Zustände, 1833
- Zur Geschichte der neuren schönen Literatur in Deutschland, 1833
- Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland
- Die romantische Schule, 1836
- Der Salon, 1836-40
- Über Ludwig Börne, 1840
- Atta Troll. Ein Sommernachtstraum, 1843
- Neue Gedichte, 1844 - New Poems
- Deutschland. Ein Wintermädchen, 1844 - Germany
- Romanzero, 1851
- Der Doctor Faust, 1851
- Les Dieux en Exil, 1853
- Die Harzreise, 1853
- Lutetia, 1854
- Vermischte Schriften, 1854
- Letzte Gedichte und Gedanken, 1869
- Sämtliche Werke, 1887-90 (7 Vols.)
- Sämtliche Werke, 1910-20
- Sämtliche Werke, 1925-30
- Werke und Briefe, 1961-64
- Sämtliche Schriften, 1968
Literatur
- G. Oesterle: Integration und Konflikt. Die Prosa Heinrich Heines im Kontext oppositioneller Literatur der Restaurationsepoche, Stuttgart 1972
- K.-T. Kleinknecht (Hg.): Heine in Deutschland. Dokumente seiner Rezeption 1834-1956, Tübingen 1976
- L. Marcuse: Heinrich Heine, Zürich 1980
- L. Kopelew: Ein Dichter kam vom Rhein, München 1988
- E. Ziegler: Heinrich Heine. Leben - Werk - Wirkung, Zürich 1993
- R. Schnell: Heinrich Heine zur Einführung, Hamburg 1996.
- E. Pawel: Der Dichter stirbt. Heinrich Heines letzte Jahre in Paris, Berlin 1997
- M. Reich-Ranicki: Der Fall Heine, Stuttgart 1997
- J.-C. Hauschild u. M. Werner: "Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst" - Heinrich Heine. Eine Biographie, Köln 1997